Jennifer Gordon hat so viele Büstenhalter, dass sie ein ganzes Lager eigens für die BHs anmieten musste. Es sind Tausende. Seit sie auf Facebook dazu aufrief, ihr gebrauchte Büstenhalter zu schicken, wird sie von einer Paketflut überrollt. Aus ganz Nordamerika und sogar aus Europa schicken Frauen ihre alten BHs. Die hat sich Gordon aber nicht für sich selbst gewünscht, sondern für ihre Schützlinge: Hunderte von Schildkröten, um die sie jedes Jahr mit ihrer Tierrettungsorganisation Carolina Waterfowl Rescue in Indian Trail, North Carolina, kümmert.
Eigentlich ist Gordons Rettungsstation, wie der Name schon sagt, hauptsächlich für Federvieh gedacht: Enten, Reiher, Eulen, gut 2000 Vögel im Jahr. Aber sie nimmt fast alle Tiere auf, die Hilfe brauchen, derzeit hätte sie auf ihren 300 Hektar auch ein Kalb und einige Schlangen zur Adoption da – wie sie betont, »nur für liebevolle Haushalte«.
Und eben Schildkröten. Nicht alle, aber viele von ihnen haben sich beim Zusammenstoß mit einem Auto oder einem Rasenmäher die Panzer gebrochen. Vor allem wenn sie Eier tragen, legen weibliche Schildkröten teils weite Wege zurück, um geeignete Legestellen zu suchen. Leider kommt es, wenn sie dabei Straßen überqueren, gar nicht so selten zu Zusammenstößen mit Autos – und in der Regel gehen daraus die Autos als Sieger hervor.
So kommen die BHs ins Spiel – als Hilfsmittel, um gebrochene Schildkrötenpanzer zu heilen. Die Haken der BHs werden mit wasserfestem Kleber auf die Panzer geklebt und mit Drähten so verbunden, dass der Panzer Zeit hat, über Monate wieder zusammen zu wachsen. »Das ist mit einem Knochenbruch beim Menschen zu vergleichen«, sagt Gordon. »Es dauert etwa drei Monate, bis alles wieder so fest zusammengewachsen ist, dass ich die Tiere in der Natur aussetzen kann.« Gordon rettet seit über 20 Jahren Tiere und hat sich die Methode für die sexy beasts selbst beigebracht. »Heute lernen meine Angestellten auf der Uni auch andere Methoden, aber die hier funktioniert.«
Körbchengröße A oder DDD? Spitze oder Baumwolle? Chanel oder Victoria’s Secret? Völlig egal
Körbchengröße A oder DDD? Spitze oder Baumwolle? Chanel oder Victoria’s Secret? Völlig egal, denn Gordon braucht für die Rettungsversuche nicht den Stoff dern BHs, sondern nur die Haken und Ösen. Natürlich könnte man die auch extra kaufen. »Jahrelang hatten wir die auf unserer Wunschliste«, sagt Gordon. »Aber nie hat uns jemand welche geschickt.« Deshalb startete sie, inspiriert von einer Tierschutzgruppe in Iowa, die Büstenhalter-Aktion. »Die haben dazu aufgerufen und konnten sich dann vor Einsendungen nicht mehr retten. Da dachte ich, das machen wir auch.«
Eine positive Nebenwirkung: »Wir nutzen die Aktion auch dafür, die Leute aufzuklären und Aufmerksamkeit zu schaffen, dass sie zum Beispiel beim Rasenmähen vorher genauer hinschauen. Außerdem denken viele, wenn eine Schildkröte einen zerbrochenen Panzer hat oder regungslos am Straßenrand liegt, sei sie nicht mehr zu retten. Das stimmt aber nicht. Die Tiere sind unheimlich widerstandsfähig, wir kriegen die oft wieder hin.«
Sogar wenn eine Schildkröte schon im Sterben liegt oder tatsächlich tot ist, sagt Gordon, könne sie oft noch die Eier retten. »Denn die meisten Schildkröten, die überfahren werden, sind Mütter auf der Suche nach einem Platz, wo sie ihre Eier ablegen können. 90 Prozent der Schildkröten bei uns sind weiblich und tragen Eier.« Mit ihren 20 Angestellten und 200 Freiwilligen kümmert sie sich dann um die Eier, bis die Babys schlüpfen, und zieht die jungen Schildkröten auf, bis sie stark genug für das Überleben in der Wildnis sind.
Im Augenblick hat sie mehr BHs als Schildkröten. Aber sie rechnet vor: »Wir nehmen im Durchschnitt 250 Schildkröten pro Jahr auf, jede davon braucht 10 bis 20 Haken, je nach Größe und Verletzung. Ein BH hat sechs Haken.« Deshalb, mit Blick auf das Lager: »Wir werden die BHs alle brauchen.«