Finger weg vom Obst!

Auf dem Wochenmarkt beobachtet unsere Leserin, wie die Kundin vor ihr sich Zeit lässt und dabei dutzende Äpfel in die Hand nimmt und wieder zurücklegt. Sie ärgert sich darüber – aber ist das gerechtfertigt? 

Illustration: Serge Bloch

»Auf dem Wochenmarkt fragt eine Kundin nach den knackigsten Äpfeln, lässt sich ausgiebig beraten, nimmt einen Apfel in die Hand, prüft, wie knackig er ist, legt ihn zurück, nimmt einen neuen und wiederholt das Spiel mit mindestens 15 Äpfeln. Ungelogen. Ich bin zunehmend genervt, weil ich es nicht in Ordnung finde, dass sie die Äpfel anfasst und wieder zurücklegt, und weil es ewig dauert. Ich frage die Verkäuferin, ob ich kurz dazwischen kann. Da blafft die mich an, sie hätte der vorherigen Kundin auch Zeit gelassen. Stelle ich mich an?«
Corinna B., Hamburg

Eine Frage, zwei Probleme. Um zunächst über die Verkäuferin zu sprechen: Ist es nicht eigentlich wunderbar, dass sie sich Zeit für ihre Kunden nimmt? Das ist ja auch ein Grund dafür, auf einen Markt zu gehen statt in den Supermarkt. Weil man sich dort, wenn man es möchte, in aller Ruhe beraten lassen kann. Was diesen Punkt Ihrer Frage angeht, stellen Sie sich also, mit Verlaub, ein klitzekleines bisschen an. Obwohl man Sie natürlich verstehen kann. Wir sind schließlich alle ungeduldig.

Für den anderen Teil Ihrer Frage habe ich einen Experten hinzugezogen, und zwar Klaus Hahn vom traditionsreichen Obst- und Gemüsestand Tretter auf dem Viktualienmarkt in München, den es dort schon seit 1885 gibt. Für Hahn ist nicht nachvollziehbar, dass die Verkäuferin im von Ihnen geschilderten Fall die Kundin so viele Äpfel in die Hand nehmen ließ. Denn erstens bringe das nichts: Durch Anfassen lasse sich nicht herausfinden, ob ein Apfel knackig ist oder nicht. Entscheidend sei hierfür allein die Sorte. Hinzu komme, dass selbst leichter Druck bei Obst massive Schäden hervorrufen könne. Unter der Druckstelle färbe sich das Fruchtfleisch schnell braun, und wer auch immer den Apfel schließlich kaufe, werde sich ärgern. Besonders folgenreich sei das bei exotischen Früchten wie etwa Avocado oder Mango, die da hochempfindlich seien. Aber Äpfel eben auch, selbst wenn man ihnen den Schaden dann äußerlich nicht ansehe.

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Sie hatten also vollkommen recht mit Ihrem instinktiven, wenn auch ein wenig ungeduldigen Verdruss. Sollten Sie jemals wieder in diese Situation kommen, was man Ihnen natürlich nicht wünscht, könnten Sie der Kundin ausrichten: Besonders knackige ­Apfelsorten sind Braeburn, Granny Smith, Topaz oder auch Cox Orange. Wie knackig ein Exemplar dann genau ist, lässt sich ­allerdings erst in dem Moment sagen, in dem man hineinbeißt.