Im Namen des Katers

Beten bringt nichts. Was also hilft wirklich gegen Kopfweh und Übelkeit am Tag nach dem Trinken? Wir haben die Frage ein für alle Mal mit einem Fachmann geklärt.

SZ-Magazin: Je stärker der Alkohol, desto größer der Kater am Morgen – richtig?
Dr. Peter Schleicher:
Stimmt. Aber die Zahl der Schnäpse ist auch ganz entscheidend. Meine Mutter ist Wirtin in der Oberpfalz und hat einen Stammgast, der jeden Abend zwölf Klare trinkt. Ein paar Kartenspieler trinken zwölf, 14 Bier, jeden Tag, unglaublich. Die haben wahrscheinlich einen Dauerkater. Natürlich werden die nicht sehr alt.

Sie sind Immunologe und gelten in München als Katerspezialist. Wie viele unterschiedliche Katerarten kennen Sie denn?
Genauso viele, wie es Arten von minderwertigen Beistoffen in den unterschiedlichen Alkoholika gibt. Mit Ausnahme von Wodka, der gar keine Beistoffe hat und deswegen in der Homöopathie sogar als leberfreundlich gilt, als einzige Alkoholart. Wodka ist besser verträglich als Whisky?
Ja.

Von Champagner soll man auch keinen Kater bekommen.
Vielleicht ist der Champagnerkater etwas sanfter, ich weiß es nicht, ich trinke keinen Champagner. Aber neben den Beistoffen kommt es beim Kater ja auch auf die Stärke der Ausschwemmung durch den Alkohol an. Bier etwa ist extrem kohlenhydrathaltig, fördert das Verquellen des Gewebes, erzeugt mehr Lymphstau, daher der schwere Kopf.

Meistgelesen diese Woche:

Von Bier bekommt man eher einen Kater als von Wodka?
Natürlich. Schauen Sie sich nur einmal die unterschiedlichen Trinkertypen an: Der kubanische Rumtrinker ist dürr und neigt zur Leberzirrhose, während der bayerische Bierdimpfl eher verquollen ausschaut, grobporige Haut hat und von der Fettleber geprägt wird.

Wen also mag der Kater lieber? Den Kubaner oder den Bayern?
Den Bayern, weil er lymphatische Stauungen und große Elektrolytverschiebungen hat.

(Lesen Sie auf der nächsten Seite: Die besten Tipps, um einem Kater aus dem Weg zu gehen.)

Was erzeugt den schlimmsten Kater?
Liköre, Cocktails, süße Weine, alles, was zuckerhaltig und kohlenhydratreich ist.

Ihre Empfehlungen bitte, um einem Kater aus dem Weg zu gehen.
Der erfahrene Trinker isst vor dem Ausgehen fetten Fisch, Sardellen, Lachs. Ich selbst trinke auch gern ein Gläschen Olivenöl. Das verringert die Resorption des Alkohols. Außerdem keine Mixgetränke, immer bei einer Alkoholsorte bleiben. Ganz wichtig: Zwischendurch immer wieder einen halben Liter möglichst magnesiumreiches Wasser trinken, der Gehalt steht hinten auf dem Etikett. Durch jedes alkoholische Getränk verliert der Körper ja etwa einen Liter mehr Flüssigkeit, als man zu sich genommen hat. Deswegen soll man auch nachts noch einmal Wasser trinken, bevor man zu Bett geht. Um den Kater zu lindern, aber vor allem auch aus Vorsicht vor der typischen Wirtekrankheit: Viele Menschen bekommen einen Schlaganfall, weil sie nachts noch ein, zwei Schnäpse vor dem Schlafengehen trinken, der Alkohol blockiert ein Hormon an der Hypophyse, sie verlieren einen Liter Flüssigkeit, das Blut dickt ein und sie bekommen einen thrombotischen Verschluss, das ist dann der Schlaganfall. Deswegen wird auch auf Fachkongressen kundgetan: Wenn Sie saufen, trinken Sie nachts noch einen Liter Mineralwasser hinterher.

Und das verhindert neben dem Tod auch den Kater?
Ja, weil diese Eindickung eher zur Schwellung des Gewebes führt und den Stoffwechsel behindert.

(Lesen Sie auf der nächsten Seite: Zucker, Kaffee, Eiweiß - was soll man am besten mit Kater essen?)

