Es geht um die Wurst

Unsere Ernährung, der Tierschutz, alles kann sich ändern: Wenn die Forschung recht behält, müssen wir in ein paar Jahren keine Tiere mehr schlachten, sondern essen Fleisch, das im Labor gezüchtet wird. Aber sind wir dazu auch bereit?

Der englische Fotograf Carl Warner baut grandiose Landschaften aus Wurst und anderen Lebensmitteln - italienische Hersteller haben seine Bilder auch für die Werbung entdeckt.

Klingt doch logisch: Statt ein Schwein zu mästen und dann zu schlachten, züchtet man nur das Schnitzel. Ohne lästiges Tier drum rum.

Kunstfleisch: weder Science-Fiction noch Frankenstein-Fantasie, sondern eine Zukunft, die nicht mehr weit weg ist. Wenn alles so läuft, wie sich das Forscher in Europa und den USA vorstellen, wird Kunstfleisch in zehn bis 15 Jahren selbstverständlicher Bestandteil unseres Alltags sein. Wir werden uns im Supermarkt überlegen, ob wir Rinder- oder Laborhack kaufen. Wir werden Steaks braten, die in einem Brutschrank gewachsen sind. Und beim Grillabend werden Kunstwürste auf dem Rost landen. Mehrere Forscher erklären, sie stünden kurz davor, richtiges Laborfleisch zu produzieren. Ein Wissenschaftler hat sogar angekündigt, er könne jederzeit das erste Steak präsentieren. Wissensmagazine wie Scientific American widmen dem Thema lange Geschichten, und auch das Intellektuellenblatt New Yorker hat vor Kurzem auf vielen Seiten erklärt, was auf uns zukommt. Die Zukunft beginnt: jetzt.

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Aber sie beginnt ziemlich klein. Zum Beispiel in einer Petrischale in Eindhoven. Vor dieser Petrischale steht die junge Biotechnologie-Professorin Daisy van der Schaft, eine Spezialistin für Gewebezucht. Die holländische Stadt Eindhoven hat eine der besten technischen Universitäten des Landes, sie gilt als Zentrum der europäischen Kunstfleischforschung. Daisy van der Schaft trägt die blonden Haare offen, dazu Designerbrille, sie hebt die Petrischale aus einem Brutschrank und sagt: »Leider ist uns letzte Woche eine Zellkultur mit Schweinemuskeln eingegangen. Die sind einfach zu schnell gewachsen.« Jetzt zeigt sie frisch angesetzte Mäusezellen.

In-vitro-Fleisch wird so hergestellt: Van der Schaft schneidet ein Stück Muskelgewebe aus einem Tier und dreht es so lange in einer Zentrifuge, bis es sich unter Zugabe von Chemikalien in seine Bestandteile zerlegt. Dann nimmt sie die Muskelzellen und legt sie in eine Nährlösung. Die Lösung samt Zellen wiederum stellt sie in einen Brutschrank, bei exakt 37 Grad und einer genau berechneten Mischung aus Kohlendioxid und Sauerstoff. Das Klima im Schrank gaukelt den Zellen vor, sie lägen nicht in einer Petrischale, sondern seien immer noch Teil eines lebenden Körpers. Jetzt noch verschiedene Nährstoffe dazu, Glukose, Aminosäuren, die sollen den Stoffwechsel anregen. Wenn die Mischung stimmt, teilen und vermehren die Zellen sich. So entsteht neues Muskelgewebe.

In der Petrischale, die Daisy van der Schaft hält, schwimmen zwei briefmarkengroße, milchfarbene Zellstoffe, die aussehen wie Klettverschlüsse. Darauf lassen sich Muskelzellen besonders gut züchten, denn die sollen nicht flach wie Papier werden, sondern faserig und plastisch, wie echte Muskeln. Im Augenblick erkennt man, mit viel Mühe, eine hauchdünne Schicht durchsichtigen Glibbers, zwei Millimeter breit und kaum einen Zentimeter lang. Soll das jetzt Fleisch sein? Sollen wir das etwa essen? »Wir können bisher nur einzelne Lagen von Zellen züchten«, sagt Daisy van der Schaft, »aber schon diese durchsichtige Masse enthält eine Million Muskelzellen!«

