Zum Glück wollen Sie nicht, wie etliche andere Fragesteller, wissen, ob man bei bezahltem Pfand das Glas ohne Weiteres mit nach Hause nehmen dürfe. Nur am Rande: nein! Ihre Konstellation dagegen hat etwas Besonderes: Sie wollen das Richtige tun, aber egal, wie Sie sich verhalten, erleidet einer der Beteiligten einen Schaden: Lassen Sie das Glas stehen, gehen Sie des Pfandes verlustig, nehmen Sie es mit, verliert umgekehrt der Wirt die Differenz zwischen Glaswert und Pfandwert.
Was nun? Ich persönlich neige in derartigen Situationen zu einer Art Alltagspazifismus: Steht ein Schlag bevor, scheint es mir – ganz im Sinne der Bergpredigt – für das Zusammenleben förderlicher, wenn man seine eigene Wange hinhält, statt selbst zuzuschlagen. Ich würde auf das Pfand verzichten und das Glas stehen lassen, bevor ich meinem Gegenüber schade. (Und hier dazu noch mir, denn was will ich mit einem einzelnen gebrauchten Bierglas?) Andererseits kommt der Wurm vonseiten des Biergartens, es ist deren Aufgabe, Ihnen eine Pfandmarke auszuhändigen, wenn eine solche erforderlich ist. Dann sollte der Schaden auch dort bleiben – mit einem Haken: Die Mitnahme stellt trotz allem einen Diebstahl dar!
Wäre ich kein Jurist, den so etwas bindet, könnte am Ende ein ganz anderer Aspekt die Lösung zeigen: Der Wert, um den es geht, ist so gering, dass sich die im Grunde notwendige ordentliche Klärung mit Kasse und Wirt schlicht nicht lohnt. Das scheint mir aber ein Zeichen zu sein, dass sich umgekehrt auch weder Ärger noch Gewissensbisse wirklich lohnen. Wenn das Dilemma aus dem Praktischen kommt, sollte man es auch dort lösen. Also könnte man das machen, wonach einem im Moment eher zumute ist. Biergartenleben eben.
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