Ist Fremdgehen Privatsache?

An einer Grundschule kursiert das Gerücht, zwei Elternteile könnten eine Affäre haben. Sollte man es den beiden sagen? Unsere Kolumnistin hat eine klare Meinung.

Illustration: Serge Bloch

»Unsere Tochter geht in die Grundschule. Uns ist zu Ohren gekommen, zwischen zwei Elternteilen von Mitschülern laufe eine Affäre. Einem dieser Elternteile begegnen wir öfter, auch privat. Wir möchten im Schulumfeld nicht darüber sprechen, da wir es für eine Privatsache halten. Aber wie sollen wir den Eltern begegnen: Sollen wir eine oder einen von beiden ansprechen? Mit dem Verschweigen des Gerüchts fühlen wir uns sehr unwohl.« Olaf T., Hannover

Was ich an Menschen generell sehr beklemmend finde, ist dieser allgemeine Drang, dass alle immer alles so machen sollen, wie alle es machen. Wissen Sie, was ich meine? Was geht irgendjemanden die Ehe von Eltern von Mitschülern der Kinder an? Erstens, was weiß man schon darüber, was die miteinander verabredet haben? Treue ist ja nicht für alle Paare das Nonplusultra. Zweitens: Will man dafür verantwortlich sein, dass jemand, den man kaum kennt, etwas erfährt, was ihn eventuell sehr unglücklich machen wird?

Ich hatte mal einen Therapeuten, leider gestorben, der meinte, wenn jemand dafür sorge, dass ein Seitensprung, eine Affäre nicht herauskomme, verhalte er sich beziehungsschützend. Drittens: Sie haben für andere Erwachsene keinerlei moralische Verantwortung. Sie müssen sich nicht unwohl fühlen, weil Sie etwas »verschweigen«, es hat Sie ehrlich gesagt nichts anzugehen. Kümmern Sie sich, ich meine das nicht böse, lieber um sich selbst. Gönnen Sie anderen ihren Spaß. Gönnen Sie sich auch sich selbst genug Spaß. Gestatten Sie anderen – und sich auch –, Fehler zu machen, Dinge auszuprobieren, ihr Leben so zu leben, wie sie es eben für richtig halten. Vielleicht haben all diese Eltern grauenhafte Ehen, trauen sich aber der Kinder wegen nicht, sich zu trennen. Was wissen wir über die Leben anderer Menschen?

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Mir gehen manchmal all die kleinen Meinungen so auf die Nerven, und ich will Sie gar nicht anprangern, sondern aufstacheln, da nicht mitzumachen. Dieses Andere-klein-halten-Wollen, weil man selbst sich nichts erlaubt. Moral ist da so eine bequeme Entschuldigung, aber was denn für eine Moral? Was hat denn Moral mit irgendwas zu tun? Wie sagt so schön Katharine Hepburn zu James Stewart im Film The Philadelphia Story (1940): »Der richtige Zeitpunkt, sich über andere eine Meinung zu bilden, ist: Nie.«