Claudia Roth [*15.5.1955 Ulm], Zahnarzttochter, Dramaturgin, Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen.
Sie sahen am Anfang nicht unbedingt wie die besten Freunde aus, die beiden Kräfte, die die deutsche Gesellschaft der achtziger Jahre am stärksten veränderten – das Privatfernsehen und die Grünen. Die einen zeigten nacktes Fleisch und schnelle Motoren, die anderen trugen dicke Pullover und fuhren Fahrrad, und obwohl es beiden immer um die Quote ging: Was das Fernsehen betraf, so empfahl die Öko-Partei im Grunde den gleichen Umgang wie mit den Atomkraftwerken: besser abschalten.
Dass die Grünen diese Dünkel längst über Bord geworfen haben – keiner hat dafür mehr getan als die aktuelle Vorsitzende. Während andere Politiker ihre TV-Präsenz auf politische Talkrunden beschränkten, geht Claudia Roth seit Jahren dahin, wo es wehtut: Sie verramscht ihre Vergangenheit als Managerin von Ton, Steine, Scherben in der 80er-Jahre-Show, tanzt bei RTL zu Rosenstolz und outet im ZDF ihre erste Liebe (Winnetou); sie präsentiert ihr Halbwissen bei Jörg Pilawa, Günther Jauch und Frank Elstner und ihre Lieblings-DVD (Kir Royal) im ARD Morgenmagazin. Sie will Leute erreichen, die sich nicht für Politik interessieren, so erklärt Roth ihr TV-Engagement – und vergisst dabei gern, dass es nicht nur darauf ankommt, ob man diese Leute erreicht, sondern auch wie. Ihre Bekanntheit mögen ihre Auftritte steigern, ihr Image jedoch ruinieren sie vollständig. Sie lässt sich von Harald Schmidt als »Eichhörnchen auf Ecstasy« beschimpfen oder vom Dominikaner Basilius Streithofen als »zölibatsverstärkend« und verwechselt jede noch so niederschmetternde Beleidigung mit Popularität.
In Sachen Omnipräsenz und Hysterie kann sie es längst mit der diensthabenden Nervensäge des deutschen Fernsehens aufnehmen: Claudia Roth ist die neue Hella von Sinnen. Irgendwann wird sie als Gast in Genial daneben auftreten oder sich Torten ins Gesicht schmeißen lassen. Hella von Sinnen sitzt dann längst im Bundestag.
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