Am vergangenen Wochenende hat die sogenannte "Palm Jumeirah" eröffnet, dieses künstlich aufgeschüttete Inseldingens in Form einer Palme vor der Küste Dubais. Das war weltweit nicht zu übersehen: Ein Feuerwerk, siebenmal größer als das zum Abschluss bei den Olympischen Spielen, jagten sie dort in die Luft, Kylie Minogue sang, Denzel Washington, Charlize Theron und Boris Becker grüßten vom roten Teppich. Insgesamt verschlang die Party 16 Millionen Euro.
Der Stamm dieser Palme ragt nun fünf Kilometer in den persischen Golf hinein und auf ihren 17 Wedeln stehen 1500 Villen. Mit diesem Inselmonstrum haben die Bauherren die Küstenlinie Dubais um hundert Kilometer verlängert. Das heißt: Hier fährt man mit dem SUV entlang und nicht mit dem Fahrrad. Am Scheitelpunkt der Palme steht das "Hotel Atlantis", groß wie ein Flughafen, das sich durch auffallende Meerestier-Dekorationen in Shrimpsrosa auszeichnet. Es hat 1539 Zimmer, 17 Restaurants, 3000 Angestellte, und wenn man dort eincheckt, kann man seine Zeit im größten Wasserpark des Nahen Ostens verbringen.
Das alles sieht aus, als habe sich ein Architektenteam eine Runde Ecstasy genehmigt und viel Spaß dabei gehabt. Oder wie der amerikanische Soziologe Mike Davis sagt: wie eine Mischung aus Albert Speer und Walt Disney.
Aber man darf nicht ungerecht sein: Palme und "Hotel Atlantis" gehören zu den erstaunlichsten Dingen, die die Menschheit je geschaffen hat. Den Eiffelturm haben die Menschen seinerzeit auch als Teufelszeug und Schandfleck beschimpft. Deswegen: Man sollte die Palme einmal gesehen haben.
Was aber bedeuten nun Palme und "Atlantis" für uns, für den Rest der Welt? Was sagen uns die Bilder der gigantischen Eröffnung, die uns am Wochenende den Atem stocken ließen?
Man muss den Tatsachen ins Auge blicken: Das, was dort geboten wird, richtet sich in erster Linie nicht an uns. Nicht an uns Deutsche, nicht an uns Europäer. Das geben die PR-Manager des "Atlantis" auch zu: Deutschland, Spanien, Italien, Frankreich – Minimärkte im Vergleich zu anderen Gästen. Amerikaner? Tragen oft zu viele Vorbehalte gegenüber dem Nahen Osten in sich. Natürlich, die feierwütigen Engländer kommen. Aber für Dubai ist ein anderer Kundenkreis viel wichtiger. In Dubai sind alle willkommen, die woanders nicht so gern gesehen sind. Vor denen Amerika und Europa die Nasen rümpfen, obwohl sie viel Geld ausgeben wollen: die Reichen aus dem Mittleren und Nahen Osten, aus Russland und Indien.
Für sie ist in Dubai eine besondere Form von materiellem Luxus geschaffen worden, den die Welt noch nie erlebt hat, der an römische Ausmaße erinnert. Der Rest der Welt schüttelt den Kopf über so viel Gigantomanie. So erzählen die Angestellten des "Atlantis" begeistert von Dingen, die jeden Deutschen in sofortigen Schockzustand versetzen könnten: dass Kinder, die aus Dubai zurückkommen, sich in ihrer natürlichen Umgebung nur noch langweilen; dass die vielen meterhohen Orchideenarrangements, die überall im Hotel herumstehen, frisch aus Holland eingeflogen werden; dass die Lieblingsbeschäftigung der Hotelgäste neben dem Schwimmen und Essen das Shopping sei, am liebsten im größten Einkaufszentrum Dubais, zärtlich "Mother Mall" genannt, Mutter aller Malls; dass es leider keine echte Altstadt in Dubai gebe, weil sie kaum älter als 30 Jahre sei und nicht besonders schön - dass man aber jetzt "Dubai Old Town" baue, um das Problem zu beheben.
Dubai sendet mit seinen "Immer-höher-immer-größer-immer-teurer"-Nachrichten eine deutliche Botschaft an die Welt: Hier spielt jetzt die Musik! Europa und Amerika waren gestern. Jetzt sind wir dran. Tusch. Feuerwerk. Champagner für alle.
Dubai, die Palme, das neu eröffnete "Atlantis" sind Zeichen eines neu erwachten Selbstbewusstseins des Nahen Ostens, das alle Menschen anzieht, die endlich auch durch politische oder wirtschaftliche Umwälzungen Freiheiten genießen können. Sie kommen zusammen, um ihre neuen Freiheiten an einem utopisch anmutenden Ort in überdimensioniertem Ausmaß zu feiern.
So betrachtet könnte man in der Palme auch einen gigantischen ausgestreckten Mittelfinger gen Westen sehen.