Wir haben die befragt, die Frank-Walter Steinmeier tatsächlich kennen: seine Eltern, alte Freunde, seine direkten Untergebenen und seine engsten Weggefährten (und seine strengsten Gegner).
1. Ein kaltherziger Bürokrat
Wolfgang Nowak SPD, 1999 bis 2002 Abteilungsleiter für Grundsatzfragen und Planungschef im Bundeskanzleramt
»Vor einem Jahr wurde er stellvertretender Parteivorsitzender, weil er geschwiegen hat, während Müntefering sich gegen Kurt Becks Reformen gestellt hat. Er wurde Kanzlerkandidat in einem Hinterzimmer. Er hat bisher immer gesiegt, ohne dass er gekämpft hat.« Ruprecht Polenz CDU, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages
»Ob er ein guter Kanzler wäre? Dazu kann ich nur so viel sagen: Er wäre vielleicht ein besserer Kanzler als ein Kanzlerkandidat.«
Uwe-Karsten Heye Regierungssprecher von Gerhard Schröder
»Er hat eine erstaunliche Auffassungsgabe, schneller sogar als die von Gerhard Schröder.«
Ursula Steinmeier Mutter
»Mit Frank gab es eigentlich nie Ärger, höchstens wenn er mal zu spät nach Hause kam oder einen Achter in sein Fahrrad gemacht hatte. Er hat viel gelesen, vor allem Abenteuerromane, Jules Verne und Karl May, solche Sachen. Am Muttertag hat er immer noch auf den letzten Drücker was besorgt, und wenn es nur eine kleine Glasschüssel war. Er war recht sparsam. Wenn er 2 Mark Taschengeld bekommen hat, hat er 1,80 Mark gespart.«
Fritz Hofmann früherer Mannschaftskollege beim Fußballverein TuS 08 Brakelsiek
»Um den Kanzler Steinmeier brauchen wir uns gar keine Sorgen zu machen, das wird er nicht. Wenn er antritt, tritt er als Verlierer an, und das ist traurig, weil er verheizt wird.«
Gerd Reinecke Jugendfreund aus Brakelsiek
»Er war immer etwas ehrgeiziger als wir, wahrscheinlich hatte er auch mehr drauf. Nach der vierten Klasse kam er als Einziger aufs Gymnasium. Wir sind trotzdem Freunde geblieben, haben zusammen Fußball gespielt und sind ab und zu in die Disco gefahren, ins ›Life‹ nach Blomberg oder ins ›Black Horse‹ nach Lemgo, Brakelsiek ist ja nur ein Dorf mit 1000 Einwohnern. Als er später in Gießen studiert hat, habe ich ihn manchmal besucht, er wohnte zusammen mit vier anderen Studenten in einer WG. Und jedes Mal, wenn ich zu Besuch kam, kochte Frank richtig gut auf. Einmal habe ich zusammen mit ihm seine damalige Freundin besucht, die gerade ihr Referendariat zur Sonderschulpädagogin in Essen machte. Sie hieß Waltraud, kam aus dem Nachbardorf von Brakelsiek und war eigentlich wie er: ruhig, ausgeglichen, vernünftig.«
(Lesen Sie auf der nächsten Seite: "Er ist keiner wie Rudolf Scharping, der auf Reisen nachts die Leute aus dem Bett klingelte, weil er sich unterhalten wollte. Auch nicht wie Joschka Fischer, der regelmäßig einen Tobsuchtsanfall bekam.")