Das Labor riecht, wie alle Labors, nach Desinfektionsmittel und frisch gewaschenen Kitteln, es ist so ziemlich das Gegenteil von einem Stall mit lebenden Tieren, und doch passiert hier im Prinzip das Gleiche: Aufzucht und Wachstum von Organismen. An Essen denkt man allerdings nicht mal ansatzweise. Der Inhalt der Schale sieht so appetitlich aus wie ein Stück Quallencarpaccio. Trotzdem, und da muss die Professorin lachen, redet sie im Labor wie in einem Restaurant. »Gibt es das auch mit Schwein?«, fragt sie einen Techniker. Nein, sagt der, »Schwein ist aus, im Moment gibt’s nur Mäuse. Aber neue Zellen sind schon nachbestellt.«

Bis im Brutschrank alles so gedeiht, wie die Forscher das wollen, ist es noch ein langer Weg. In Eindhoven sind sie seit mehr als vier Jahren damit beschäftigt, probieren verschiedene Nährlösungen aus und regen die Muskeln mit leichten Stromstößen zum Wachstum an. Daisy van der Schaft macht einen Inkubator auf, noch mehr Petrischalen mit Mäusemuskelzellen. Der Unterschied: Hier bewegt sich der Boden der Zuchtschalen mechanisch auf und ab wie bei einem Blasebalg. »Muskeln müssen trainiert werden«, sagt van der Schaft, also werden die Zelllagen gedehnt und zusammengedrückt, eine Art Fitnessstudio für künstliche Mäusemuskeln. Bis sich darin ein Steak züchten lässt, also ein ganzer Muskel mit Blutgefäßen und Fettmaserung, wird es noch etwas dauern, im Moment ist erst mal so etwas Ähnliches wie Hackfleisch das Ziel: Das geht leichter, weil man dafür viele kleine Fasern zusammenfügen kann.

Das Interesse an van der Schafts Arbeit steigt. »Ich stelle mein Projekt schon lang auf Konferenzen vor«, sagt sie, »bis vor Kurzem haben viele Kollegen es noch für einen Witz gehalten, dass Fleisch für Hamburger eines Tages gezüchtet werden kann. Inzwischen hören mir alle zu.« Ein Teil des Geldes, das ihr Labor für die Forschung braucht, kam in den letzten Jahren übrigens von einer holländischen Wurstfirma.

Kann Kunstfleisch die Ernährungsprobleme der Welt lösen?

Die Frage ist: Wenn Daisy van der Schaft und ihre Kollegen es schaffen, Kunstfleisch zu züchten – werden sie dann die Ernährungsprobleme der Welt lösen? Die Herstellung von Fleisch richtet eine Menge Schaden an: Fast zehn Prozent der weltweiten Frischwasservorräte werden für die Rinderzucht verbraucht. Die Tiere produzieren Treibhausgase, die unsere Atmosphäre zerstören. Und Getreide, das in reichen Ländern der Erde verfüttert wird, fehlt am anderen Ende der Welt, um Menschen zu ernähren.

Daisy von Schaft

In den Industrieländern isst jeder Erwachsene im Schnitt fast hundert Kilo Fleisch im Jahr. Und auch in Ländern wie China und Indien können sich immer mehr Menschen Fleischgerichte leisten. Die Entwicklungsorganisation OECD hat errechnet, dass Fleisch in den kommenden zehn Jahren um ein Drittel teurer werden wird.

Was würde passieren, wenn die Menschen komplett auf Kunstfleisch umsteigen? Eine englisch-holländische Forschergruppe behauptet: Wir müssten dann nur noch die Hälfte der Energie für die Produktion aufwenden. Wir bräuchten nur zwei Prozent der jetzt genutzten Landflächen. Und müssten nur noch zwei Drittel des Getreides anbauen.

