Prof. Dr. Bill Hansson ist Direktor am Max Planck Institut für Chemische Ökologie:
»Wir können mit unserer Zunge nur süß, sauer, bitter, salzig und umami schmecken. Das sind die Grundgeschmacksrichtungen. Alle anderen Geschmacksrichtungen kommen von unserem Geruchssinn. Und das funktioniert folgendermaßen: Wenn Sie etwas kauen, wandern die Gerüche Ihre Kehle hinunter und steigen zu Ihrer Nase auf. Bei allem, was Sie in den Mund nehmen, wandern die Moleküle also die Kehle hinunter und dann hinauf in Ihre Nase. Und dann riecht man tatsächlich, was man im Mund hat. Das nennt man retronasales Riechen. Ab und zu führe ich mit meinen Schülern ein Experiment durch: Ich gebe ihnen Ketchup und Senf, aber sie müssen sich die Augen und die Nase zuhalten. Das Ergebnis ist, dass sie den Unterschied nicht erkennen können. Dass wir Ketchup und Senf so wahrnehmen, liegt nur an dem retronasalen Bouquet. Mit Wein und Whisky ist es dasselbe. Ein guter Wein ist völlig nutzlos, wenn man sich die Nase zuhält. Die Geruchsinformationen wandern von der Nase über den Riechkolben bis zum Gehirn. Letztendlich ist es aber das Zusammenspiel von Geschmack und Geruch, das den Gesamteindruck bestimmt. Selbst das Aussehen Ihres Essens, wenn es gut aussieht, ist im Gehirn mit all den anderen Aspekten verwoben.
Was wir als Geschmack erkennen, ist also größtenteils Geruch. Der Grund, warum wir denken, dass wir schmecken, aber in Wirklichkeit riechen, ist, dass wir gelernt haben, dass die Assoziation, etwas in den Mund zu nehmen, etwas über den Geschmack aussagt. Aus evolutionärer Sicht war das sinnvoll: Wenn etwas sauer oder bitter schmeckte, war das ein untrügliches Zeichen, es nicht zu essen. Der Geruchssinn, der von 400 Rezeptoren gesteuert wird, ist viel reflektierender, er ist eher ein denkender Sinn.«