Jean Asselborn luxemburgischer Außenminister
»Wir sind Freunde. Wenn ich eine Frage habe, rufe ich ihn an, ob es samstagabends ist oder sonntagmorgens. Wir haben unsere Handynummern, das ist ein steter Kontakt. Die Chemie zwischen Frank und mir hat gleich gestimmt. Kennengelernt haben wir uns, kurz bevor er Außenminister wurde. Ich habe sofort gesehen, dass wir beide gegenüber den USA einen gesundkritischen Geist haben und einen eher offenen auch zu Russland.«
Ein Mitarbeiter aus Steinmeiers nächster Umgebung, der ungenannt bleiben will
»Außenminister zu sein findet er wahnsinnig interessant, auch weil er jetzt nicht mehr der ›Mach mal‹ von Schröder ist. Aber er ist keiner wie Rudolf Scharping, der auf Reisen nachts die Leute aus dem Bett klingelte, weil er sich unterhalten wollte. Auch nicht wie Joschka Fischer, der regelmäßig einen Tobsuchtsanfall bekam. Steinmeier hat keinerlei eitle Attitüden, das ist fast merkwürdig im politischen Betrieb, wo sich jeder seine Posen angewöhnt. In seinem Ministerium ist die Tür zu seinem Büro immer offen, man kann da einfach durchs Vorzimmer reingehen. Läuft mal etwas schief, grinst er, holt die Zigaretten raus und sagt: Es geht schon weiter. Der hat zu jeder Situation den passenden Spruch, er verfügt über enorme Situationskomik. Auf seinen Reisen dauert es keine zehn Sekunden, und die Leute, die er trifft, lachen. Selbst bei Condoleezza Rice sieht das dann so aus, als hätten sie ein herzliches Verhältnis.«
Dirk Steinmeier Bruder
»Wir sind uns ähnlich, trugen beide die Haare bis zu den Schultern und haben die gleiche Musik gehört, die Stones, Led Zeppelin, sein Zimmer war voll mit Postern von Rockstars. Es gab damals zwei Gruppen im Dorf, die Jungs aus der Siedlung und die vom Unterdorf – zu denen gehörten wir. Beide Gruppen trafen sich im Bushäuschen. Das gab regelmäßig Ärger, weil das oft verdreckt und voll mit Kippen war. Also haben beide Gruppen unabhängig voneinander versucht, einen Raum zu kriegen. Der Bürgermeister meinte, wir sollten uns erst mal einigen, zwei Jugendzentren seien nicht zu machen. Und da hat Frank zum ersten Mal gezeigt, wie gut er vermitteln kann. Er hat die beiden Gruppen zusammengeholt und den Streit geschlichtet. Die erste konstituierende Sitzung des heutigen Jugendkreises Brakelsiek hat bei uns im Keller stattgefunden.«
Uwe-Karsten Heye Regierungssprecher von Gerhard Schröder als Ministerpräsident und als Kanzler
»Ich habe ihn kennengelernt, da saß er in Hannover als frisch angestellter Medienreferent und berichtete vor Schröder. Schröder war überrascht, denn da war einer, der unglaublich auf den Punkt sprach und sehr pragmatisch Lösungen anbot. Steinmeier hat dann sehr schnell Karriere gemacht, irgendwann war er Leiter der Staatskanzlei und alle haben das akzeptiert, selbst die heutige Justizministerin Brigitte Zypries, die ihn geholt hatte und deren Chef er dann wurde. Er wurde geliebt in der Staatskanzlei. Steinmeier hat auch dem einfachsten Mitarbeiter klar- gemacht, dass der eine sehr wichtige Funktion innehat.«
Elisabeth Schmiedeskamp Wirtin in Brakelsiek
» ›Prickel‹ « war mein Lieblingsgast: nie frech, nie ein doofer Spruch.«
Gerd Weiberg bis 2002 Expo-Beauftragter von Niedersachsen
»Als Rot-Grün 1998 die Wahl gewann, verabschiedeten sich Schröder und Steinmeier in der Staatskanzlei. Obwohl Steinmeier die kürzeste Rede von allen hielt – eigentlich sagte er nur ein paar Sätze –, wurde doppelt so lange geklatscht wie bei Schröder.«
(Lesen Sie auf der nächsten Seite: "Mich hat erstaunt, dass Herr Steinmeier nicht die Größe hatte, diesen Fehler einzugestehen.")
