Liebe zukünftige Lieblingsfrau,
ich habe einen Freund besucht, der gerade ein Haus baut, genauer: einen Teil eines Reihenhausriegels. Von außen sehen diese Riegelstücke alle gleich aus, aber drinnen gibt es eine Menge zu entscheiden, wo welche Wand hinkommt und ob die Küche offen sein soll oder zum Wohnzimmer hin abgeschlossen. »Hier haben die meisten eine Tür«, sagte mein Freund, als er mit mir durch den Rohbau kletterte, »so dass diese Fläche hier ein Durchgangszimmer ist, aber wir machen da eine Wand hin, so dass das Badezimmer nur vom Schlafzimmer aus zugänglich ist, und das hier wird ein begehbarer Kleiderschrank«. Ich hatte noch nie einen begehbaren Kleiderschrank, und ich war in diesem Moment ein bisschen gefangen von der Vorstellung, wie toll es wäre, einen zu haben, so dass mir erst ein bisschen später aufging, dass der Plan Implikationen hatte: Sie hatten sich offensichtlich entschieden, kein zweites Kind zu bekommen, sonst hätten sie den Kleiderschrank als Ersatz-Elternschlafzimmer geplant, mit Zugang zum Bad. Wer ein Haus baut, muss sich überlegen, was sein Lebensentwurf ist. Hast du einen Lebensentwurf? Könntest du ein Haus bauen?
Ich würde eine große, offene Küche bauen. Wo immer ich gewohnt habe: Wenn die Küche groß genug war, dann spiegelte sie das, was ich bin. Das Wohnzimmer spiegelte vor allem, was ich glaubte, sein zu wollen. Es ist ein Wenn-dann-Raum. Für Momente, »wenn ich mich abends mit einem guten Buch auf diesen Sessel setze« oder »wenn Besuch kommt«. Tatsächlich liegen die guten Bücher stapelweise neben dem Bett im Schlafzimmer, wo ich wieder und wieder die gleichen vier Seiten lese und immer darüber einschlafe, und Besuch landet immer in der Küche. Leben ist für mich, was in meine Küche platzt, während ich mir noch Wenn-dann-Gedanken mache. Ich bewundere Menschen, deren Wohnungen wie Setzkästen sind, in denen alles seinen Platz hat. Ich stelle mir vor, dass in ihrem Kühlschrank nichts das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten hat, und dass sie niemals etwas suchen müssen, was man als Klopapier benutzen kann, weil sie vergessen haben, einzukaufen. Ich stelle mir vor, dass sie ihr Wohnzimmer zum Wohnen benutzen. Andererseits kann ich aus fast allem Margaritas mixen, was irgendwo halbleer am Boden des Tiefkühlfachs festfriert, wenn plötzlich acht Leute in meiner Küche tanzen, weil das Leben beschlossen hat, an einem Mittwochabend stattzufinden. Das Leben macht so etwas. Und das lässt sich nicht planen.
Ich glaube, die Kunst ist, den besten Plan zu machen, und ihn einfach zu vergessen, wenn das Leben dazwischenkommt, und genau da zu tanzen, wo man gerade ist. Auf Straßenbahnschienen im Sommerregen zu einer Melodie, die nur wir hören. Zu »Tainted Love« aus einem alten Radio in einer Küche, in der nur vier Leute sitzen können, aber neun Leute tanzen. Auf der Baustelle eines Hauses, das plötzlich ein Zimmer zu wenig hat, obwohl es noch gar nicht fertig ist. Es ist ja nie irgendwas fertig. Wenn wir ständig darauf warten, dann leben wir nicht.
Es fällt mir schwer, nicht auf dich zu warten, zukünftige Lieblingsfrau. Manchmal fühlt es sich an, als würde mein Leben erst wieder beginnen, wenn du da bist, als wäre ich ohne dich jener Baum im Wald, von dem wir nicht wissen können, ob er ein Geräusch macht, wenn er umfällt, weil niemand es hört, wenn du es nicht hörst. Es sticht, daran zu denken, dass gerade niemand an mich denkt. Und dass ich dir nicht sagen kann, dass ich an dich denke. Und plane. Nur damit du alles wieder umwerfen kannst, und Wände aufbrechen und Türen einbauen, wenn du kommst.
Foto: Stephanie Pfaender