Der Schamhaarkrieg ist vorbei. Oder, wie es die linksliberale amerikanische Zeitschrift Mother Jones formuliert: »Der Krieg gegen das Schamhaar ist vorbei, und das Schamhaar hat verloren.« Hintergrund der martialisch formulierten Epiliernachricht ist die erste große nationale Schamhaarstudie, die von einer seriösen Institution durchgeführt wurde: ForscherInnen der University of California in San Francisco haben soeben mehr als 3.000 Frauen zwischen 18 und 65 Jahren zum Thema befragt, und 62 Prozent gaben an, ihr Schamhaar komplett entfernt zu haben, 22 Prozent teilweise, und nur 16 Prozent gar nicht. Seitdem tobt in US-amerikanischen Medien wieder die Schamhaar-Debatte darüber, welche kulturelle und politische Bedeutung die »Barbie-Vagina« (Mother Jones) hat, und wie groß oder klein die gesundheitlichen und psychologischen Risiken der Schamhaar-Entfernung sind.
Was dabei auffällt wie Schamhaar in einer Brandenburger Sauna ist folgender Sachverhalt: Weder in der dermatologischen Studie, noch in den darüber debattierenden Medien ist von männlicher Schambehaarung die Rede. Anekdotische Beweisführung legt zwar nahe, dass »Mann« »unten« »Glatze trägt«, aber gesicherte Zahlen liegen nicht vor.
Auch, was Erkenntnisse über männliche Schamhaarfrisuren angeht. Wir haben so viel über den »Brazilian Landing Strip« gehört, aber was ist sein Äquivalent? Die Kollegin Schröder, die einmal eine Depiladora (Haarentfernerin) interviewt hat, berichtet, zum Valentinstag seien bei Frauen Initialen des Partners oder das klassische Herz beliebt, im Sommer der so genannte »Berliner Bär« (regionale Unterschiede kommen vor). Aber bei Männern?
Schon in der populären Kultur ist das männliche Schamhaar ein Randthema. Zweimal ist es unserer Kenntnis nach in den letzten zehn Jahren auf dem Radar gewesen. In der Filmkomödie Harold & Kumar 2: Flucht aus Guantanamo taucht bei einer FKK-Poolparty ein Mann auf, dessen Schambehaarung so aussieht, als trüge er in der Körpermitte ein Abbild des Antlitzes von Osama bin Laden. Und in der Fernsehserie It's Always Sunny In Philadelphia (zu sehen auf Comedy Central) wird der nackte Zustand einer männlichen Hauptfigur von einer anderen mit den Worten beschrieben: »Sieht aus wie ein Knopf im Pelzmantel«.
Weder der »Osama« noch der »Pelzmantelknopf« haben sich als Frisurentrends unter diesen Namen jedoch durchgesetzt. Auch einschlägige Internetseiten sind keine Hilfe, selbst, wenn sie so heißen, als wären sie es. Helpster.de schreibt unter »Männer - Ideen für Ihre Schamhaarfrisur«, die »komplett kahle Schamhaarfrisur« sei »die gängigste, aber auch wenig kreativ«: »Vielleicht möchten Sie in der Mitte auch ein Dreieck stehen lassen, welches mit der Spitze Richtung Intimbereich zeigt.« Und: »Eine weitere Frisur ist der so genannte Strich, der in der Mitte stehen gelassen wird.«
Nichts, ein Dreieck oder ein Strich: das männliche Schamhaar ist offenbar das Niemandsland der Körpergestaltung. Was umso mehr erstaunt, als in keinem Jahr der jüngeren Geschichte so viel über Männerfrisuren geredet wurde wie 2016 (noch zwei Witze mehr über das Haar von Donald Trump und Boris Johnson und das Internet implodiert).
Die Friseurin jedenfalls sagt, auf die Frage, warum der Autorenbart grau wird, aber das Haupthaar nicht: »Das sind ganz andere Haare. Die Barthaare, das sind ja strenggenommen Schamhaare.« Insofern ist die Welt-Schlagzeile von neulich paradox: »Männer wollen Bart tragen, aber keine Schamhaare.« Die Schambehaarung ist der Bart des männlichen Genitals, der Bart ist die Scham des Gesichts. Als wir in den letzten fünf Jahren über Männerbärte geredet haben, redeten wir eigentlich über Schamhaar. Und wir haben wohl so viel über Bärte geredet, also über Schamhaar-Nord, dass das Thema Schamhaar-Süd einfach durch ist.
Illustration: Sammy Slabbinck