Michael Jürdens bis 1998 stellvertretender Pressesprecher der
Niedersächsischen Staatskanzlei
»Steinmeier hatte eigentlich nur einmal das Nachsehen, und da auch nur vorläufig: als Schröder Bodo Hombach 1998 zum Kanzleramtsminister machte. Da war Steinmeier getroffen, das muss ein Frusterlebnis für ihn gewesen sein. Ausgerechnet Hombach, der das Gegenteil von ihm war, ein Selbstdarsteller, einer, der lieber andere für sich einspannt. Natürlich hat Steinmeier die Entscheidung loyal geschluckt und die Zeit letztlich erfolgreich genutzt.«
Hans-Christian Ströbele Die Grünen, Mitglied des BND-Untersuchungsausschusses, vor dem sich Steinmeier mehrmals verantworten musste
»Ich hatte Steinmeier immer als einen Mann eingeschätzt, der alles im Griff hat. Umso mehr war ich überrascht, dass er von vielem, was im BND und Kanzleramt lief, nichts wusste. Oder er tat zumindest so. Man muss sich das mal vorstellen: Da werden nach mehrfachen Beratungen im Kanzleramt mehrere Mitarbeiter der Geheimdienste nach Guantánamo geschickt, um den Deutschtürken Kurnaz drei Tage lang zu befragen, und dann will Steinmeier nicht nachgefragt haben, was sie erfahren haben. Nicht einmal deren Berichte will er gelesen haben, obwohl er mit der entscheidenden Frage konfrontiert wurde, ob Kurnaz gefährlich ist und nach Deutschland einreisen darf. Jedenfalls hat er die Gelegenheit, diesen Mann aus Guantánamo freizubekommen, nicht genutzt.«
Bernhard Docke Anwalt von Murat Kurnaz, der 2002 bis 2006 von den USA in Guantánamo festgehalten wurde
»Die Bundesregierung hatte im Oktober 2002 die Chance, Herrn Kurnaz freizubekommen. Die Entscheidungsträger in der sogenannten Präsidentenrunde, die Chefs der Geheimdienste und der Chef des Kanzleramtes, also Herr Steinmeier, sahen dies jedoch nicht als Chance, sondern als Bedrohung. Durch die Verweigerung von Hilfe haben sich die Beteiligten schuldig gemacht. Schutz vor Folter und Entrechtung muss jedem gewährt werden, auch türkischen Staatsbürgern. Mich hat erstaunt, dass Herr Steinmeier nicht die Größe hatte, diesen Fehler einzugestehen. Das hätte ihm niemand übel genommen, und er hätte an Statur gewinnen können. Stattdessen ließ man Murat Kurnaz nicht nur in Guantánamo schmoren, nein, nach seiner Rückkehr überzogen ihn Boulevardmedien mithilfe von Herrn Steinmeier auch noch mit falschen Verdächtigungen. Herr Steinmeier hat sich hier als kaltherziger Bürokrat erwiesen.«
Hans-Christian Ströbele Die Grünen, Mitglied des BND-Untersuchungsausschusses
»Er wirkte vor dem Ausschuss zuweilen trotzig oder auch unsicher. Dann wich er in weitschweifige Erklärungen aus. Es gab Stellungnahmen von ihm zu Vorwürfen gegen den BND, die hat er anstandslos kurz darauf völlig verändert, als sie nicht mehr haltbar waren.«
Rainer Schriegl früherer Mannschaftskollege beim TuS 08 Brakelsiek
»In Deutschland brauchen wir einen wie ihn, der verlässlich ist, der
zu seinem Wort steht und nicht alle 14 Tage seine Meinung ändert.
Frank pflügt eine gerade Furche, das heißt, der sagt nicht heute so und morgen so.«
(Lesen Sie auf der nächsten Seite: "Als Mann ist Frank der klassische Kumpeltyp. Der hält dicht. Und auch die Tür auf. Nur beim Fußball versteht er keinen Spaß")
2. Mettwurst statt Müsli
Thomas de Maizière CDU, seit 2005 Kanzleramtsminister
