Ist es radikal, alle Väter in Elternzeit zu schicken?

In Deutschland klaffen Wahrnehmung und Wirklichkeit über ein gleichberechtigtes Leben immer noch stark auseinander. Die einzige Lösung: Auch Männer müssen sich emanzipieren. 

Foto: Paula Winkler

Alle Väter in Elternzeit zu schicken, klingt entweder wie ein Weihnachtsgeschenk oder eine Erziehungsmaßnahme. Letzteres wird der feministischen Bewegung regelmäßig von rechts vorgeworfen: Sie wolle in die persönliche Lebensplanung von Menschen eingreifen und sie zu Dingen zwingen, die sie nicht möchten. Ich verstehe die Rolle des Feminismus da anders: Über Gedankenanstöße soll zunächst sichtbar gemacht werden, dass es viele Möglichkeiten gibt, das eigene Leben zu gestalten. Über politische Forderungen soll dann ermöglicht werden, dass diese Dinge dann nicht nur Träume bleiben, sondern für viele erreichbar werden.

Denn in Deutschland klaffen Wahrnehmung und Wirklichkeit über ein gleichberechtigtes Leben immer noch stark auseinander. Der öffentliche Diskurs rund ums Familienleben suggeriert immer wieder, dass Eltern sich heute frei entscheiden können, wer welche Aufgaben übernimmt. Elternzeit zu nehmen steht theoretisch allen Eltern in Deutschland unabhängig von ihrem Geschlecht offen. Dann ist ja alles gut, oder nicht? Dass die Mehrheit der Männer, die Vater werden, nach wie vor gar keinen Gebrauch von der Elternzeit macht, wird bei der Freude über die Papas, die man mit Baby im Tragetuch auf der Straße sieht, gern vergessen.

Wie kann es sein, dass wir ein Land voller moderner Väter haben, aber 64 Prozent von ihnen keinen einzigen Monat Elternzeit genießen? Wie passt es zusammen, dass Väter angeblich heute mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen und sich als gleichberechtigte Partner sehen, aber nur 6,4 Prozent der Männern mit Kindern unter sechs Jahren in Teilzeit arbeiten? Bei den Müttern sind es für die gleiche Gruppe laut Mikrozensus 71,6 Prozent. Zwar hat der jüngste »Väterreport« des Bundesfamilienministeriums nachgewiesen, dass Väter heute etwa eine Stunde mehr pro Woche mit ihren Kindern verbringen als noch vor zehn Jahren, diese Zeit fällt aber vor allem auf die Wochenenden. Und insgesamt verbringen Väter mit ihren Kindern gerade einmal zehn Stunden pro Woche. Kann man von einer Väterrevolution sprechen, wenn Kinder im Schnitt eineinhalb Stunden pro Tag mit ihren Papas haben?

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Die Einführung des Elterngeldes 2007 war sowohl Idee als auch Möglichkeit, die dabei geholfen haben, dass nicht nur mehr Vätern überhaupt bewusst geworden ist, dass sie mit ihrem Baby Zeit verbringen können. Über den Lohnersatz, den das Elterngeld darstellt, ist es für einige Männer auch finanziell möglich geworden, einige Monate lang ganz für ihre Familie da zu sein.

Was mich jedoch immer wieder nachdenklich macht, ist, dass die Impulse für diesen Rollenwandel vor allem von Feminist*innen und der Familienpolitik kamen, aber sehr viel seltener von Männern selbst. Väter scheinen sich mehrheitlich damit abzufinden, dass sie in den ersten Lebensjahren ihrer Kinder wenig Zeit mit ihnen verbringen. Man hört in persönlichen Gesprächen sowie in politischen Debatten selten ein Bedauern von Vätern, dass sie keine oder nur wenig Elternzeit nehmen können oder noch immer in Vollzeit arbeiten. Der winzigen Minderheit von Vätern, die sich wirklich gleichberechtigt um ihre Kinder kümmern, steht eine Mehrheit von Männern gegenüber, die sich an einem traditionellen Männlichkeitsbild orientieren und darauf basierend Entscheidungen treffen. Der Sozialforscher Carsten Wippermann beschreibt in einer Studie von 2014 die nach wie vor traditionellen Sichtweisen auf Geschlechterrollen, die bei vielen kinderlosen Männern zu finden sind, so: »Sie nehmen die beruflichen Ambitionen ihrer Partnerin ernst, sind aber nicht bereit, für ein Kind ihr zeitliches und persönliches Engagement für ihren Job und ihre Karriereperspektiven zu reduzieren oder gar auf Teilzeit zu gehen. Männer gehen selbstverständlich davon aus, dass sie bei einer Familiengründung der Haupternährer sind und ihre Partnerin dann als ›(gute) Mutter‹ selbst das Bedürfnis haben wird, sich überwiegend um ihr Kind zu kümmern. Insofern kommt für Männer mit mittlerer und hoher Berufsqualifikation im Alter unter 30 Jahren eine Familiengründung aktuell noch nicht infrage, sondern erst dann, wenn ihre Partnerin dazu bereit ist, ihre eigenen beruflichen Ziele und ihren Erwerbsumfang zu reduzieren.«

