Form follows function, dieser programmatische Satz, nach dem die Form eines Alltagsgegenstandes seiner Funktion folgen möge, gehört spätestens mit dem Bauhaus zum Glaubenbekenntnis moderner Gestaltung. Es ist ein zweckorientiertes Prinzip, das aus einer Zeit stammt, als Fortschritt noch ein Versprechen war und die Optimierung der Gesellschaft der Auftrag. Verstöße dagegen galten als Zierrat, als Styling, als Extravaganz. Im Großen und Ganzen ist das noch immer so, wie der Erfolg der puristischen, glattgebürsteten Apple-Produkte zeigt. So wurden Computer immer intuitiver, Stühle immer ergonomischer, Massenproduktion immer effizienter.
Mit diesen Gedanken im Hinterkopf besuchte SZ-Magazin-Autorin Michaela Haas die beiden Brüder Nikolai und Simon in Los Angeles und kam sich dabei vor wie bei einer »Expedition in ein Kinderparadies für Erwachsene«, denn die Entwürfe der 1984 geborenen Zwillinge spotten so ziemlich allen geltenden Gestaltungsnormen. Genau das macht ihren großen Erfolg aus. Ihre Hocker sehen aus wie keine Monster mit Sitzflächen aus Fell und goldenen Comicfüßen. Ihre Vasen wie gewachsene Korallen. Mit diesen surrealen Kreationen haben die beiden Brüder in wenigen Jahren eine kaufkräftige Fangemeinde aufgebaut in Hollywood. Nicht nur Leonardo DiCaprio und Tobey Maguire zählen zu ihren Kunden, auch Lady Gaga und Donatella Versace schätzen die sexuell aufgeladenen Objekte, von denen man nie weiß, ob sie noch Design sind oder schon Kunst. Oder irgendwas jenseits davon.
Inzwischen verdienen die Hass Brothers viel Geld mit ihrer Kunst, obwohl sie immer noch alles als einen großen Spaß, ein Spiel ansehen. Vielleicht auch gerade deswegen. Ihren Objekten geben sie Namen wie »Hairy Belafonte« oder »Fat Damon«, unter manchen lugen goldenen Hoden hervor. »Wir nehmen unsere Arbeit sehr ernst,« sagt Niki Haas, »aber der Name sagt: Hey, das ist bloß ein Kunstwerk. Es ist ein Witz.«
Bei ihrem Besuch im Atelier versucht die Autorin Michaela Haas hinter das Geheimnis zu kommen, das die beiden Brüder antreibt. Wo der Ursprung ihrer verrückt-bizarren Welt liegt. Es hat mit ihrer ganz persönlichen Beziehung als Zwillinge zu tun, mit ihrem deutschen Vater, einem Bildhauer aus Rottweil und ihrer Jugend, die nicht ganz einfach war, wenn man in Texas aufwächst und schwul ist.
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Foto: Gettyimages / Jennifer Graylock