Das Jahr 2016 war alles in allem so ungemütlich und verworren, da mag man seinen Lieben zu Weihnachten doch gern etwas Flauschiges schenken. Und wenn es dann noch praktisch und dem Liebesleben zuträglich ist, umso besser: neue Bettwäsche. Gerade das design-affine urbane Bürgertum freut sich, wenn auch im Schlafzimmer alles optisch »state of the art« ist.
Eine niederländische Textildesignfirma namens »Snurk«, eigentlich bekannt für besonders niedliche Kinderbettwäsche, hat nun etwas ganz Spezielles ins Programm genommen: Das Bettwäscheset »Le Clochard« und »Le Trottoire« aus 100 Prozent Perkal-Baumwolle, rundum versehen mit stylischem Fotodruck. Das Spannbettuch (44,95 Euro) in grauer Granitplatten-Gehsteig-Optik, Bettdecken- und Kissenbezug (59,95 Euro) als täuschend echte Repliken eines leicht feuchten Pappkartons. Mit diesem Bettzeug kann man sich also die Illusion eines Obdachlosenschlaflagers ins Schlafzimmer zaubern, nur eben in kuschelig, warm, weich, duftend und mit Dach über dem Kopf. Und zwar zu einem Preis, für den ein echter Obdachloser eine ganze Weile lang Flaschen sammeln gehen müsste.
Dass das weder stylisch, noch cool, sondern ganz schön zynisch ist, muss auch den Designern der Firma aufgegangen sein, weswegen sie einen Teil des Kaufpreises an ein Straßenkinderprojekt spendet. Jetzt kann also - wer das Lager eines Obdachlosen trotz allem für ein witziges Statement im Designer-Schlafzimmer hält - sein Restgewissen damit beruhigen, dass vom Kaufpreis der Bettwäsche in irgendeiner Suppenküche ein paar Wurststücke mehr in den Eintopf geschmissen werden.
Ob die Clochard-Bettwäsche also im Vorweihnachtsgeschäft so richtig gut laufen wird, ist fraglich. Denn es gibt eigentlich nur drei sehr spezifische Personengruppen, für die diese Bettwäsche als Weihnachtgeschenk moralisch akzeptabel wäre:
Messie-Teenager. Sie sind verzweifelt über die hygienischen Zustände im Zimmer ihres Kindes? Drohungen, Bettelei und Erpressung haben bislang nicht dazu geführt, dass schimmelndes Fastfoodverpackungsmaterial entsorgt, Schmutzwäsche gewaschen oder gar Frischluft zugeführt wird? Schenken sie zu Weihnachten doch mal kein neues Smartphone, sondern frische Bettwäsche, die dem Kind ganz subtil verdeutlicht, was ihm demnächst bevorsteht, sollte das Seuchenamt seinetwegen die Wohnung für unbewohnbar erklären.
Beatles-Fans. Sie sind mit ihrer besseren Hälfte schon lange zusammen? Sie haben sich vor vielen Jahren kennengelernt, als sie beide auf einer Studentenparty zum Beatles-Song »Why Don't We Do It in the Road« als einzige lautstark mitgesungen haben? Sie sind längst zu bequem, um »es« tatsächlich mal »auf der Straße« zu tun, wollen aber an den Gründungsmythos ihrer Beziehung erinnern, damit im Bett überhaupt mal wieder was geht? Dann ist diese Bettwäsche genau das richtige Geschenk.
Betonfetischisten. Sie leben mit einem Menschen zusammen, den die Funktionalität und Härte brutalistischer Architektur übermäßig fasziniert? Beton und Granit sind die dominierenden Stil-Elemente ihrer gemeinsamen Wohnung, von der Wohnzimmerwand bis zu den Küchenkräuterübertöpfen? Sie haben sich bislang geweigert, auch im Schlafzimmer auf Gemütlichkeit zu verzichten, möchten sich jedoch kompromissbereit zeigen? Dann könnte diese Bettwäsche eine Möglichkeit sein, ihrem Liebsten die optische Illusion einer Liebesnacht auf kaltem, hartem Stein zu geben, ohne dabei selbst auf Komfort verzichten zu müssen.
Allen anderen kaufen Sie besser Bayern-München-Bettwäsche, Bärchen-Frottee oder edles Seidengeschmeide, je nach Geschmack. Und spenden so großzügig, wie es Ihnen möglich ist, an die Obdachlosenhilfe ihres Wohnortes.
Illustration: Joe Webb