Ein tief verinnerlichtes Bild darüber, was ein Mann sein darf und sich wünschen darf, steht ihnen im Weg dabei, darüber nachzudenken, auszusprechen und umzusetzen, was sie sich wünschen.

Interessant ist vor allem, dass es hier um männliche und weibliche Rollenbilder gleichermaßen geht: Wippermann zufolge glauben Männer, dass ihre Partnerinnen von ihnen erwarten, in die Rolle des Ernährers zu treten, und sie glauben zudem, dass es ihrer Partnerin zusteht, sich nach der Geburt zu entscheiden, wie sie künftig leben möchte. Sie selbst müssen sich dieser Entscheidung unterordnen, so lautet ihre Annahme. Hier zeigt sich ein großes Dilemma: Männer empfinden die Ernährerrolle teilweise als Last, trauen sich aber meistens nicht, diese Rolle in Frage zu stellen. Obwohl es sie nicht vollständig glücklich macht, übernehmen sie häufig die traditionelle Geschlechterrolle und stehen mit dieser Entscheidung sowohl ihrer eigenen Emanzipation im Weg als auch der freien Lebensgestaltung ihrer Partnerin. Mit diesen Ergebnissen soziologischer Forschung überrascht es nicht, wenn werdende Väter nur selten mit ihrer Partnerin darüber verhandeln, dass sie länger in Elternzeit gehen möchten. Ein tief verinnerlichtes Bild darüber, was ein Mann sein darf und sich wünschen darf, steht ihnen im Weg dabei, darüber nachzudenken, auszusprechen und umzusetzen, was sie sich wünschen.

Heterosexuelle Männer stehen diesbezüglich noch am Anfang ihrer Emanzipation, während die lange Geschichte der Frauenbewegung eine größere Rollenvielfalt, aber vor allem einen lebhaften öffentlichen Diskurs über weibliche Lebensentwürfe ermöglicht hat. Wenn jedoch Männer heute anders leben möchten, und das ganz besonders als Vater, brauchen sie diesen öffentlichen Diskurs über die Vielfalt von Geschlechterrollen und vor allem Solidarität untereinander. Mehr Väter in Elternzeit zu bringen kann daher nicht die Aufgabe von Feminist*innen sein. Denn obwohl ein stärkeres Engagement von Männern in den Familien auch Frauen mehr Freiheit verschafft, muss die Emanzipation der Männer von starren Männlichkeitsbildern von ihnen selbst ausgehen. Feministische Bewegungen können allenfalls Vorbild und Ermutigung sein, sich auf einen ähnlichen Weg zu machen – gepaart mit der Erkenntnis, dass die Gleichberechtigung der Geschlechter, die viele Männer prinzipiell unterstützen, schneller gelingen wird, wenn sie ihrerseits beginnen, über Geschlechterutopien nachzudenken. Es wird jedenfalls nicht reichen, auf Equal-Pay und mehr Frauen in Vorständen zu warten, damit Hausmann zu sein eine normale und respektierte Entscheidung sein kann. Zwar schafft es mehr Möglichkeitsräume für Männer, dass Frauen ihre Lebensentwürfe kontinuierlich weiterentwickeln und eine größere Rollenvielfalt leben, doch für eine ähnliche Freiheit müssen Männer eigene Ideen entwickeln und mehr über ihre Wünsche sprechen.

