Das Problem: Das Geschäft mit Blumen ist für den Planeten alles andere als rosig. Deutschland importiert zum Beispiel fast zwei Milliarden Rosen im Jahr, meist aus Monokulturen in Holland, Afrika oder Südamerika. Dort werden die Blumen möglicherweise mit Pestiziden besprüht, die teilweise bei uns verboten sind, unter oft unmenschlichen Arbeitsbedingungen geerntet, in Plastik verpackt und dann über Tausende Kilometer transportiert.
Die Lösung: Die einheimischen Blumen der »Slow Flowers«-Gärtner. Auch in Deutschland gibt es inzwischen gut 200 »langsame« Blumengärtner.
2013 brachte die Autorin und ausgebildete Gärtnerin Debra Prinzing ein Buch namens Slow Flowers: Four Seasons of Locally Grown Bouquets from the Garden, Meadow and Farm heraus. Hinter ihrem Buch steckte der Versuch, für jede der 52 Wochen des Jahres einen Strauß zu binden, der nur aus Blumen und Pflanzen bestand, die zu dieser Zeit in ihrem Garten in Seattle oder in der näheren Umgebung zu finden waren. Prinzings Buch wurde zum Startschuss der »Slow Flowers«-Bewegung, die mit Blumen das machen möchte, was in der Bio-Landwirtschaft schon erfolgreich umgesetzt wird: regional, saisonal, pestizidfrei und unter fairen Arbeitsbedingungen anbauen. Debra Prinzings Idee hat inzwischen große, auch internationale Resonanz gefunden.
SZ-Magazin: Wünschen Sie sich zum Valentinstag ein Dutzend roter Rosen?
Debra Prinzing: Mein Mann und ich sind lange genug verheiratet, dass er weiß: Rosen im Winter machen mich nicht glücklich.
Sondern?
Um diese Jahreszeit bekommt man kaum einheimische Rosen. Aber in meinem Garten in Seattle blühen die ersten Tulpen und Narzissen. Die kann man schön mit Quittenzweigen arrangieren. So bin ich ja bekannt geworden: Weil ich jede Woche ein schönes Gebinde aus meinem Garten und von einheimischen Blumengärtnern gestaltet habe, das ganze Jahr über. Manchmal muss man eben den Begriff von Schönheit saisonal neu definieren.
Es ist also kein Liebesbeweis, im Winter rote Rosen zu verschenken?
Ich will niemanden beschämen, aber natürlich sind die Rosen, die man um diese Jahreszeit kaufen kann, aus Ecuador, Kenia oder den Niederlanden eingeflogen worden. Sie haben also einen enormen CO2-Abdruck, wurden in Zellophan gepackt, das man nicht recyclen kann, ganz zu schweigen von den Pestiziden, mit denen man sie besprüht hat. Wenn sie eingeführt werden, interessiert sich der Zoll nur dafür, dass keine Schädlinge ins Land gebracht werden, nicht mit welchen Mitteln die Blumen behandelt wurden. Das heißt, die Rosen sind auf jeden Fall begast worden.
Seit Sie 2013 Ihr Buch mit dem Titel Slow Flowers veröffentlichten, gelten Sie als Gründerin der »Slow Flowers«-Bewegung. Was ist das genau?
Inzwischen kennt jeder die Slow-Food-Bewegung. Damit verbindet man einheimisches, weitgehend unbehandeltes, traditionelles und genüssliches Essen, das Gegenteil von Fast Food. Genau das machen wir auch, aber mit Schnittblumen. Statt Blumen über Tausende von Kilometern zu transportieren, die mit enormen Mengen an Pestiziden behandelt und meist auch noch von unterbezahlten Arbeitern verpackt wurden, fördern wir einheimische Arten, die ohne schädliche Chemie und Genmanipulation auskommen. Wir sind inzwischen 850 Floristen und Gärtnereien allein in Amerika, dazu 60 in Kanada und Hunderte auf der ganzen Welt. Jedes Jahr werden es etwa zehn Prozent mehr.
