Arabella Kiesbauer [*Wien, 8.4.1969 als Cosima Arabella-Asereba Kiesbauer], Publizistin, Kellnerin, Moderatorin.
Es gibt im Allgemeinen drei Arten von Talkgästen: Prominente, Experten und so genannte echte Menschen. Kulturgeschichtlich sind die echten Menschen die letzte Gruppe, die das Fernsehen eroberte, und Arabella Kiesbauer war ihre Anwältin: Sie war die Pionierin und der Inbegriff der Daily Talkshow, sie zerrte die Menschen aus dem Piercing- ins Fernsehstudio und stellte ihre Sorgen auf die übelste Art aus: indem sie vorgab, sie zu verstehen. Natürlich war Daily Talk immer mehr Show als Talk: Das hatte er mit der Politik in diesem Land gemeinsam. Nur, Arabella glaubte tatsächlich an die Echtheit ihrer Gäste, so lange, bis man auch ihr Schauspieler an die Stehtische stellte, die die Realität viel besser verkörpern konnten als die mühsam gecasteten Freaks. »Scripted Reality« nannten das die TV-Macher, Arabella nannte es: »Quoten bringende Scheiße« und kündigte.
Seit kurzem wendet sich die Politik wieder brav den Sachfragen zu, die Experten kehren ins Fernsehen zurück, und jetzt auch Arabella Kiesbauer. Sie will nicht mehr nachmittags mit dem Volk über Brustvergrößerungen und Seitensprünge reden, sondern nachts mit dessen Vertretern über Politik und Gesellschaft. An der Wand hinter ihr leuchten im Studio ihre Initialen »ak« und erinnern ein wenig unglücklich an den Schriftzug der Aktuellen Kamera, der Nachrichtensendung des DDR-Fernsehens.
Frau Kiesbauer ist die verzweifelte Antithese zu Arabella: Sie spricht mit nüchternen Männern über nüchterne Details, ihre Fragen wirken auswendig gelernt, die Antworten abgesprochen, kaum weniger »scripted«, höchstens weniger »reality«. »Ich habe mich verändert, so wie sich die Zeiten verändert haben«, hatte Kiesbauer vor dem Start ihrer neuen Sendung gesagt. Wer hätte schon gedacht, dass das eine Drohung sein könnte: Wenn selbst Arabella dem Merkel’schen Pragmatismus verfällt, dann sind wirklich schwere Zeiten angebrochen in Deutschland.
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