Der nächste Mann, der erzählt: »Ich wollte gern länger in Elternzeit gehen, aber meine Partnerin hat auf zwölf Monate für sich bestanden«, muss sich die Entgegnung gefallen lassen: »Dann war es dir wohl nicht wichtig genug.« Denn in den meisten anderen Situationen hätte dieser Mann vermutlich verhandelt und einen Kompromiss erreicht. Auf diese Art verlaufen jedenfalls die meisten Gehaltsverhandlungen. Im Job wissen Männer, dass sie verhandeln müssen, um etwas zu erreichen: Ein besseres Gehalt bekommt man nur dann, wenn man fragt, aber eher selten, wenn man still darauf wartet.

In Bezug auf die erste Zeit mit dem Baby verhandeln Männer aktuell jedoch weder mit ihren Partnerinnen noch auf politischer Ebene, sondern glauben, dass sie die Situation so hinnehmen müssen und kaum etwas selbst verändern können. Einer aktuellen Studie des Deutsches Instituts für Wirtschaftsforschung zufolge, kurz DIW, begründen Väter ihren Verzicht oder die nur kurze Inanspruchnahme des Elterngeldes damit, dass sie sich eine Auszeit vom Job finanziell nicht leisten konnten oder die Angst vor Karrierenachteilen zu groß war. Der »Karriereknick«, der die meisten Mütter bislang nicht davon abgehalten hat, nach der Geburt einige Monate oder Jahre lang nicht zu arbeiten, existiert jedoch für Männer nicht einmal. »Quantitative Studien zeigen, dass Väter durch eine Elternzeitnahme weder Einkommenseinbußen noch Nachteile in späteren Bewerbungsverfahren erfahren«, schreiben die Forscherinnen vom DIW.

Die finanzielle Situation eines typischen heterosexuellen Elternpaares erschwert in der Tat, die Elternzeit wirklich frei untereinander aufzuteilen. 2018 bekamen Väter, die vor der Geburt ihres Kindes erwerbstätig waren, durchschnittlich rund 1.300 Euro ausbezahlt, Mütter etwas mehr als 700 Euro. Damit auch Väter länger vom Job pausieren können, muss in einer gemeinsamen Elternzeit die Summe des Elterngeldes den Lebensbedarf der Familie decken. In einer nacheinander genommenen Elternzeit muss das Einkommen der Mutter zusammen mit dem Elterngeld des Vaters genügen. Die besten Chancen auf eine partnerschaftliche Aufteilung der Elternzeit haben damit Paare, die zum einen gut, aber auch sehr ähnlich verdienen. Für sowohl geringverdienende Paare als auch solche, in denen der Mann deutlich mehr Einkommen zur Haushaltskasse beiträgt, ist eine Elternzeit des Mannes viel schwieriger zu finanzieren. Das Schlusslicht in der Kette der Optionen bilden Eltern, die schnell wieder arbeiten gehen müssen, um über die Runden zu kommen, und bei denen sich die Frage einer längeren Elternzeit gar nicht stellt.

All das klingt nicht nur komplex, es zeigt auch, wie ungleich die Wahlmöglichkeiten für Eltern in der ersten Zeit mit ihrem Kind tatsächlich sind. Ist die Debatte darüber, warum nach wie vor wenige Väter in Elternzeit gehen und warum in der Mehrheit nur zwei Monate lang, mit dieser Erkenntnis vorbei? Kann sich die Aufteilung der Elternzeit erst dann annähern, wenn alle Familien gut verdienen und sich vor allem Paare zusammentun, die ein ähnliches Einkommen haben?

Wenn die erste Zeit mit dem Kind angeblich so kostbar ist und Väter wirklich bedauern würden, sie zu verpassen, warum werden sie nicht kreativer? Warum fordern sie nicht Lösungen von der Politik?

Es wäre sowohl für Männer, die schon früh wissen, dass sie als Vater gern lange bei ihrem Baby bleiben wollen, als auch für Frauen, die vom anderen Elternteil erwarten, dass es die Hälfte der Elternzeit übernimmt, zumindest eine strategische Überlegung: Sich erst dann für ein Kind zu entscheiden, wenn genug Geld für die freie Wahl vorhanden ist oder beide künftige Elternteile sehr ähnlich verdienen. Es ist also im Interesse jedes Mannes, der gleichberechtigt Vater sein will, sich für gute Gehälter in den sogenannten »Frauenbranchen« und für die Reduzierung des Gender-Pay-Gaps zu engagieren. Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern verbessert die Wahlmöglichkeiten für heterosexuelle Eltern. Das sollten auch Frauen wissen, deren Partner deutlich mehr Geld verdient als sie, auch wenn die Diskussion über die Aufteilung der Elternzeit bei ungleichen Gehältern nicht automatisch beendet sein muss mit dem Spruch: »Wer weniger verdient, nimmt die Elternzeit.«

