* I *
Oh Herr im Himmel
der Bayern, gebiete den Händlern des Viktualienmarkts Einhalt
Sieh hinab auf den Markt, und sieh auf die Gierigen, die ihre Stände mit Zelten erweitert haben und den Viktualienmarkt zu einem Campingplatz degradieren. Und siehst Du nachts die Ratten über den Platz in die Körbe und Obststeigen laufen? Und siehst Du anderntags auch uns, die wir dennoch alles kaufen und bezahlen? Herr im Himmel der Bayern, lass Hygiene auf unseren Markt und seine Händler herniederfahren. Wir bitten Dich, erhöre uns.
* II *
Oh Herr, schenke bitte dem »P1« einen dritten Frühling
Da kommt ja inzwischen echt jeder rein. Schenke dem Laden eine Tür, wie sie eine Burg hat, mit fünf fiesen Wächtern, die jeden abweisen, der nicht aufregend genug ist. Türsteher, die den Marienhof-Darstellern sagen, dass ihre Fans sie woanders dringender brauchen und den Bayern-Reservisten, dass sie sich lieber auf den Platz bewegen sollen. Wir wollen Studio-54-Exzesse hinter verschlossenen Türen, wir wollen Kate Moss statt Giulia Siegel herauswanken sehen und George Clooney statt Michael Käfer. Wir bitten Dich, erhöre uns. * III *
Oh Herr, erlöse uns von dem Spruch »Mia san mia«
Ludwig II. ist Vergangenheit, Franz Josef Strauß auch, und Huber und Beckstein wirken jetzt schon wie von gestern, obwohl die beiden ja noch gar nicht lang da sind. Herr, wir bitten Dich: Bring den Münchnern bei, dass »Mia« nicht immer das Ideal ist, sondern oft genug auch engstirnig, spießig und rückwärtsgewandt. Die Geschichte hat oft genug gezeigt, dass München durch Einflüsse von außen nur wächst und vorankommt. Falls Du uns, oh Herr, gern mit einem neuen Motto versorgen möchtest – uns würde gefallen: »Mia san mehr«. Wir bitten Dich, erhöre uns.
* IV *
Oh Herr im Himmel der Bayern, gebiete Einhalt dem Bauen des
Münchner Architekten Peter Lanz
Sein Werk ist nicht höher, doch schlimmer als der Turmbau zu Babel: der Rieger-Block, die Daimler-Niederlassung an der Donnersberger Brücke, die Hauptverwaltung der Allianz, die Bayerische Hausbau, das Mathäser-Kino. Wir bitten Dich, oh Herr: Schenke Peter Lanz die Wonnen des Ruhestands und gib uns Bauten, über die wir uns nicht ärgern müssen. Wir bitten Dich, erhöre uns.
* V *
Oh Herr im Himmel, erlöse uns vom Anblick der nächtlich rollenden Blader
Nicht, dass wir uns falsch verstehen, oh Herr: Ein jeder möge seinem Sport frönen, wie es ihm ein Wohlgefallen ist, und auch die Straßen mögen für einen jeden gern ab und zu gesperrt sein, das ist in Ordnung. Aber müssen wir wirklich Monat für Monat diese geschmacklosen Neongewänder ertragen? Müssen wir uns die Helme und Knieschoner ansehen und die mit allerlei Blitzen und ach so schnittigen Signets geschmückten Hemdchen? Könnte das alles nicht einfach weit draußen stattfinden, oh Herr, jenseits der Stadtgrenzen, sagen wir, in Oberfranken oder so? Wir bitten Dich, erhöre uns.
* VI *
Oh Herr, bitte bekehre die Wirte der »bayerischen« Wirtschaften rund um den Marienplatz
Denn sie ehren weder Gast noch Gericht. Schenke ihnen die Muße, einen anständigen Schweinsbraten zuzubereiten und ihn zu einem anständigen Preis zu verkaufen. Erlöse uns von Fertigknödeln, dünner Soße und einer Kruste, die nicht zum Fleisch gehört, das auf dem Teller liegt. Bitte nimm all dies von uns. Wir bitten Dich, erhöre uns.
* VII *
Oh Herr, bitte schenke uns mal eine richtig großartige Filmpremiere Du verstehst schon, Herr, so eine glamouröse Veranstaltung mit Stars, die man auch außerhalb der Münchner Innenstadt kennt. Du gabst uns die Bavaria-Studios, Du gabst uns große Firmen wie den Constantin Filmverleih. Lenke nun die Gelder der Filmfonds in die Taschen bayerischer Produzenten, lenke den Schritt der Schauspieler auf schöne rote Teppiche, auf dass wir jubeln und dann mit der S-Bahn heimfahren können. Ach so, ja – und wenn Du schon dabei bist, Herr, dann kümmer Dich vielleicht auch noch ein bisschen ums Münchner Filmfest, auf dass es wieder etwas mehr werde als nur ein stadtweiter Sektempfang. Wir bitten Dich, erhöre uns.
* VIII *
Oh Herr, wir bitten Dich um einen Skandal
Denn uns ist manchmal ein bisschen langweilig. Vielleicht könnte Erwin Huber eine Affäre mit Uschi Glas gestehen (»Wir lieben uns seit 50 Jahren heimlich«), Michi Beck an die Isar heimkehren (»Ist doch inzwischen wurst, oder?«) oder ein Travestie-Video von Franz Beckenbauer auftauchen (»Des Kaisers neue Kleider«). Es soll ja niemand zu Schaden kommen, der es nicht verdient hat. Nur bitte, wir brauchen wieder einmal eine frohe – um nicht zu sagen: unterhaltsame – Botschaft. Wir bitten Dich, erhöre uns.