Ohne große Worte

Als Assistenzärztin ist unsere Leserin zuständig für die Narkose bei Ausschabungen nach einem Abort. Wie kann sie den Patientinnen professionell gegenübertreten und gleichzeitig Trost spenden?

Illustration: Serge Bloch

»Ich arbeite in einer größeren Klinik als Assistenzärztin in der Anästhesie. Wir haben auch des Öfteren Ausschabungen nach einem Abort. Wenn ich bei den Frauen dann Narkose mache, weiß ich nie so recht, was ich sagen soll. Meist sage ich nichts, würde aber gern in irgendeiner Weise mein Beileid ­aussprechen, immerhin haben die Frauen ihr Kind verloren, und durch den Eingriff ist es ja nur noch endgültiger. Ich habe das Gefühl, ich werde der Situation nicht gerecht. Was am besten sagen und wie?« Anonym, per Mail

Es gibt Situationen, in denen Mitgefühl fehl am Platz sein kann. In denen Menschen dankbar dafür sind, wenn ein paar Sachen einfach nach Plan ablaufen. Gerade tragische Ereignisse will nicht jeder andauernd kommentiert ­bekommen, schon gar nicht von Fremden, vor denen man sich womöglich in dem ­Moment zusammenreißt. Deshalb würde ich Ihnen eigentlich dazu raten, lieber nichts zu sagen. Noch dazu sind Ihre ­Worte dank Ihres interessanten und verantwortungsvollen Berufs, der Sie Menschen in die Bewusstlosigkeit schicken lässt, die vorerst letzten, die jemand hört. Es möchte vielleicht nicht jeder mit einem Gefühl wieder aufwallen der Traurigkeit ins ­vorübergehende Nirwana befördert werden. Etwas Sach­liches kann an dieser Stelle vielleicht willkommener sein, etwa die Aufforderung, von zehn an rückwärts zu zählen, oder was auch immer Ihre ganz persönlichen famous last words sind, bevor das Propofol wirkt.

Allerdings verfügen Menschen ja auch über die Möglichkeit, etwas auszudrücken, ohne es in Worte zu kleiden. Deshalb gelingt Verständigung auch über Landessprachen ­hinaus. Stellen Sie sich einfach vor, Sie ­hätten das Mittel der Sprache für den Ausdruck von Mitgefühl nicht zur Verfügung. Und während Sie professionell und freundlich Ihre Arbeit tun, drücken Sie der betreffenden Person vielleicht einmal ganz kurz die Hand. Oder lächeln ihr zu. Oder zeigen ihr mit einem Blick, dass Sie kein Roboter sind, sondern ein Mensch, der sich vor­stellen kann, was es bedeutet, ein Kind zu verlieren, mitsamt all den Hoffnungen, die sich daran geknüpft hatten. Es sollen schon ­Blicke aufgefangen worden sein, die nie ­wieder vergessen wurden, weil sie genau das sagten, was jemanden tröstete.