Alles vernünftige Argumente, aber es geht auch um Fragen, über die viele Menschen erbittert debattieren und streiten: Warum müssen andere Lebewesen für unser Essen sterben? Kunstfleisch könnte alle versöhnen: weil es plötzlich möglich wäre, Vegetarier zu sein – und trotzdem Fleisch zu essen. Fleisch, das im Labor wächst, ist streng genommen kein Teil eines Lebewesens, und für die Entnahme des Gewebes wird auch keines getötet. Die Tierschützer der Organisation PETA haben demjenigen eine Million Dollar versprochen, der als Erster ein Stück Fleisch serviert, für das kein Tier sterben musste.

Die Million würde Vladimir Mironov sofort nehmen, die Ideale dagegen sind ihm herzlich egal. Der russische Biochemiker ist Professor für Zellbiologie in South Carolina, er hat schon mehrere Forschungsprojekte hinter sich, bei denen es um Kunstfleisch ging, er gilt als Vordenker. Im Augenblick arbeitet Mironov aber in einem Institut in Brasilien und beschäftigt sich mit Organ-Printing, der com-putergesteuerten Herstellung künstlichen Gewebes. Manche nennen ihn einen modernen Frankenstein. Mironov ist ein schwerer Mann mit grauem Bart und Kassenbrille, der Englisch mit russischem Akzent spricht und klingt wie der Bösewicht in einem Bond-Film.

Vladimir Mironov

Er sagt: »Ich kann morgen loslegen. Sie können noch dieses Jahr von mir Kunstfleisch haben. Mir fehlen nur die Investoren.« Warum? »Weil man in diesem Bereich keinen schnellen Profit sieht. Investoren wollen sofort Rendite. Die Wissenschaft aber muss erst einen schwerfälligen Apparat aufbauen, Forschungsgruppen, Labors, Konferenzen … das dauert alles. Geben Sie mir Geld, und Sie kriegen Laborfleisch.«

Tierschutz, das Ökosystem, der Hunger in der Dritten Welt – all das interessiert Mironov nicht. »Ich will nicht Afrika retten, das ist Quatsch«, knurrt er, »was ich will, ist: Essen für reiche Leute entwickeln, die ihr Gewicht reduzieren wollen oder ihren Body- Mass-Index. Designfleisch. Das ist ein Milliarden-Dollar-Markt! Wir müssen die Paris Hiltons dieser Welt erreichen. Dann haben wir gewonnen.«

Der Gedanke ist nicht so dekadent, schließlich denken immer mehr Menschen darüber nach, was sie ihrem Körper antun, wenn sie Rind und Schwein und Geflügel essen: Fleisch enthält Rückstände, die Tiere nehmen über das Grundwasser Spuren von Medikamenten auf, ihr Futter besteht zum Teil aus genetisch veränderten Bestandteilen, von denen immer noch niemand genau sagen kann, wie sie sich auf den Menschen auswirken. Fleisch, das unter optimalen Bedingungen im Labor hergestellt wird, könnte weniger belastet und damit gesünder sein.

Mironov macht eine Pause, dann holt er Luft und sagt bestimmt: »Es gibt drei Fragen, die mir ständig gestellt werden, die beantworte ich Ihnen jetzt. Schreiben Sie mit. Erste Frage: Was wird künstliches Fleisch kos-ten? Eine Tonne Kunsthühnchenfleisch wird 5000 Euro kosten, sobald wir es industriell herstellen können. Doppelt so teuer wie das herkömmliche Huhn, wird aber sicher billiger. Zweite Frage: Wie wird Kunstfleisch schmecken? Dumme Frage. Wir designen den Geschmack! Kunstfleisch wird genau so schmecken, wie die Leute es gern haben wollen. Dritte Frage: Wann ist es so weit? Ich wiederhole: Sobald ich das Geld dafür habe. Die technischen Voraussetzungen sind da.« Dann hat Mironov keine Zeit mehr, er muss zurück an die Arbeit, Organe herstellen.

Allein die Vorstellung klingt ekelhaft

Man kann es zynisch sehen wie der Russe oder technisch wie seine holländische Kollegin – Tatsache ist: Die Idee, Fleisch im Labor zu züchten, fasziniert die Menschen schon lang. Der Biologe und Nobelpreisträger Alexis Carrel setzte 1912 Gewebe aus dem Herzen eines Hühner-Embryos in eine Nährmittellösung – und schaffte es, das Stück Herz noch jahrzehntelang am Leben zu erhalten.

