Alles klang nach einem schönen Sommer: vier Monate mit unserem einjährigen Sohn zu Hause bleiben, während meine Frau wieder arbeiten geht. Ich dachte, ich würde gut gelaunt aus der Elternzeit kommen. Womit ich nicht gerechnet habe: die Zwietracht, das Misstrauen und die Besserwisserei, die ich als Mann mit Kind erlebt habe. Ausgerechnet von denen, die eine geteilte Elternzeit eigentlich entlasten sollte: Frauen.
Nicht mal, dass sie die richtigen Windeln kaufen, trauen Frauen Männern zu: Die Kassiererin schaute mein Kind an, dann meinen Einkauf, und sagte in einem Tonfall zwischen Seufzer und Belehrung: »Meinen Sie wirklich, dass das die richtige Windelgröße ist? Sie sollten Ihre Frau anrufen und nachfragen.« Während ich um Fassung rang, wurde sie noch dreister: »Ich würde meinen Mann nicht zum Windelkaufen schicken, der bringt garantiert das Falsche mit.« Ich sah mich um: Die Frauen hinter mir nickten der Kassiererin zu und schauten mich an wie ein Ausstellungsstück aus dem Macho-Museum. Wäre meine eigene Frau beim Kauf von Metallspreizdübeln im Baumarkt von einem Mann ähnlich angemacht worden wie ich in der Drogerie, wäre auf Twitter wohl ein Shitstorm über uns Männer hereingebrochen.
Warum behandelt man Männer, kaum zeigen wir uns als Väter, wie Dorfdeppen mit IQ kaum über Raumtemperatur? Warum sind Väter in Elternzeit für viele Frauen immer noch was Besonderes? Mehr als 180 000 waren wir im letzten Jahr. Und die meisten schreiben nicht mal mehr Bücher darüber – so wie früher! Väter mit umgeschnallten Babys gehören zum Stadtbild. Und fragt man die, erzählen sie fast alle dieselben Geschichten. Ich fasse zusammen. Väter beschweren sich über:
– Mütter, die schimpfen, wenn Väter mit Kind auf dem ohnehin schon fragwürdig beschilderten »Mutter-Kind-Parkplatz« parken.
– Frauen, die sich aufregen, wenn man sein Kind auf der Damentoilette wickelt, obwohl es nur dort Wickeltische gibt.
– Plakate für einen »Mutter-Kind-Flohmarkt« im »Mütterzentrum«, auf dem man als Vater offenbar nichts verloren hat.
– Eine Apothekerin, die mit den Augen rollt und sagt, man möge bitte noch mal seine Frau fragen, ob das Kind wirklich einen Saft gegen Fieber brauche – ein Hausmittel tue es doch auch.
Und natürlich über all die Sätze auf dem Spielplatz: »Was, Ihr Kind darf schon Kekse essen?« – »Warum ziehen Sie Ihrem Kleinen nicht die Schlammhose an? Ihre Frau hat sie doch sicher rausgelegt«, oder, der Gipfel der Dreistigkeit: »Sind Sie eigentlich der leibliche Vater?«
Es scheint, als hätten viele Frauen immer noch ein Problem damit, Männer auf einem Gebiet zu akzeptieren, in dem Mütter lange unter sich waren. Psychologen sprechen von »impliziter Diskriminierung«, wenn Menschen pauschal ein Mangel unterstellt wird, weil sie zu einer bestimmten Gruppe gehören. Das trifft Rentner, mit denen gern besonders laut gesprochen wird. Oder Väter, denen man das Gefühl gibt: Ist ja nett, dass ihr auch mal auf das Kind aufpasst – aber in Wahrheit nehmen wir euch so ernst wie Schülerpraktikanten in einem DAX-Konzern.
In seinem Lexikon der Pädagogik liefert der Erziehungswissenschaftler Ernst Roloff eine Erklärung für diese mütterliche Arroganz: »Wo das Verständnis des Vaters versagt, trifft die Mutter mit der Kraft ihres Gefühls das Richtige.« Der Satz stammt aus dem Jahr 1914. Er könnte auch heute noch in einem der Familienratgeber stehen, die auf dem Cover fast immer nur Mütter mit ihren Kindern abbilden. Und wenn ein Titelbild mal einen Vater zeigt, sitzt er mit seinem Kind in der Hängematte. Titel des Buchs: Leitfaden für faule Eltern.
Und die Fronten verhärten sich: Väter gründen »Väterzentren« und schreiben, dass sie »Väter sein und Mann bleiben wollen« – als sei das ein Gegensatz. Man möchte schreien: Macht euch mal locker, Mütter und Väter! War die Sache mit den Kindern nicht mal als Teamwork gedacht? Immerhin: Viele Mütterzentren haben sich in »Familienzentren« umbenannt, zum Festakt schreiben Zeitungen von einem Erfolg der Gleichberechtigung.
Seit einigen Jahren betreibt die Regierung eine Antidiskriminierungsstelle, man kann dort anrufen, wenn man sich wegen seines Geschlechts ungerecht behandelt fühlt. Ich zögere ein bisschen, weil es natürlich schlimmere Formen der Diskriminierung gibt als herablassendes Getue von Frauen gegenüber jungen Vätern. »Wir würden nicht direkt von Diskriminierung sprechen, eher von ungeschicktem Verhalten«, sagt Sebastian Bickerich von der Behörde. Bisher sei keine einzige Beschwerde von einem Vater eingegangen, »aber vielleicht trauen die sich auch nicht, hier anzurufen«.
Schnell driftet das Gespräch ab, es geht um Geschlechterrollen, Gleichberechtigung und die seltsame Situation, sich als Mann diskriminiert zu fühlen. Zumindest verstehe ich jetzt besser, was Frauen empfinden müssen, wenn sie von ihren männlichen Kollegen als tendenziell unfähig belächelt werden: eine Mischung aus Wut und dem Wunsch, es allen so richtig zu zeigen. Darum rät mir der Mann von der Behörde: einfach weitermachen mit dem Kümmern. Wenn man oft genug mit seinem ausgeschlafenen und frisch gewickelten Kind in Mütze und Schlammhose unterwegs ist, werden auch die letzten Mütter auf dem Spielplatz irgendwann merken, dass sich etwas verändert hat in ihrem starren Weltbild. Ich beende das Gespräch, weil ich mein Kind aus der Krippe abholen muss. Da lacht Bickerich und sagt: »Ich auch.«
Es gibt Hoffnung, Väter!
Anmerkung der Redaktion:
Diese Geschichte war früher mit einem Foto bebildert. Weil gegen den Fotografen erhebliche strafrechtlich relevante Anschuldigungen erhoben werden, haben wir uns entschlossen, seine Fotos nicht mehr zu zeigen und sie aus dem Artikel zu entfernen.