»Als Steinmeier zum Kanzlerkandidaten ernannt wurde, habe ich mich schon gefragt, wie das für ihn ist: einst Chef des Kanzleramts, jetzt Kanzlerkandidat. Man tauscht da schließlich nicht nur Büros. Wenn ich es mit meinem Lebenslauf vergleiche, der ja in gewisser Weise ähnlich war: Ich bin als Chef der Staatskanzlei in Sachsen, sozusagen als erster Beamter, zum Minister geworden, also in die Rolle eines Ressortchefs geschlüpft. Das geht nicht so einfach, für diesen Rollenwechsel habe ich Zeit gebraucht. Es gibt sicherlich eine Menge Dinge, die man als Chef des Kanzleramts ebenso braucht wie ein Kanzler: eine sehr schnelle Auffassungsgabe; man muss bereit sein, sich in die volle Breite der Themen einzuarbeiten, Detailwissen ist nicht bei allen Themen so wichtig; man muss sehr, sehr fleißig sein und geschickt zwischen den unterschiedlichsten Interessen moderieren. Trotzdem: Als Außenminister muss er ja immer auch diplomatisch sein, das hat viel mit seiner früheren Rolle als Kanzleramtschef zu tun. Viel mehr als mit der des Spitzenkandidaten für die Kanzlerschaft. Da muss er andere Seiten zeigen. Da Steinmeier auch Vizekanzler ist, erhöht das als Kanzlerkandidat seine Beißhemmungen gegenüber der Kanzlerin. Und Steinmeier ist ein Gewächs des Berliner Apparats, er kann sich nicht hinstellen und sagen, er habe mit der Politik der vergangenen Jahre nichts zu tun.«
Helmut Kuhlmann Grundschullehrer
»Ein bisschen habe ich vielleicht zu seiner späteren Karriere beigetragen. Damals musste man Eltern, noch dazu auf dem Land, richtig überreden, ihr Kind aufs Gymnasium zu schicken. Frank kommt ja aus keinem akademischen Elternhaus. Der Vater war Tischler und die Mutter machte sich Sorgen, weil niemand aus der Familie ihrem Sohn in Englisch helfen konnte. Da habe ich gesagt: Wenn der Frank mein Sohn wäre, würde ich ihn aufs Gymnasium schicken. Das hat sie überzeugt.«
Ein enger Mitarbeiter
»Auf Reisen hat er hat zwar immer noch eine Dolmetscherin dabei, Englisch spricht er jetzt aber meist selbst.«
Ursula Plassnik österreichische Außenministerin
»Als Mann ist Frank der klassische Kumpeltyp. Der hält dicht. Und
auch die Tür auf. Nur beim Fußball versteht er keinen Spaß, das habe ich gemerkt, als wir zusammen bei der EM das Spiel Deutschland gegen Österreich geguckt haben. Bei Schwächen seiner Mannschaft leidet
er intensiv.«
Alfred Tacke wirtschaftspolitischer Berater von Schröder
»Nach der gewonnenen Bundestagswahl 1998 sind wir nach Bonn umgezogen und haben zusammen in einer WG gewohnt: Schröder, Frau Krampitz, Naumann, Jordan, Steinmeier und ich. Das war eine schöne Zeit. Jeder hatte so sein Frühstücksritual. Steinmeier hat ganz normal gefrühstückt, immer Kaffee und Brot, auf Müsli hat er zugunsten der Mettwurst verzichtet.«
Michael Berger Redakteur der »Hannoverschen Allgemeinen Zeitung«
»Kurz vor der Wahl 2002 recherchierte ich in Berlin. Ich traf viele SPD-Leute, Peter Struck und Sigmar Gabriel zum Beispiel. Die hatten die Wahl schon verloren gegeben. Es war die Zeit der Flutkata-strophe, es regnete und regnete, überall standen Eimer herum, weil es sogar ins Kanzleramt hineinregnete. Die Stimmung war unglaublich depressiv, fast gelähmt – bis ich zu Steinmeier ins Büro kam. Der war aktiv, telefonierte, war im Stress: »Einen Moment, ich muss da was mit Schröder und Schily organisieren«, hat er nur gesagt. Er war der Einzige, der die Flut ansprach, der offensiv mit der Situation umging. Aha, habe ich mir damals gedacht, der Steinmeier arbeitet, während der Rest in den Seilen hängt.«
(Lesen Sie auf der nächsten Seite: "Manchmal koche ich ihm sein Lieblingsessen: Frikadellen mit Kartoffelbrei und Sauerkraut. Und wenn er wirklich mal über Nacht bleibt, schläft er in seinem alten Zimmer.")
Julian Nida-Rümelin SPD, Philosophieprofessor und Kulturstaatsminister a.D.
»Ich war ja vorher in der Kommunalpolitik, für mich war das neu, wie wenig da auf Bundesebene miteinander diskutiert wurde, nicht weil die faul waren, sondern weil man schnell und effizient zu Ergebnissen kommen musste. Das traf auch auf Schröder zu, aber Steinmeier war der Extremste.«
Wolfgang Nowak SPD, 1999 bis 2002 Mitarbeiter im Kanzleramt
»Steinmeier war als Kanzleramtschef effizient, aber nicht kreativ.