Gerade Paare mit besonders viel Geld haben die einfache Möglichkeit, für die erste Zeit mit dem Kind vorab Geld zu sparen und sich so die Elternzeit zu finanzieren. Wer durchrechnen kann, wie eine Eigentumswohnung oder ein Auto finanziert werden können, sollte diese langfristige Planung auch für die Zeit mit dem Kind hinbekommen. Warum sollte es abwegig sein, für die Elternzeit zu sparen oder dafür einen Kredit aufzunehmen, wenn man diese Zeit für sehr wichtig erachtet? Warum geben Eltern ihren erwachsenen Kindern einen Zuschuss zum Hausbau, aber nicht für eine sorgenfreie Elternzeit? Verrät die Beobachtung, dass eine andere Aufteilung der Elternzeit oft schnell mit dem Verweis aufs Geld beendet wird, auch etwas darüber, welche Bedeutung ihr beigemessen wird? Denn wenn die erste Zeit mit dem Kind angeblich so kostbar ist und Väter wirklich bedauern würden, sie zu verpassen, warum werden sie nicht kreativer? Warum fordern sie nicht Lösungen von der Politik? Und warum ging es zuletzt in politischen Diskussionen über die Zeit von Vätern mit ihren Kindern vor allem um Betreuungsmodelle nach einer Trennung von der Mutter, aber nicht um die gleichberechtigte Betreuung, solange die Eltern zusammen sind?

Politisch sind die Möglichkeiten, die Elternzeit weiter und vor allem gleichberechtigter zu entwickeln, noch lange nicht am Ende. Die Vorstöße dabei konzentrieren sich derzeit vor allem auf die Erweiterung der Monate, die vom zweiten Elternteil genommen werden müssen, um die maximale Anspruchsberechtigung auszuschöpfen. Aktuell sind das beim Basiselterngeld zwölf plus zwei Monate. Als Radikalforderung wird dabei die Idee betrachtet, bei der ein Paar sich die Elternzeit paritätisch, also mit zwei mal sieben Monaten aufteilen müsste. Etwas anschlussfähiger ist die Idee, die Partner*innenmonate zumindest auf vier Monate auszuweiten. Fortschritt, aber bitte ganz sanft. Doch wie schon erläutert, ginge diese Idee in der Realität an den finanziellen Möglichkeiten der Mehrheit der Paare vorbei. Solange das Einkommen des Vaters für viele Familien den größten Teil des Haushaltseinkommens darstellt, könnten mehr verpflichtende Elterngeldmonate für Väter sogar bedeuten, dass die Väterbeteiligung an der Elternzeit insgesamt sinken würde. Weniger Väter könnten es sich leisten, vier Monate auszusetzen als zwei. Dies hätte dann zusätzlich den Effekt, dass Müttern ihr Elterngeld um zwei Bezugsmonate gekürzt würde und damit vor allem weniger Geld bei den Familien ankäme, die von vornherein weniger Geld haben. Mehr Familien würden einen Kitaplatz für ihr zehn Monate altes Kind suchen – inmitten des aktuellen Betreuungsplatzmangels ebenso undenkbar. Von der Umgestaltung des Elterngeldes in 10+4 oder 7+7 Monate würden vor allem Familien der Mittelschicht profitieren, diese Veränderung aber weniger Gleichberechtigung über alle Milieus hinweg bedeuten. Wer es also wichtig und gerecht findet, dass von Familienpolitik wirklich alle Familien etwas haben, sollte sich der Forderung nach der hälftigen Aufteilung der Elterngeldmonate eher nicht anschließen.

