Bill Bill Kaulitz (*1.9.1989 Leipzig), Privatschüler, Sänger der Gruppe Tokio Hotel, Mädchenschwarm.
Der Mann, Pardon: der Knabe spaltet die Nation. Bei seinen Auftritten fallen so viele Mädchen verliebt in Ohnmacht wie zuletzt bei den Beatles. Entsprechend eifersüchtig reagieren die Jungs. Sie beschimpfen den zierlichen, androgynen und in New-Wave-Manier geschminkten Bill als schwul und skandieren in Anlehnung an Quentin Tarantino »Kill Bill!«. Aber auch die Erwachsenen reagieren gespalten. Als Bills Zwillingsbruder Tom mit seinen bislang 25 Freundinnen kokettierte, kommentierte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: »Wenn das unser Sohn wäre, würden wir ein ernstes Wörtchen mit ihm reden.« Das ist er aber nicht, für Bills Erziehung sind ein Hardrockmusiker und eine Künstlerin in Magdeburg zuständig. Gleich zweimal verlieh die taz die »Gurke des Tages« und drosch mit rhetorischem Eifer drauf: »Milchbubis« und »Mädchenbefeuchter«.
Lediglich die intellektuelle NZZ aus der Schweiz reagierte besonnen und belegte am Beispiel Tokio Hotel den Tod der Rebellion im Pop. Am anderen Ende des Medienspektrums wird sich gefreut. Zeitschriften wie Yam, Sugar und Popcorn haben thematisch ausgesorgt und auch beim Zentralorgan Bravo muss man über auflagensteigernde Titel nicht mehr viel nachdenken. Bill kommt derzeit auf geschätzte dreißig Covergeschichten.
Wie also reagieren? Angesichts von tätowierten Hälsen, Alkopop- und Groupie-Eskapaden nach der Supernanny rufen? Oder doch besser die Ruhe bewahren? Denn vielleicht ist es ja so: Bill ist das erste gesamtdeutsche Kunstwerk. Er wurde – Kinder, wie die Zeit vergeht! – mit seinem Bruder während der Leipziger Montagsdemonstrationen geboren.
Jetzt zeigt er der zumeist kinderlosen Generation NEON (»Eigentlich sollten wir erwachsen werden«), wie alt sie inzwischen geworden ist.
Foto: AFP