Er hat am liebsten mit Leuten gearbeitet, die von ihm abhängig waren.«
Ursula Steinmeier Mutter
»Wenn er uns besucht, reden wir nie über Politik, das macht er doch den ganzen Tag. Manchmal koche ich ihm sein Lieblingsessen: Frikadellen mit Kartoffelbrei und Sauerkraut. Und wenn er wirklich mal über Nacht bleibt, schläft er in seinem alten Zimmer.«
3. Er kennt jeden Trick
Bernard Kouchner französischer Außenminister
»Wir haben mal gemeinsam mit türkischstämmigen Jugendlichen eine Rap-CD aufgenommen. Wir waren ein lustiges Duett, fast wie zwei Brüder! Gut, wir sind beide keine Opernsänger, aber Frank-Walter singt nicht schlecht. Übrigens viel lauter als ich, aber er hat ja auch einen größeren Resonanzraum.«
Uwe-Karsten Heye Regierungssprecher von Gerhard Schröder
»Vor ein paar Tagen waren wir auf dem Geburtstag eines gemeinsamen Freundes eingeladen, und wir hatten die Aufgabe, »Heil dir, Sonne! Heil dir, Licht« aus Wagners Ring des Nibelungen zu singen. Steinmeier hat das erst erfahren, als er ankam. Aber er hat nicht eine Sekunde gezögert, da mitzumachen.«
Friedrich Bohl CDU, 1991 bis 1998 Chef des Bundeskanzleramtes
»Es gibt auch eine Seite von Steinmeier, die bisher nicht bekannt ist und die sich beim Abgang von Kurt Beck wieder einmal gezeigt hat: Steinmeier kennt jeden Trick. Das ist mir zum ersten Mal klar- geworden, als wir von unseren Nachfolgern, der Regierung Schröder, beschuldigt wurden, im Kanzleramt angeblich belastende Akten im großen Stil vernichtet zu haben. Ein Vorwurf, der ebenso falsch wie absurd war und der folglich auch nie bewiesen werden konnte. Ich habe damals für mich akzeptiert, dass einem im politischen Kampf so etwas passieren kann, aber ich fand das Verhalten Steinmeiers schon sehr unanständig. Nicht zuletzt deshalb, weil diese Verleumdungskampagne auf dem Rücken der Mitarbeiter ausgetragen wurde, die sich nicht wehren konnten. Ich war damals sehr enttäuscht von ihm. Steinmeier hat die Geschichte immer wieder aus reinem Parteiinteresse am Kochen gehalten. So verhält man sich nicht.«
Hans-Achim Roll Abteilungsleiter im Kanzleramt von 1992 bis 1998, der von der Regierung Schröder für das Löschen von Daten im Zusammenhang mit der CDU-Spendenaffäre verantwortlich gemacht worden war. 2006 wurde Roll vollständig rehabilitiert.
»Ich bin ihm persönlich nur einmal begegnet, als er mir die Ver-setzung in den einstweiligen Ruhestand übergab. Da wirkte er sehr unbeholfen auf mich. Aber das ist ja auch eine blöde Situation, wie soll man sich da schon verhalten. Richtig kennengelernt habe ich ihn dann aber erst 2000, als er wegen der gelöschten Daten im Kanzleramt einen Strafantrag gegen mich stellte. Aber die Staatsanwaltschaft hatte damals schon nach wenigen Monaten herausgefunden, dass an der Sache nichts dran war. Trotzdem ließ das Kanzleramt jahrelang weiterermitteln. Herr Steinmeier hat mich zur Sache nie angehört, hat die abenteuerlichsten Vorwürfe abgezeichnet, selbst Unterlagen, die mir Bestechung vorwarfen. Als Folge bin ich unter anderem aus schon vereinbarten Buchprojekten rausgeflogen, und auch sonst hat die Kampagne zu Brüchen in meiner Biografie geführt, auch meine Frau hat viel abbekommen. Aber selbst jetzt, nach meiner Rehabilitierung, hat Herr Steinmeier es nicht für notwendig erachtet, sich bei mir zu melden. Ich habe ihm Anfang 2007 einen Brief geschrieben, dass er die Rehabilitierung nicht nur Kanzleramtsminister de Maizière, seinem Nachfolger im Kanzleramt, überlassen könne. Er hat nie geantwortet.«
