»Ich bin viel allein unterwegs. Das heißt, ich fahre allein in den Urlaub oder mache Ausflüge, gehe ins Museum oder Theater. Die Urlaube können auch mal zwei Wochen lang sein. Natürlich erzähle ich dies auch Freundinnen oder Kolleginnen. Was ich immer wieder zu hören bekomme, ist: Das könnte ich nicht. Oder auch: Hast du keine Angst? Warum kommen solche Äußerungen? Ich verfalle dann oft in einen Erklärungsnotstand, dass ich ja allein lebe und sonst zu Hause bleiben müsste. Es nervt.« Christine H., Berlin
Eigentlich sollten Sie sich durch solche Kommentare nicht in einen »Erklärungsnotstand« gebracht fühlen. Ihre Freundinnen und Kolleginnen bewundern Sie wahrscheinlich wirklich. Sehr viele Frauen – und Männer – trauen sich nicht, allein zu reisen. Oder mal allein in ein Restaurant zu gehen. Oder ins Kino. Dass Sie diese Kommentare so ärgern, lässt vermuten, dass Sie Ihre derzeitige Lebenssituation möglicherweise selbst gelegentlich als Manko empfinden, oder jedenfalls nicht immer nur als großes Glück. Vielleicht ist da eine gewisse Scham. Das Gefühl, nicht den Erwartungen zu entsprechen. Die lähmende alte Frage, was man wohl von Ihnen denkt. Es scheint, als ob Sie Ihre eigene diesbezügliche Unsicherheit auf Ihre Freundinnen und Kolleginnen projizieren. Aber irgendetwas müssen die ja sagen, wenn sie hören, dass Sie mal wieder eine tolle Reise vorhaben. Sie können ja nicht nur »Hmm« brummen und auf den Büroteppich starren. Die werden Sie bestimmt beneiden. Um Ihre Freiheit, Ihren Mut und die Abenteuer, die Sie erleben.
Wie werden Sie nun aber Ihre innere Stimme los, die Sie die Kommentare als Zumutung erleben lässt? Vielleicht so: Rechnen Sie stets mit solchen Äußerungen, dann kommen die schon mal nicht mehr überraschend. Legen Sie sich Entgegnungen zurecht, die Ihr Leben bejahen und die Sie so lange stumpf aufsagen, bis Sie sie irgendwann auch wirklich fühlen. Als ich selbst, alleine in Asien, mal eine Amerikanerin kennenlernte, die gerade allein durch ganz Südamerika gereist war, und sie voller Bewunderung fragte, ob sie denn keine Angst gehabt habe, sagte die etwas, an das ich seither oft denken muss: Angst habe sie nicht – sie habe die Erfahrung gemacht, dass das Leben einen immer auffängt. Schön, oder? Vielleicht sagen Sie einfach das.