Zehn gute Alltagsrezepte entspannen genauso nachhaltig wie die zehn Gebote auf Moses’ Tafeln. Das ist kaum übertrieben: Klare Rituale bewahren uns vor der Mühsal der Entscheidung. Dummerweise zieht die Sicherheit des Rituals Langeweile nach sich, darum müssen wir von Zeit zu Zeit den Alltag verändern. Auch Essensgewohnheiten sitzen tief, trotzdem brauchen Sie – anders als in den meisten Lebensbereichen – keine langwierige Therapie, um ein neues Rezept in Ihr Repertoire aufzunehmen. Da aber jede geglückte Neuerung frischen Wind in unser Bewusstsein bringt, empfehle ich: Kochen Sie unser heutiges Gericht. Es verstößt gegen jede Regel der Nudelzubereitung und wird Sie glücklich machen.Pinienkerne sind ölig-süß und zart, selbst kleine Kinder lieben sie – ideal, um mit ihnen neue Gerichte in unseren Alltag zu schleusen. Sind Sie schon einmal im Sommer am Strand unter einer Pinie gesessen, haben Pinienkerne aus einem heruntergefallenen Zapfen geknackt, gegessen und sich dann gefragt, wie um alles in der Welt die kleinen Kerne vom Baum in die Tüte kommen? Selbst Pinienkernhändler wissen wenig darüber, und es dauerte eine Weile, bis ich Dipak Sapré gefunden habe, der jedes Jahr 20 Tonnen der nussigen Samen importiert. Und zwar aus dem pakistanischen Grenzland zu Afghanistan, nicht etwa aus Italien, wie der Ruhm des ligurischen Pesto vermuten lässt. Die italienische Ernte reicht nämlich nicht einmal für den Eigenbedarf – falls Ihnen doch ein mediterraner Pinienkern begegnen sollte, erkennen Sie ihn an der länglich-schlanken Form und an seiner matten Oberfläche. Pakistanische Kerne werden ganz leicht geröstet, um die Kerne zu sterilisieren, dabei bleiben sie hell, die Oberfläche wird leicht glänzend. Chinesische Pinienkerne, auch Zedernkerne genannt, sind deutlich gedrungener, billiger und sehr unterschiedlich sortiert: Überreife Kerne schmecken manchmal harzig. Feuchte Samen entwickeln Petrolgeruch. Aber wie kommen sie in die Tüte? Die Zapfen werden mit der Hand geerntet, lange bevor sie herunterfallen. Anschließend werden sie getrocknet, bis man die Kerne herausschütteln kann. Über ein Förderband kommen die Kerne zwischen zwei Walzen, die die harte Schale entfernen. Arbeiterinnen reiben die innere braune Haut mit Baumwolltüchern ab und verlesen dann die Samen. Stück für Stück. Fünfzig Frauen sortieren eine Tonne in einer Woche. ÖHRCHEN-RISOTTO2 Bund Dill mit 1/2 Knoblauchzehe hacken, 3 EL Pinienkerne hell rösten. Zusammen mit 1/2 TL Salz, 2 EL geriebenem Pecorinokäse und 5 EL Olivenöl im Mörser oder im Blitzhacker pürieren. 1 l Salzwasser oder Brühe aufkochen, 500 g Orecchiette zugeben und die Nudeln bei nicht ganz geschlossenem Deckel und mittlerer Hitze bissfest kochen. Sie sollten häufig umrühren, damit die Orecchiette nicht verkleben. Am Ende der Kochzeit sollte die Flüssigkeit weitgehend verbraucht sein. Wenn Sie nun das Pesto unterrühren, werden die Nudeln von einer cremigen Schicht umhüllt, ähnlich wie die Reiskörner im Risotto.