Ja, das ist Fleisch - zumindest schon mal die ersten 1000000 Zellen, gezüchtet in einer Petrischale in Eindhoven.

Aber solche Fortschritte finden bis heute nicht nur Freunde, im Gegenteil: Die einen sagen, das alles sei Frevel, der Mensch vergehe sich an der Natur. Andere fürchten, die Entwicklung von Kunstfleisch werde Milliarden kosten, bis wir endlich Erfolge sehen. Wieder andere warnen, die Technik könnte neue, unbekannte Krankheiten in die Welt bringen. Herwig Grimm sieht noch ein weiteres Problem. Der junge Österreicher sitzt in seinem winzigen Büro mitten in München, im Institut Technik-Theologie-Naturwissenschaften (TTN), er ist gelernter Landwirt und Doktor der Philosophie zugleich und befasst sich mit ethischen Fragen der Landwirtschaft. Er sagt: »Wenn man Tiere durch In-vitro-Fleisch ersetzen würde, wäre das eine Bankrotterklärung. Wir würden damit zugeben: Wir haben es nicht geschafft, in der Landwirtschaft Zustände herzustellen, unter denen Tiere ein halbwegs tiergerechtes Leben führen können.«

Für die Menschen in den weniger entwickelten Ländern ist das wohl eher ein Luxusargument. Sie wollen einfach essen. Dort könnte Kunstfleisch wirklich helfen. Grimm bleibt skeptisch. »Es wurde noch nie in der Geschichte der Menschheit so viel Nahrung pro Kopf produziert wie heute – dennoch leiden eine Milliarde Menschen auf der Erde Hunger. Wir sollten an der Verteilung der Lebensmittel arbeiten, die es bereits gibt, bevor wir den nächsten Schritt tun.«

Aber so macht es der Mensch eben gern: Wenn ein Problem auftaucht, erst mal eine neue Technologie entwickeln. Wer Übergewicht hat, isst nicht weniger, sondern lässt sich den Magen verkleinern. Wer ständig im Stau steht, kauft sich kein Fahrrad, sondern das neueste Navi. Am liebsten sind uns Veränderungen, für die wir nichts verändern müssen.

Aber ganz so leicht ist es nicht: »In der Tierethik gibt es eine große Debatte über animal microencephalic lumps«, sagt Grimm, »also Eier legende Tierklumpen, die keine Federn mehr haben und kaum noch an Hühner erinnern. Ein theoretisches Modell, aber es wäre technisch möglich, so etwas zu züchten. Nur: Würden wir diese Eier tatsächlich essen wollen?«

Tatsache ist: Fast alle, denen man außerhalb der Forschungslabors von Kunstfleisch erzählt, reagieren angewidert. Fleisch aus der Retorte? Kleine Zellhaufen, die von Maschinen gedehnt und gestaucht werden? Und das sollen wir zubereiten, mit Gemüse und Kartoffeln? Ekelhaft. Aber was genau finden wir so ekelhaft? Eberhard Schockenhoff ist Professor für Theologie in Freiburg und Mitglied der Ethikkommission, die die Regierung berät. Er führt den Ekel darauf zurück, dass der Mensch zu seinem Essen eine organische Verbindung herstellt: »Ich nehme etwas zu mir, das geht in mich ein. In diesem Wandlungsprozess wird das Stück Natur zu einem Teil von mir. Wenn aber das, was ich mir einverleibe, aus der Retorte kommt, erzeugt das Unbehagen.«

Es könnte alle versöhnen

Möglicherweise befürchten manche, sie könnten sich selbst in eine Art Laborfleisch verwandeln, wenn sie etwas essen, was für sie so wenig mit Natur zu tun hat. Womit wir bei der letzten Frage vieler Kritiker wären: Wenn der Mensch im Labor lebende Zellen erzeugt, die die Natur eigentlich nicht vorgesehen hat – spielt er dann Gott? Der Theologe Schockenhoff lacht höflich und sagt: »Nein. Der christliche Glaube geht ja davon aus, dass Gott die Welt aus dem Nichts erschaffen hat. Und das, was man mit synthetischer Biologie machen kann, ist ja immer nur: aus etwas Bestehendem etwas Neues entwickeln. Der Mensch setzt gewissermaßen bloß fort, was Gott ihm vorgibt.«