Was tun am Morgen, wenn alles zu spät ist? Den Kater mit sanfter Kost streicheln oder mit derber verjagen?
Eher streicheln. Ich empfehle eiweißreiche Kost, wegen der Aminosäuren, die helfen der Leber bei der Rekreation. Hähnchen, Frischkäse, Ölsardinen, Lachs sind ideal. Die Leber giert beim Rausch und Kater geradezu nach Aminosäuren, daher der typische Heißhunger. Auch Beeren, Johannis-, Preisel-, Erdbeeren, Mischbeeren, gern aus der Tiefkühltruhe, helfen, Beeren sind ja Vitaminbomben. Dazu am besten frisch gepressten Orangensaft: Der versiebenfacht die Aufnahme der Mineralien, alter Trick des englischen Frühstücks. Auch wichtig: die Basenbrühe aus Kartoffeln, Sellerie und Karotten, mit ein paar Kräutern, Petersilie, Dill, Chili. Scharf tut ja auch gut.

Eiweiß – aber warum keine Eier?
Zu schwer verdaulich. Man hat zwar oft Heißhunger auf Eier, aber hart gekochte Eier belasten den Magen schon enorm. Dann schon eher ein luftiges Omelett.

Aus Filmen kennen wir alle auch: rohe Eier mit Worcestershiresauce. Wie stehen Sie zu diesem Rezept?
Besser jedenfalls als hart gekochte Eier. Aber Gemüse ist viel schonender. Zum Beispiel die Gartengurke, ein lebendes Wasserreservoir, basisch und ein Sammelsurium an Mineralien. Schmeckt auch gut als Salat mit Dill drauf. Man gleicht Mineralienverluste aus, und das Hirnödem, die Schwellung, die beim Kater entsteht, nimmt schnell ab.

Wie steht es mit Zucker?
Auf keinen Fall. Kohlenhydrate beleidigen die Leber.

Kaffee?
Es gibt neuere positive Studienergebnisse zu Kaffee. Ich empfehle ihn grundsätzlich nicht, weil seine Gerbstoffe die Magenschleimhaut zu stark belasten. Tee mit Zitrone, Basenbrühe, Hühnerbouillon, alles besser.

Weißwurst, Leberwurst?
Die Weißwurst besteht aus hochwertigem Fleisch, also ja, die Leberwurst nicht, sie ist sehr schwer verdaulich. Schmeckt lecker, aber ich rate grundsätzlich von ihr ab, auch für den nüchternen Zustand.

(Lesen Sie auf der nächsten Seite: Tabletten, die gegen Alkohol helfen.)

Irgendwelche Geheimrezepte?
Die Kerne der Tamarindenfrucht, wegen des unschädlichen pflanzlichen Zuckers; dann Weihrauchtabletten, als Prophylaxe wie auch Therapie. Die helfen gegen Hirnschwellungen, was ja das Hauptproblem des Katers ist. Wir verabreichen Weihrauch nach Hirntumoropera-tionen statt Kortison, um Ödemen vorzubeugen, funktioniert bestens.

Ach, und die Tabletten bekommt man rezeptfrei?
Ja, Weihrauch H 15, dreimal vier Tabletten, in jeder Apotheke. Menschen, die jeden Tag auf das Oktoberfest gehen, empfehle ich, schon fünf, sechs Tage zuvor mit der Einnahme der Tabletten zu beginnen. Und die Papaya ist auch noch eine sehr zu empfehlende Frucht, wegen ihrer Enzyme. In den Tropen bereiten das die Frauen ihren Männern nach jeg-lichem Rausch zu, auch nach dem Genuss von Drogen, die etwa geraucht werden.

Wie, es gibt auch einen Haschisch-Kater?
Ja. Auch vom Kokain übrigens.

Gibt es denn irgendwelche Tabletten, die gegen Alkohol helfen?
Es gibt einen alten Cowboy-Trick: ein Glas Milch mit drei Kalziumtabletten darin aufgelöst. Soll wirken. Aspirin helfen auch ein wenig, wenn man sie vorher einnimmt.

Zuletzt das Stützbier, die Bloody Mary am Morgen?
Ich bin aus grundsätzlichen Erwägungen dagegen, das ist nicht sinnvoll. Natürlich wirkt die Bloody Mary, da geht es einem gleich wieder besser, aber man gerät doch in eine sehr gefährliche Spirale.

Foto: Niko Schmid-Burgk