Eckhard Nagel Medizinprofessor und Freund
»Frank weiß, dass nicht alles von Menschen entschieden wird, dass es noch eine andere Instanz gibt. Er ist ein gläubiger Mensch. Wer mal mit ihm in der Kirche war, weiß das.«
(Lesen Sie auf der nächsten Seite: "Es war eine Hitze in der Kabine, darum haben wir nackt geschlafen. Dann sind wir in Luxemburg zwischengelandet, weil der Sprit da günstiger ist, und er hat mich rausgeschmissen")
Ernst Null Steinmeiers Jugendtrainer beim TuS 08 Brakelsiek
»Frank war ein Kämpfer, kein Techniker. Ein Abräumer, der hinten rustikal dichtmacht, wie früher Berti Vogts oder Katsche Schwarzenbeck.«
Jean Asselborn luxemburgischer Außenminister
»Er hat mich mal mitgenommen im Regierungsflugzeug von der Dominikanischen Republik nach Luxemburg. Wenn der deutsche Außenminister nach Übersee fliegt, dann nimmt er dieses alte Flugzeug von Honecker, da gibt es kleine Kabinen mit zwei Betten. Es war eine Hitze in der Kabine, darum haben wir nackt geschlafen. Dann sind wir in Luxemburg zwischengelandet, weil der Sprit da günstiger ist, und er hat mich rausgeschmissen.«
Thomas de Maizière Kanzleramtsminister
»Als ich das Büro von Herrn Steinmeier übernommen habe, ist mir als Erstes aufgefallen, dass es keinen PC auf dem Tisch gab. Es stand auch nirgendwo eine Deutschlandfahne. Ich kannte ihn ja schon, da war er noch Abteilungsleiter in der Staatskanzlei von Niedersachsen, und ich muss sagen: Steinmeier hat sich seitdem kaum verändert, die Zeitlupenbewegungen im Sitzen bei Verhandlungen, das dröhnende Lachen, das mitunter übertrieben wirken kann, der sehr aufmerksame Umgang mit der Sprache, immer bedacht und kontrolliert, immer sehr gezielt. Nach meinem Eindruck ist er seitdem nicht mehr oder weniger selbstbewusst geworden; er ist ein höflicher Mensch, er schaut einem in die Augen, was bei Politikern nicht unbedingt selbstverständlich ist.«
Walter Steinmeier Vater
»Was viele nicht wissen: Frank vertrat immer die Ansicht, dass Kurt Beck verkannt wird. Laut Frank hätte er durchaus die Fähigkeit gehabt, den Kanzlerkandidaten zu machen.«
Mathias Richling Kabarettist
»Er flutscht einem ein bisschen durch die Finger, wenn man ihn imitieren will. Steinmeier hat nichts, was so charakteristisch ist wie ein »L« vom Herrn Stoiber oder das Schulterwippen von Franz Josef Strauß. Es sind ein paar kleine Details, die aber auch der Zuschauer erkennt: seinen leichten S-Fehler zum Beispiel oder sein Auge. Das hat er sich zwar operieren lassen, aber dennoch guckt er mit dem rechten Auge in die linke Hosentasche. Wenn er spricht, merkt man, dass er eben nicht die typische Parteikarriere gemacht hat. Er spricht nicht so dramaturgisch wie andere Politiker, sein Rededuktus ist, na ja, beamtig.«
Hans-Christian Ströbele Die Grünen, Mitglied des BND-Untersuchungsausschusses
»Seine heikelste Befragung im Ausschuss steht noch aus: Dabei geht es um zwei BND-Mitarbeiter, die während des Irak-Krieges aus Bagdad militärische Stellungen gemeldet haben, die dann an das US-Headquarter weitergegeben wurden, obwohl die Bundesregierung diesen Krieg doch offiziell ablehnte. Er muss sich fragen lassen: Wie konnte das passieren? Es geht um seine Glaubwürdigkeit und die der früheren Regierung. Das kann für ihn noch brenzlig werden.«
Ein enger Mitarbeiter
»Steinmeier war nie ein Parteimensch. Als Kanzler wäre er das größte Experiment für die SPD und die politische Klasse.«
Fotos: Peter Hausstätter