Vladimir Mironov, der brummige Russe, beantwortet die Frage nach den Kritikern knapper: »Alles Idioten.«

Daisy van der Schaft, die Forscherin aus Eindhoven, denkt währenddessen schon über die nächs-ten Schritte nach. In ihrem Büro hängt eine Pinnwand, darauf schreibt sie in verschiedenen Farben ihre laufenden Projekte. Die Schrift ist klein, die Pinnwand groß, trotzdem ist kaum noch Platz darauf. Es stehen an: vier Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Zeitschriften, fünf Konferenzen, die Suche nach neuen Doktoranden für das Fleischprojekt. Interessenten gibt es viele. Und ständig rufen Journalisten an, die am liebsten sofort Hühnchen aus dem Labor probieren würden. Meist soll es ein Ekelexperiment werden, für eine bunte Meldung über irre Forscher.

Doch auch das ändert sich: Ein Marketingexperte aus Amerika hat gerade ein Werbekonzept für Kunstfleisch entwickelt. Sein Prospekt hängt an der Pinnwand, »Supermeat« steht darauf, darunter Fotos von einer Frau mit vegetarischen Slogans auf dem T-Shirt, die abgepacktes In-vitro-Hackfleisch kauft und lacht. Wenn es so weit ist, in zehn, 15, vielleicht auch erst zwanzig Jahren, wird Marketing extrem wichtig sein, um auch die Gottesfürchtigen und Verschreckten, vor allem aber die Angeekelten zu überzeugen.

Daisy van der Schaft kauft normalerweise beim Biobauern, es ist ihr wichtig, dass es den Tieren gut geht, bevor sie sie isst. Aber rein wissenschaftlich, sagt sie, mache es keinen Unterschied, ob ein Stück Fleisch im Stall oder im Brutschrank gewachsen ist: Unter dem Mikroskop sind Kunstfleisch und echtes Fleisch nicht auseinanderzuhalten. Man müsse es eben nur gut vermarkten, damit Leute im Supermarkt nicht das Gefühl haben, irgendeine Monstermasse zu kaufen.

Am Ende wird der Erfolg allein von der Frage abhängen: Lässt sich Kunsthack tatsächlich verkaufen? Der amerikanische Autor Jonathan Safran Foer hat mit seinem Buch Tiere essen einen weltweiten Anti-Fleisch-Boom ausgelöst. Für ihn ist Tierzucht gleich Qual, der Schlachthof die Hölle, das Geschäft mit der Massentierhaltung eine Zumutung für den Planeten. Er findet Kunstfleisch gut. Schließlich muss dafür kein Tier sterben, es ist Fleisch, das auch Vegetarier essen können. Der Ekel macht ihm keine Probleme: »Wir haben doch längst den Bezug zur Herkunft unseres Essens verloren. Wenn Sie den Gedanken an In-vitro-Fleisch unangenehm finden, dann denken Sie mal über herkömmliches Hackfleisch nach.«

Ein Tier töten, häuten, ausnehmen, zerkleinern, durch riesige Maschinen pressen, verpacken – auch nicht gerade appetitlich. »Das Erfolgsrezept der Massentierhaltung ist die völlige Abstraktion. Abgepacktes Fleisch im Supermarkt hat nichts mehr mit einem Tier zu tun«, sagt Foer, »und genau diese Bereitschaft zur Abstraktion könnte auch Kunstfleisch zu einem Erfolg werden lassen.« Aber was ist, wenn der Mensch doch ein Monster erschafft? Das Frankenstein-Argument? Foer überlegt, doch dann widerspricht er entschieden: »In-vitro-Fleisch ist eine Perversion, ja. Aber ist es schlimmer, als Truthähne zu züchten, die in der freien Natur gar nicht überleben würden, weil sie sich vor lauter Brustfilet kaum bewegen können?«

Foto: Carl Warner