Seltsam, wie wenig über Sterben in den Regalen steht. Ich war in die Bibliothek gegangen, in der angehende Ärzte alles über ihre Arbeit lernen, Universität München, Fakultät für Medizin. Wo, wenn nicht hier, wäre ein guter Anfang, um etwas übers Sterben zu erfahren?
Doch in den Sälen, in denen Bücher bis zur Decke Spalier standen, schien es nichts zum Sterben zu geben. Ich irrte umher. Die Bibliothek hat zwei Stockwerke, es gibt eigene Räume für die wichtigsten Disziplinen der Medizin, endlose Regalmeter über Anatomie und Chirurgie, ellenlange Reihen zu Anästhesie und Radiologie, von einem einzigen Band zur Geburtshilfe existieren knapp zwei Dutzend Exemplare. Aber vom anderen Ende des Lebens - nichts.
Es war seltsam. Ausgerechnet eine Kunst wie die Medizin, die sich dem Kampf gegen Krankheit und Tod verschrieben hat, blendet die Stunde des Sterbens aus? Jahr für Jahr sterben weltweit über 57 Millionen Menschen; in Deutschland waren es zuletzt 868 356 an der Zahl, das weiß man so genau, weil Statistiker jeden einzelnen Toten zählen, zusammen mit der Ursache seines Todes. Sterben ist, was alle Menschen eint, die einzige Gewissheit des Lebens, die jedem sicher ist: Wir werden alle sterben. Wo waren die Bücher darüber?
Schließlich fand ich, ganz hinten, gleich neben der Naturheilkunde, eine schmale Spalte Bücher im Regal: die Palliativmedizin; jene Disziplin, die sich dem Sterbenden widmet. Der dickste Band dort, das »Lehrbuch der Palliativmedizin«, umfasst 1388 Seiten. Das Kapitel über Sterben ist neun Seiten lang. Zwei Stockwerke Wissen. Neun Seiten Sterben.
Das war der Augenblick, an dem dieser Artikel begann. Jetzt wollte ich es wissen. Wenn du stirbst - was passiert denn da genau? Wann beginnt es eigentlich, das Sterben? Wie veränderst du dich in diesen letzten Stunden deines Lebens? Wie atmest du? Was fühlst du? Schmerz? Trauer? Fühlst du überhaupt noch etwas? Wie verläuft er, der Weg in den Tod?
Also habe ich mich auf die Suche nach dem Sterben gemacht - ich sprach mit Professoren, Ärzten, Pflegern, Hospizhelfern, erfahren in tausenden Toden. Herausgekommen ist dieser Text.
Sterben, Schritt für Schritt.
Nicht irgendein Sterben.
Dein Sterben.
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Foto: dpa