Der letzte Arbeitstag

Wir stellen Ihnen jede Woche junge, talentierte Fotografen vor. Diesmal: Frank Schinski, der Menschen an ihrem letzten Tag vor dem Ruhestand begleitet hat.

    Name: Frank Schinski
    Alter: 34
    Ausbildung: Diplom / FH Hannover
    Website: http://www.frankschinski.de

    SZ-Magazin: Herr Schinski, wie kamen Sie auf die Idee, Menschen an ihrem letzten Arbeitstag zu begleiten und zu fotografieren?
    Frank Schinski: Wie die Idee entstanden ist, kann ich heute gar nicht mehr genau sagen. Immer wieder interessieren mich als Fotograf Themen, die gesellschaftliche Zusammenhänge thematisieren und hinterfragen. Ich glaube, die Idee kam mir beim Lesen eines Artikels.

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    Wie lange haben Sie an der Serie gearbeitet?
    Ich habe insgesamt 16 Personen über einem Zeitraum von zirka anderthalb Jahren fotografiert.

    Bei dieser Arbeitsweise besteht die Gefahr, dass Situationen schon durch die Anwesenheit des Fotografen künstlich oder gestellt wirken. Wie haben Sie das verhindert?
    Ich habe mich mit allen Personen vor dem eigentlichen letzten Arbeitstag getroffen. So konnten wir uns kennenlernen, alle Fragen klären und so weiter. Das hatte den Vorteil, dass am letzten Arbeitstag, den ich dann fotografierte, schon Vertrauen aufgebaut war. Ohne das Vertrauen der Protagonisten ist eine solche Arbeit nicht realisierbar. Ich werde häufig gefragt, ob die Aufnahmen inszeniert sind. Ich antworte dann immer: Ja, das sind sie. Nur eben nicht von mir. Die Protagonisten durchlaufen in der Regel am letzten Arbeitstag ein betrieblich etabliertes Ritual. Die Feiern bzw. der Tag laufen nach bestimmten Mustern ab. Es werden Reden gehalten und Geschenke verteilt. Das Rituelle in unserer Gesellschaft finde ich interessant. Wir scheinen das zu brauchen. Die Rituale geben uns Sicherheit.

    Was hat bei Ihren Protagonisten dominiert: Wehmut oder Vorfreude auf die Zeit danach?
    Ich hatte oft den Eindruck, dass das Begehen des letzten  Arbeitstages selbst sozusagen die letzte Aufgabe ist, die die Menschen noch zu erledigen haben. Das wichtigste Thema für viele war es, das Buffet herzurichten und sich dann die Reden anzuhören. Natürlich habe ich auch alle Protagonisten danach gefragt. Die meisten sagten, dass sie sich auf den Ruhestand freuen. Ich hatte dann öfter den Eindruck, eine Antwort bekommen zu haben, von der die Leute glaubten, dass ich sie hören wollte. Es geht wohl mit gemischten Gefühlen zu an so einem Tag.

    Wenn man sich Ihre Bilder ansieht, gewinnt man den Eindruck, viele verbrigen den letzten Tag mit warten, mit dem Zusehen wie die Zeit verstreicht. Wird das von den Menschen als quälend empfunden?
    Das ist schwer zu sagen. Ich fotografiere aber oft die ruhigen Momente, und selten den Höhepunkt eines Geschehens. Meinen Focus lege ich auf die Dinge, die nicht im Mittelpunkt stattfinden. Die Bilder, die dann entstehen, lassen dem Betrachter viel Raum, das Gesehene einzuordnen. Diese Herangehensweise entspricht nach meiner Meinung am ehesten unserer Realität.

    Die meisten Ihrer Arbeiten drehen sich um gesellschaftliche und soziale Themen. Wie finden Sie Ihre Ideen?
    Es ist das, was mich im Alltag umgibt. Ich bin in der ehemaligen DDR aufgewachsen und erst Mitte der 90er in den »Westen« gekommen. Gewissermaßen bin ich dadurch zweifach sozialisiert. Dinge, die hier als etabliert, ganz normal und selbstverständlich gelten, erscheinen mir mitunter fremd. Viele meiner Themen entstehen genau aus dieser besonderen Betrachtungsweise.