André Heller war nicht immer Deutschland. Früher, als er noch Franz André Heller hieß, war er erst einmal Wien, und wie jeder gute Wiener lungerte er in Kaffeehäusern herum und verachtete seine Stadt. Heller hatte viel Talent und wenig Geduld, er konnte ein bisschen dichten und ein bisschen Lieder machen, aber am besten konnte er André Heller sein. Später war Heller alles Mögliche, er war China und Afrika, Wasser und Feuer, Erde und Mond, Spuk und Spektakel.
Im Moment ist Heller Kulturchef der Fußball-WM 2006, er bekommt viel Geld für möglichst geniale Ideen. Leider ist der Fußball einer der wenigen Bälle, mit denen sich der Traumjongleur Heller nicht auskennt, deshalb halten ihn viele Leute für den Job für so geeignet wie Rudi Völler als Intendanten der Mailänder Scala. Franz Beckenbauer findet Heller genial, aber vielleicht hat er ihn auch mit Marcel Reif verwechselt. Nur eine Sache passt noch weniger zu Heller als die WM: die WM in Deutschland – dem Land also, in dem, wie er meint, »schlechte Laune Kultstatus hat«. Heller nennt sich gern einen »Südling«. Er ist die Negation der deutschen Tugenden; aber genau damit demonstriert er die vielleicht landestypischste Eigenschaft überhaupt: den Wunsch, nicht deutsch zu sein. Heller wurde engagiert als Legionär des guten Gewissens, er sollte der Exorzist werden, der den Geist von Leni Riefenstahl aus dem Berliner Olympiastadion austreibt. Sein Monumentalkitsch wäre der Preis gewesen, den Deutschland gern gezahlt hätte für eine Eröffnungsshow ohne Marschmusik. Aber die FIFA hat Heller nicht verstanden und die Show abgesagt. Die FIFA hat auch Deutschland nicht begriffen.
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