Franz Josef Wagner [* 7.8.1943 Olmütz, Tschechien].
Rund 11 Millionen Deutsche bekommen regelmäßig »Post von Wagner«. Außer bei Diktatoren beginnen diese Texte immer mit der Anrede »Liebe…« Jeden kann es erwischen. Von der Seite 2 der Bild-Zeitung aus schreibt Wagner an Menschen, Tiere, Städte, Kneipen, Kartellämter, das Christkind. Aber auch an die »liebe Kälte« oder den »lieben Airbus 380«. Angesichts der Vogelgrippe warnt er die »lieben Vögel«: »Berauscht Euch nicht am Kot einer Nachtigall.« Er geißelt und straft alles, was sich bewegt. Kein Halt vor nichts und niemandem. Weder vor den »lieben Verlierern des Jahres 2005« noch vor den von Wagner angehimmelten Gewinnern wie Thomas Gottschalk. Manchmal fleddert er Leichen, bevor es sie gibt. Seine Qualifikationen für diesen seinen Job sind umfassend: Domspatz in Regensburg, Möbelpacker in Paris, Bademeister in Genf, Chefredakteur in München (Bunte) und Berlin (BZ). Mit diesem Fundus hat Wagner es zu Lebzeiten bereits zum größten Kolumnisten der Bild-Zeitung gebracht. Inzwischen sind es über tausend Kolumnen. Seine Sprache ist oft grob, seine Gedanken sind manchmal wirr und häufig auch komisch. Er artikuliert Neid, den er jederzeit in sein Gegenteil verkehren kann, und spendet Mitleid, das er komplett wieder entziehen kann.
Prominente bekommen dauernd Post von Wagner. Angela Merkel zum Beispiel 21-mal, danach folgen Schumi, Joschka, Oskar und die anderen üblichen Verdächtigen. Oft denkt Wagner an sich als den Steuerzahler, der »das alles« bezahlen muss.
Fazit: Wagner schreibt Deutschland, Deutschland liest Wagner, beide suchen und finden sich immer wieder gut. Wagner ist Deutschlands ideeller Gesamt-Stammtisch-Wimpel. Seine Verdienste sind groß. Seine Chronologie ist prächtig. Lebendig das Land, das diese Post bekommt.
Foto: dpa