Wer kontrolliert, ob die »Slow Flowers«-Gärtner wirklich keine Pestizide verwenden?
Es gibt einige Zertifizierungen wie Certified Naturally Grown and Salmon Safe, die sehr klare Kriterien haben. Aber es gibt natürlich auch Greenwashing. Slow Flower ist so populär geworden, dass inzwischen auch andere auf den Zug aufspringen, und im Großhandel gibt es dann schon mal jemanden, der sagt, er verkaufe einheimische Blumen, obwohl er sie aus Mexiko importiert hat. Ich rate allen: Besucht die Gärtnerei, redet mit den Gärtnern und stellt Fragen. Sprühen Sie gegen Mehltau? Was machen Sie gegen Läuse? Die meisten sind unglaublich stolz auf ihre Blumen und achten sehr genau darauf, was ihnen ins Beet kommt. Genau wie beim Essen sehen wir immer mehr Kunden, die sich dafür interessieren, woher die Blumen kommen und wie sie angebaut wurden.
Also vom Feld in die Vase statt vom Feld auf den Tisch.
Letztendlich ist es die Macht der Kunden und ihrer Geldbeutel, die entscheidet. Zum Valentinstag gibt es immer diese Fernsehwerbungen, die Männern weismachen wollen, dass rote Rosen Liebe bedeuten. Mir tun die Männer dann immer leid.
Sind »Slow Flowers«-Blumen teurer als konventionelle Blumen?.
Preislich können wir mit den Importeuren nicht konkurrieren. Dafür wissen die Kunden, dass die Blumen ganz frisch sind, nicht über weite Strecken geflogen wurden, und dass sie sehr wenig Abfall verursachten. Bei den Importen geht bis zu 20 Prozent kaputt. Unsere Blumen halten auch deshalb viel länger, weil sie nicht fünf Tage beim Zoll feststecken.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass die meisten Kunden in Blumenläden nicht wissen, was für eine schlechte Umweltbilanz die Blumen dort haben.
Als Faustregel gilt: je billiger, desto schädlicher. Aber es gibt eine Gegenbewegung. Gerade in der Pandemie haben sich mehr Leute dafür entschieden, selbst anzubauen oder lokal einzukaufen. Auch auf den Bauernmärkten sehen wir immer mehr Bauern, die Sträuße selbst gezogener Blumen anbieten. Vielen Leuten ist es egal, ob ihre Blumen ohne Chemie angebaut wurden, weil sie sie ja nicht essen, aber sie wollen ihre lokale Gemeinschaft und die kleinen Läden unterstützen. Wie bei Biobauern auch bricht es einem natürlich das Herz, wenn es im späten Frühling nochmal Frost gibt oder ein Sturm die Ernte vernichtet.
Wie sind Sie eigentlich auf »Slow Flowers« gekommen?
Ich war eigentlich Wirtschaftsjournalistin, aber privat immer schon leidenschaftliche Gärtnerin. Dann habe ich immer mehr über Design geschrieben, und bin dann auch noch auf die Gartenbauschule. Das Slow Flowers-Buch war so ein Erfolg, dass ich seit zehn Jahren auch den Slow Flowers-Podcast mache und Festivals veranstalte. Wir organisieren auch Seminare, zum Beispiel zum Thema integriertes Ungeziefer-Management. Ich gärtnere seit Jahrzehnten und habe noch kein einziges Mal ein Gift benutzt.
Wie werden sie dann die Schnecken los und was machen Sie bei Lausbefall?
Schnecken fange ich mit Bier, Läuse wasche ich mit milder Seife ab. Wir pflanzen zum Beispiel einige Zinnien, die Läuse unheimlich lecker finden und die werden dann sozusagen geopfert, damit der Rest lausfrei bleibt. Da muss man dann halt auch Opfer bringen.