Sollte man bei Amazon bestellen, auch wenn einen das schlechte Gewissen plagt?

Unsere Leserin bemerkt schon Entzugserscheinungen, wenn sie mal nichts auf Amazon bestellen kann. Gleichzeitig will sie nicht darauf verzichten müssen. Johanna Adorján rät ihr, abstinent zu bleiben.  

Illustration: Serge Bloch

»Als langjährige Kundin bei Amazon habe ich richtiggehende Entzugserscheinungen, seitdem ich aufgrund technischer Probleme nicht mehr bestellen kann. Einerseits führt mir das meine Abhängigkeit von diesem Konzernriesen vor Augen. Andererseits werde ich – derzeit arbeitslos – nicht auf meine teuren Lieblingsmarken verzichten, die ich nur auf Amazon oft für den Bruchteil des regulären Preises bekomme. Mitgliedschaft kündigen oder Amazon wegen des Problems kontak­tieren? Auf Ethik und Moral geschissen?«Anette M., Rosenheim

Ich komme mir etwas schäbig vor, wenn ich Ihnen nun zu etwas rate, das ich selbst bisher nicht konsequent befolge. Aber Sie werden mein Vorbild sein, wenn Sie es schaffen, nun standhaft zu bleiben. Die technischen Probleme, die Sie gerade haben, sind in Wahrheit eine Riesenchance. Der Absprung ist dadurch schon geschafft. Sie sprechen von Abhängigkeit und Entzugserscheinungen, sehen in Ihrem Kaufverhalten bei Amazon also eine Sucht, und um in diesem Bild zu bleiben, haben Sie durch das Ausfallen der technischen Möglichkeiten Ihre letzte Zigarette bereits geraucht. Amazon gehört für Sie in diesem Moment der Vergangenheit an. Dazu kann man Ihnen nur gratulieren. Wir alle – oder jedenfalls die meisten von uns – wollen der Welt Gutes tun und machen dabei ständig Fehler. Aber wenn sich einem eine so schöne Möglichkeit unverhofft und gewissermaßen ganz von allein um den Hals schmeißt, sollte man sie nicht abweisen.

Sie sind gerade arbeitslos, schreiben Sie. Nutzen Sie das Plus an Zeit, das Sie dadurch haben, doch vielleicht auch dafür, anderswo nach Schnäppchen Ausschau zu halten. Eine Freundin von mir hat Ihr Amazon-Konto aus moralischen Gründen gekündigt und lässt Ihnen ausrichten, dass man sehr gut ohne auskomme. Sie hat mir auch andere Verkaufsportale genannt, auf denen es oft gute Angebote gibt, aber ich weiß nicht, ob ich da Werbung machen sollte, und beschränke mich lieber darauf, gegen Amazon anzuschreiben. Im Wissen darum, dass ich selbst, was diesen unglückseligen, aber uns leider in unserer Faulheit und Ungeduld so enorm entgegenkommenden Konzern angeht, meine letzte Zigarette noch nicht geraucht habe. Aber wenn meine Freundin es schon geschafft hat und jetzt auch noch Sie, dann kann ich das auch.