Es war einmal vor langer Zeit im Tessiner Onsernone-Tal. Bekanntlich ist die Schweiz reich und die Berge sind hoch, doch hier nahe der italienischen Grenze gilt beides nicht mehr so ganz: die Leute lebten früher davon, Strohhüte zu flechten, aus Roggenhalmen. Diese Halme lassen sich besser flechten, wenn das Korn bei der Ernte noch nicht ganz reif ist, für die Strohhut-Produktion wurde es also grün geerntet. Das Korn mögen nicht nur die üblichen Verdächtigen aus dem Nagetierbereich, sondern auch Getreidemotten. Um die zu bekämpfen, rösteten die Onsernonesen ihre unreifen Roggenkörner – eine ähnliche Entwicklung wie beim süddeutschen Grünkern, nur dass der aus Dinkel hergestellt wird. Gerösteter Roggen lässt sich zudem leichter zu Mehl mahlen als ungerösteter Roggen und schmeckt zudem nach Röststoffen – also besonders gut. Und so erfanden die eher armen Bewohner des abgelegenen Onsernone-Tals die Farina Bóna: das gute Mehl. Eigentlich ein Roggenmehl. Doch die Nachfrage nach Roggen-Strohhüten sank immer mehr, die Bergler begannen Mais zu essen. So wie auch im benachbarten Maggia-Tal, welches noch heute zu Recht berühmt ist für die gute Polenta in den lokalen Grotto-Restaurants. Aber weil Nunzia, die letzte Müllerin, daran gewöhnt war, das Getreide zu rösten, bevor sie es zu Mehl mahlte, begann sie auch die Maiskörner zu rösten. Das erscheint mir sehr sinnvoll, denn Maiskörner sind besonders hart. Mit einer normalen Mühle kriegt man die gar nicht richtig klein. Etwa ein Drittel der Maiskörner poppte beim Rösten. Gepoppte und geröstete Körner schüttete sie in die Mühle, das Mehl nannte sie weiterhin Farina bóna und es schmeckte sehr nussig, eindeutig nach geröstetem Mais. Nach dem Tod der Müllerin gab es eine lange Pause, bis Ilario Garbani, ehemaliger Grundschullehrer, den Mühlenbetrieb wieder aufnahm, mit dem Ziel das Leben und Zusammenleben im ganzen Tal zu fördern.
Sie können die Polenta-Gnocchi auch einfach mit normalem Polentagrieß herstellen, dann schmecken sie nicht ganz so nussig, trotzdem sehr gut. Aber ich finde die Geschichte so ermutigend, dass ich ausnahmsweise gerne auch das leider teure Porto für den Versand bezahlt habe. Es lohnt sich mehr, wenn man mehrere Päckchen bestellt und es gibt auch zwei Onlineshops, die aus Deutschland versenden, aber die legen die Kosten um, es bleibt sich ziemlich gleich.
Polenta-Gnocchi mit Farina bóna, Fonduta und Cavolo Nero
Zutaten für 4-6 Personen:
- Gnocchi
- 325 ml Milch
- 50 g Butter und 1 EL zum Schwenken Butter
- Salz
- 90 g Polentagrieß Polenta
- 30 g Farina bóna (hier oder hier und hier) Maismehl
- 2 Eiweiß (M) Ei
- Schwarzkohl
- 500 g Schwarzkohl, Cavolo nero (Alternative: Wirsing oder zarter Grünkohl) Schwarzkohl
- 2 kleine, rote Zwiebeln Zwiebel
- 2 EL Olivenöl
- Fonduta
- 200 g Fontinakäse D. O. P. aus dem Aostatal (siehe Tipp) Käse
- 100 ml Milch
- 15 g Butter (1 EL) Butter
- 2 Eigelbe (M) Ei
- Muskat, Pfeffer
1. Käse grob reiben und mit der Milch vermischt mindestens 2 Stunden bei Raumtemperatur ziehen lassen.
2. Für die Gnocchi die Milch und die Butter mit 1 Prise Salz ein einem kleinen Topf aufkochen. Grieß und Farina bóna einrühren. Die Hitze reduzieren und unter Rühren »abbrennen«, bis sich die Masse vom Topfboden löst. Vom Herd nehmen, in eine Schüssel umfüllen. Nacheinander die Eiweiße unterrühren, bis die Masse bindet. Im Kühlschrank abkühlen.
3. Schwarzkohl waschen, dicke Mittelrippe aus den Blättern schneiden, die Blattstreifen ein paar mal durchschneiden. Zwiebeln schälen und in 2 mm dicke Ringe schneiden. Schwarzkohl mit Olivenöl und 100 ml Wasser 5 Minuten zugedeckt dünsten, dabei leicht salzen. Rote Zwiebeln zugeben, nochmal 5 Minuten dünsten. Vom Herd nehmen.
4. Einen großen Topf mit leicht gesalzenem Wasser aufkochen, mit feuchten Händen aus dem im Kühlschrank abgekühlten Teig etwa 35 Knödel formen, bei sehr schwacher Hitze 10 Min. köcheln lassen.
5. Käse-Milch-Mischung mit 15 g Butter in einer Metallschüssel über einem passenden Wasserbad erhitzen, bis der Käse geschmolzen ist. Dabei ständig mit einem Holzlöffel rühren. Sobald Milch und Käse sich zu einer relativ dicken Masse verbunden haben, nacheinander die beiden Eigelb unterrühren. Dadurch wird die Fonduta erst einmal flüssiger, dann aber cremig. Das dauert 5-10 Minuten. Währenddessen darf die Mischung nicht zu heiß werden, das Wasser im Topf soll also nur sehr leicht kochen. Sobald die Fonduta cremig wird, sofort vom Herd nehmen und in einen zweiten Topf umfüllen. Mit Muskat und einer Prise Pfeffer abschmecken.
6. Gnocchi aus dem Wasser heben, tropfnass mit 1 EL Butter in einer Pfanne oder Schüssel durchschwenken, mit dem Gemüse anrichten und mit Fonduta überziehen (falls die Fonduta schon zu kalt geworden sein sollte, evtl. nochmal ganz vorsichtig erwärmen und ein oder zwei Esslöffel warme Milch unterrühren).
Technik-Tipp
Eine »Fonduta«, die italienische Fonduevariante mit Fontinakäse aus dem Aostatal, wird im Unterschied zum klassischen Schweizer Käsefondue mit Milch und Eigelb gebunden. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass eine wirklich cremige »Fonduta« nur mit Fontinakäse aus Rohmilch wirklich perfekt gelingt. Profitipp vom Käsestand: halb gereiften, halb milden Fontina DOP verwenden. Das Rezept braucht etwas Fingerspitzengefühl und Geduld, doch es lohnt sich.