Es waren schöne Toasts, die sie nacheinander ausgaben. Eine Frau bat alle, auf ihre erste Urlaubsreise ganz allein anzustoßen. Die Reise war kurzfristig von einer Pärchenreise zu einer Soloreise umgewandelt worden – »und zwar nicht von mir«. Aber trotz der beschissenen Vorzeichen, sei es wunderbar gewesen. Wir stießen mit an. Wie mutig. Wie tapfer. Chin-chin. Es war eine kleine Runde aus verschiedenen Grüppchen, die wegen der Restsonne vor die Bar umgezogen waren, ihre Spätsommergetränke in der Hand. Ein geschenkter Nachmittag, bunt und laut. Als Nächstes stießen wir auf das Vorhaben an, in diesem Jahr an Weihnachten als Kinderlose nicht wieder quer durchs Land zu hetzen, nur um es allen anderen recht zu machen. Richtig. Genau. So ging es weiter. Der Kellner lachte über diese zufällige Ansammlung und die Prosterei, aber wir lachten einfach mit. Ein späterer Toast sollte dann eine Botox-Behandlung feiern. So lange gelitten, im Sommer endlich gewagt, so zufrieden. Wir stießen wieder an. Aber ich tat es irgendwie unwillig.
Wann immer ich jemanden sehe, der sich offensichtlich behandeln ließ, werde ich wehmütig. So sehr sich die Geglätteten auch freuen, mich macht es jedes Mal traurig. Ist da nicht eine Hoffnungslosigkeit in jedem Botox- und Ozempic-Gesicht? Der sichtbar gewordene Unglaube, dass es irgendetwas gibt, das Menschen zusammenhält außer ihrer Attraktivität? Mir ist es unangenehm, den Leuten ansehen zu können, dass sie unzufrieden mit sich waren, oder, wie ich befürchte: danach auch noch sind. Gerade wenn sie Eltern sind oder aus einem anderen Grund wichtig für junge Menschen. Als Oma oder Opa, Tante, Onkel, Stiefmutter oder Stiefvater. Ist es nicht jungen Menschen gegenüber desillusionierend, wenn die, die sie stärken und stützen sollen, so wenig resilient sind? Wie soll man einem Teenager ernsthaft vermitteln, dass er etwas lernen soll, eine Leidenschaft finden, Interessen entwickeln, wie soll man ihm raten, sein oder ihr Leben mutig zu gestalten, wenn es aus Sicht der Vertrauten im weiteren Leben nichts mehr zu gewinnen, nur noch Jugend zu verlieren gibt?
Ich bin natürlich dafür, dass wir frei entscheiden können, für und gegen alles. Gerade für Unkluges, Falsches, Amoralisches. Ich würde nicht mal komplett ausschließen, selbst Botox zu verwenden. Wer weiß schon, welche emotionalen Notlagen die Zukunft noch bereithält. Aber darauf anzustoßen wie auf eine echte Emanzipation? Es ist doch kein Akt der Selbstermächtigung, sich herrschenden Konventionen zu unterwerfen. Großer Druck, persönliche Entscheidung, schon verstanden. Dann vielleicht eher eine feste Umarmung als ein Whoooo!
Natürlich läuft das Leben für schöne und dünne Menschen besser. Für Frauen gilt das besonders. Im Patriarchat ist das Wertvollste an einer Frau das, was Männer von ihr wollen. Das ist seltener ihr Intellekt als eher ihr attraktiver Körper. Jede optische Verbesserung ist demnach logisch. Sie ist pragmatisch, sie ist wirtschaftlich vielleicht sogar sinnvoll. Und sie ist sicherlich entlastend. Äußerlich älter zu werden, ist eine ziemliche Demütigung. Trotzdem bedeutet jeder Eingriff auch eine Kapitulation. Ich kenne viele Frauen, die sich an ganz unterschiedlichen Stellen für eine veränderte Welt einsetzen, für das Klima, gegen Rassismus, für weibliche Selbstbestimmung – die aber, sobald es um ihren eigenen Körper geht, den Widerstand aufgeben. Ich kann das verstehen, es ist anstrengend, der Welt sein Gesicht und seinen Körper zuzumuten, wenn sie nicht perfekt sind. Aber es wird immer schwieriger, je weniger es tun.
In unserer kleinen Runde haben wir uns später versprochen, uns wenigstens vorzuwarnen. Einfach damit die Freundinnen bei einem Spritz noch mal sagen können, dass man genau richtig ist.