Zurück zu den Vätern, die sich riesig auf ihr Baby freuen und deren Anspruch es ist, sich von Anfang an gleichberechtigt zu kümmern. In einer 2015 veröffentlichten Erhebung des Allensbach-Instituts waren es immerhin 52 Prozent, die 50/50 als ihre Idealvorstellung angaben. Warum fordern diese Männer nicht, dass die Bedeutung von Vätern endlich gleichberechtigt politisch anerkannt wird? Denn die Zeit vor und nach der Geburt, in der die Person, die das Kind zur Welt bringt, mindestens eine weitere Person braucht, die Aufgaben im Haushalt übernimmt und das Baby versorgt, wenn ein Elternteil essen, schlafen oder duschen möchte, wird von den Vätern auch 2019 mehrheitlich über Urlaubstage ermöglicht oder an andere Menschen abgegeben. Es gibt noch immer Väter, die nur wenige Tage nach der Geburt ihres Babys wieder zur Arbeit gehen (müssen), obwohl sie so weder die Mutter ausreichend unterstützen können, noch die erste Zeit mit ihrem Baby intensiv mitbekommen. Es scheint sich immer noch nicht herumgesprochen zu haben, dass die ersten Wochen mit einem Neugeborenen so fordernd sind, dass es als fahrlässig gelten sollte, eine Person mit einem Baby im Wochenbett den größten Teil des Tages allein zu lassen. Und Väter haben immer noch nicht klar genug gesagt, dass sie die ersten Lebenswochen ihrer Kinder vollständig erleben und sich um ihre Familie kümmern wollen. Wollen sie das vielleicht gar nicht?

Warum kämpfen Männer nicht für einen Vaterschaftsurlaub, der sie ab Geburt des Kindes bei vollem Gehalt von ihrer Arbeit freistellt? Als im Sommer 2019 eine EU-Richtlinie in Kraft trat, die vorsieht, dass Väter in Europa ab Geburt ihres Kindes zehn Tage bezahlten Vaterschaftsurlaub bekommen, begann in Deutschland keine Debatte darüber, allen Vätern wenigstens diese zehn Tage Freistellung zu geben. Denn aus dem Familienministerium lautete die erste enttäuschende Einschätzung, dass Deutschland mit den Regelungen zur Elternzeit bereits die Vorgaben der EU erfülle. Der Haken daran ist jedoch, dass die Minimaldauer der Elternzeit in Deutschland bei zwei Monaten liegt, lediglich zehn Tage können gar nicht beantragt werden. Für Väter in Deutschland bedeutet das: zwei Monate oder kein einziger Tag.

Für Mütter, die vor der Geburt angestellt erwerbstätig waren, gibt es in Deutschland den »Mutterschutz«, der sie sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Entbindung von ihrem Arbeitsverhältnis freistellt und vor einer Kündigung schützt. Sie erhalten zudem in dieser Zeit den Mutterschutzlohn, der in der Regel ihrem bisherigen Gehalt entspricht. Für Väter gibt es aktuell in Deutschland keine gesetzliche Regelung, die dem Mutterschutz entspricht. Wie ernst die Bundesregierung es mit der Unterstützung gleichberechtigter Elternschaft nimmt, zeigt sich auch an diesem Beispiel.

Doch viel seltsamer ist es doch, dass sich nicht einmal zu diesem Anlass eine große Gruppe von Männern in Deutschland zusammenschloss, um laut zu fordern: Wir wollen diese Zeit mit unseren Familien haben! Dabei sollten Männern viel mehr fordern. Fordert vier Wochen Vaterschaftsurlaub, viel besser acht. Fordert ein Elterngeld, dass auch Vätern mit wenig Gehalt erlaubt, sich sechs Monate lang um ihr Baby zu kümmern. Fordert eine Regelung, die auch für selbstständige Eltern funktioniert. Fordert von den Krankenkassen, dass sie den Geburtsvorbereitungskurs auch für Väter bezahlen. Solange jedoch Männer sich politisch nicht dafür einsetzen, von Anfang an Zeit mit ihren Babys zu bekommen, gibt es keine Trendwende hin zu den »aktiven Vätern«. Solange ist der Wunsch nach gleichberechtigter Elternschaft nur ein Lippenbekenntnis. Dass Väter wirklich von Anfang an mehr Zeit mit ihren Kindern wollen, nehme ich ihnen erst ab, wenn sie probiert haben, sie zu bekommen.

Dieser Text widmet sich vor allem heterosexuellen Elternpaaren, da erste Studien zu gleichgeschlechtlichen Paaren in Deutschland zeigen, dass die Arbeits- und Rollenverteilung bei ihnen egalitärer verläuft als in heterosexuellen Familien.