Gemeinsam einsam

Kein Platz für Träume: Svetlana Mychkine hat Kinder in russischen Waisenhäusern fotografiert.

SVETLANA MYCHKINE

Name: Svetlana Mychkine
Geboren:
17.01.1989
Ausbildung:
Fotografiestudium an der FH Dortmund
Website:
www.svetlana-mychkine.com

SZ-Magazin: Frau Mychkine, im Herbst 2011 haben Sie mehr als einen Monat in russischen Kinderheimen verbracht. Warum?
Svetlana Mychkine: Das Waisenkind interessiert mich als Individuum, welches in einem großem Kollektiv aufwächst, durchdrungen vom Geiste der Wir-Gesellschaft. Ich hebe das Individuum so hervor, dass es in der fotografischen Darstellung einen Kontrast zum Kollektivismus bildet. Die sozialistischen Bauten habe ich noch aus meiner Kindheit in Russland im Gedächtnis und als Einzelkind wollte ich schon immer wissen, wie das Leben in einer großen Gemeinschaft sein könnte. Beide Themen habe ich dann zusammengebracht.

Wie sind Sie praktisch vorgegangen?
Ich war in insgesamt vier Kinderheimen in unterschiedlichen Regionen Russlands. Dort lebten zwischen 36 und 87 Kinder im Alter von 7 bis 18 Jahren. Um das Vertrauen der Kinder zu gewinnen, habe ich immer eine Woche in den jeweiligen Einrichtungen verbracht. Das Wir steht im Kollektivismus, der in Russland noch immer sehr ausgeprägt ist, im Vordergrund. Das Individuum muss nach hinten treten. Es gibt strenge Regeln, wer die nicht befolt, wird zurechtgewiesen. Gemeinsam spielen und lachen die Kinder viel. Doch jedes Kind für sich, wenn es alleine irgendwo sitzt, starrt an die Decke, verliert sich in Gedanken und träumt sich in seine eigene Welt. Auch wenn sie im Kollektiv leben, sind Waisenkinder sehr einsam. Ich habe deshalb Einzelportraits gemacht. Das Kind soll so gezeigt werden, wie es ist, so eigenartig, wie es sein mag. Und nicht so, wie man es gerne hätte.

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Warum haben Sie das Fotoprojekt "zuckerblau" genannt?
Ich hatte gezielt in Richtung von Wortneuschöpfungen überlegt, da diese gerade für kleinere Kinder typisch sind. Neben diesem Punkt steht "zuckerblau" für zwei weitere Aspekte. Das Blau steht bei mir für Wolken und Träumereien. Der Zucker, der schnell in Verbindung mit Kind und Süßigkeit gebracht wird, hat auch die Eigenschaft sich in Wasser aufzulösen - wie die Träume der Waisen, die sich in Anbetracht der Realität und der Außenwelt schnell in Luft auflösen.

Fotos: Svetlana Mychkine