SZ-Magazin: Frau Jongerius, Sie sind bekannt für Teekannen mit Frauenbüsten und bestickte Porzellanteller. Jetzt arbeiten Sie gerade an einem Stuhl.
Ich bin nicht eines Tages aufgewacht und dachte: Heute mach ich einen Stuhl. Ich arbeite schon seit vielen Jahren mit Vitra zusammen, die wissen, was mich interessiert und dass ich gern mit Holz arbeite. Da haben sie mich gefragt. Einen stapelbaren Holzstuhl hatten sie bislang nicht.
Was macht Holz für Sie so interessant?
Ich mag, dass es aufgrund seiner Maserungen immer anders aussieht. Holz hat eine gewisse Leichtigkeit. Überhaupt arbeite ich gern mit traditionellen Materialien und Formen. Ich versuche eine zeit-gemäße Version dessen zu finden, was bereits existiert. Wenn alles neu ist, können die Menschen nicht damit umgehen. Sie schließen es nicht in ihr Herz. Etwas, was ihnen irgendwie bekannt vorkommt, nehmen sie schneller an.
Holz hat ja auch einen bestimmten Geruch.
Der Geruch spielt keine Rolle. Aber manchmal haben Gegenstände einen imaginären Geruch. Etwas riecht zum Beispiel nach zu viel Parfum in einem Raum oder wie in einer Bäckerei. Vor einiger Zeit habe ich ein Zelt gekauft und probeweise im Studio aufgebaut. Das Segeltuch roch nach Urlaub, sofort war ich irgendwo am Meer. Manche Materialien erzeugen so bestimmte Erinnerungen. Das ist gut, dann kommuniziert ein Objekt mit uns.
(Lesen Sie weiter auf der nächsten Seite)
Hier finden Sie weitere Arbeiten der Designerin
Sind Sie zufrieden mit Ihrem Entwurf oder würden Sie gern noch etwas ändern?
Ich bin nie zufrieden. Und ohne festen Abgabetermin würde ich nie fertig werden. Es dauert immer eine Weile, bis ich mich mit einem Stück identifizieren kann. Den »Rotterdam Chair« kann ich gerade nicht mehr sehen. Es ist kein Stuhl mehr, vielmehr ein Puzzle. Ich kenne jedes seiner Details aus zehn verschiedenen Perspektiven. Aber er muss wieder ein Stuhl werden, das dauert ein bisschen.
Wie lange haben Sie denn an dem Stuhl gearbeitet?
Im Oktober 2006 hatten wir die ersten Entwürfe. Das Design stand etwa sechs Monate später, die industrielle Umsetzung dauerte dann anderthalb Jahre.
Hatten Sie am Anfang schon eine Idee, wie der Stuhl aussehen soll?
Nein, wir fangen immer ganz von vorn an. Wir sehen uns zehn Stühle an, die uns gefallen: Einer ist gemütlich, einer hat schöne Beine, einer hat ein nettes kleines Detail. Schließlich überlegen wir uns, wonach wir suchen, und bauen Modelle. Dabei stelle ich mir immer die Frage: Wie würde ich ihn wollen? Wenn Sie dafür die Antwort haben, ist die halbe Arbeit schon getan.
Was würden Sie denn gern mal neu entwerfen?
Ein Auto. Vor allem das Interieur. Ich habe noch nie ein Auto gesehen, das mir gefällt. So ist das übrigens auch mit meinem Sofa, dem »Polder«, gewesen. Ich fand keines, das mir gefiel, also habe ich eines für Vitra entworfen. Dabei bin ich als Verbraucher eigentlich recht zufrieden mit dieser Welt. Ein Kühlschrank zum Beispiel ist, wie er ist. Er braucht keine Kurven oder einen integrierten Fernseher.
Was ist für Sie gutes Design?
Man muss seine Möglichkeiten überschreiten. Es muss auffallen. Wenn es das nicht schafft, läuft man einfach daran vorbei.
Gilt das auch für die Möbel Ihrer eigenen Wohnung?
Ich interessiere mich eigentlich nur für Einzelstücke. Wenn etwas richtig gut ist, dann gibt es davon auch nur wenige Exemplare. Mein Mann sucht gerade einen alten Fernseher von Philippe Starck.
Sie würden also niemals bei Ikea einkaufen?
Ich habe bereits für Ikea Vasen erstellt und arbeite gerade wieder an etwas, was bis 2009 fertig werden soll. Aber ich kann da nicht einkaufen gehen. Nicht der Möbel und Accessoires wegen, aber mir ist es da einfach immer zu voll.
Hella Jongerius, 44, arbeitet in Rotterdam. Zu den Kunden ihres Designstudios Jongeriuslab zählen Firmen wie Vitra, Ikea, Nymphenburg und Droog Design.
Aktuelles Projekt: Rotterdam Chair, ein stapelbarer Holzstuhl für Vitra.