Seltsame Bekanntschaften

Dauergrüßer, Ursurfer, Wanderwissenschaftler, Aus-dem-Fenstergucker, Downhillfahrer, Trendsportleichen - an der frischen Luft trifft man jede Menge komischer Typen.


    Berühmte Wanderer - und der Inhalt ihrer Rucksäcke
    Ein Interview über ein deutsches Phänomen: das Wandern.
    Manche Leute erkennt man kaum wieder, sobald sie Sport treiben.
    Uwe Behrens, Sylter Ursurfer, über ein Leben am Strand.
    Hut ab, Hut auf, Hut ab. Wider des Wanderers Grußwahn.
    Sven Regener, Autor und Sänger, über einen besonderen Outdoor Sport.
    Trendsportarten, die sich nicht durchsetzen konnten - kein Wunder.


    Wasn da drin? Berühmte Wanderer - und der Inhalt ihrer Rucksäcke


    Martin Heidegger
    Als der Philosoph 1966 mit dem Chef des Spiegels, Rudolf Augstein, unterwegs zu seiner Hütte oberhalb von Todtnauberg im Südschwarzwald war, schleppte er Obst aus seinem Garten in Freiburg mit (Äpfel, Birnen, Kirschen, Zwetschgen, Mirabellen), ein Manuskript, an dem er weiterarbeiten wollte, ein Fläschchen Markgräfler Gutedel, ein Buch, das er auf der Hütte zu Ende lesen wollte, und eine Jacke. Landkarten nahm er nie mit – er kannte die Gegend.

    Ötzi hatte bei seiner Durchquerung der Ötztaler Alpen vor 5300 Jahren verschiedene einfache Werkzeuge bei sich: Klingenkratzer, Bohrer, Knochenahle. Auch ein prähistorisches Feuerzeug (bestehend aus Zunderschwamm und Pyrit) und Birkenpilze mit blutstillender Wirkung hatte er bei sich. Um ehrlich zu sein: Sein Rucksack war eher so etwas wie eine Gürteltasche. Che Guevara trug 1967 zum Zeitpunkt seiner Verwundung im Dschungel von Bolivien eine Menge Bücher herum: Das Kapital (Karl Marx), Sie kommen! (Paul Carell), Neue Wirtschaftsgeschichte Boliviens (Luis Peñaloza Cordero), Socavones de angustia (Fernando Ramírez Velarde) sowie ein Lehrbuch für analytische Geometrie. Außerdem eine Pfeife, ein Taschentuch seiner Mutter als Talisman, ein Tagebuch und eine Nagelschere.

    Meistgelesen diese Woche:


    »Große Entspannung bei moderater Anspannung« Der Geograf Heinz-Dieter Quack erforscht ein deutsches Phänomen: das Wandern. Ein Interview.

    SZ-Magazin: Professor Quack, Ihr Tourismus-Institut führt gerade eine große Wanderstudie durch. Wandern ist ja unfassbar beliebt. Aber warum eigentlich?
    Heinz-Dieter Quack:
    Es geht leicht, jeder kann ohne besondere Ausrüstung vor der Haustür starten. Das unterscheidet es von den meisten anderen Sportarten.

    Andererseits fehlt dem Wandern doch das große euphorische Erlebnis, das geschossene Tor oder der Geschwindigkeitsrausch.
    Jein. Der Adrenalinausstoß fällt beim Wandern sicher geringer aus als beim Bungee-Jumping – wenn ich mich aber auf das längere gemächliche Gehen einlasse, kann durchaus so etwas wie ein Glücksgefühl entstehen.

    Kann Wandern süchtig machen?
    Sagen wir so: Es macht nachhaltiger glücklich als ein Bungeesprung. Das Glücksgefühl beim Wandern ist sanfter und wirkt länger.

    Also eher was für die Älteren …
    Nein, und das ist das Überraschende: Bis vor 15 Jahren gab es Nachwuchsprobleme bei den Wanderern, aber die sind überwunden. Die Gruppe der Neuwanderer zwischen Ende zwanzig und Ende dreißig wächst stark. Diese jungen Wanderer laufen übrigens gern in Zweiergruppen, allenfalls mit ein, zwei befreundeten Paaren, während ältere Wanderer gern in größeren Gruppen unterwegs sind.

    Täuscht der Eindruck, oder ist Wandern ein typisch deutsches Hobby?
    Gar nicht mal so sehr. Das deutsche Vereinswesen kennt man im Ausland nicht. Aber in Frankreich ist die Nachfrage nach Wanderwegen zum Beispiel noch stärker gestiegen als in Deutschland. Ganz Westeuropa wandert gern und häufig, im Osten ist die Tradition weniger verbreitet. Ich glaube, alle alten industrialisierten Länder eint das Verlangen nach großer Entspannung bei moderater Anspannung.

    (Mitte 2010 erscheint die Wanderstudie des Europäischen Tourismus Instituts.)

    Weekend Warriors: Manche Leute erkennt man kaum wieder, sobald sie Sport treiben. Hier der Technikchef des SZ-Magazins.
    So sehen Radfahrer aus, die sich auf ihren Mountainbikes Hänge, Wiesen und ausgetrocknete Bachläufe hinabstürzen, die Disziplin heißt »Downhill«. Fehlt nur: das Rad.

    Das Material, von oben nach unten:
    Uvex Supersonic Tourenhelm mit Belüftungsöffnungen, Fliegennetz und reflektierenden Aufklebern.
    Radar Livestrong Oakleys Sonnenbrille mit iridiumbeschichteten Linsen.
    E Race Boa Trinkrucksack von The North Face mit magnetischem Beißventil.
    Exit Trikot von Scott mit Netzeinsätzen für Luftzirkulation.
    Vario Thermo Armlinge von Löffler aus klimaregulierenden Stretch-Thermofasern.
    Protection Classic Ellenbogenprotektoren von Powerslide.
    Polar RS 100 Pulsmesser mit Anzeige für Energieverbrauch und Herzfrequenz.
    Colt Handschuhe von Ziener mit Schockregulierung.
    Cycle Atmungsaktive 3 / 4-Shorts von Skins. Mit Polstern an den empfindlichen Stellen.
    Knee Guard Revolution Knie- und Schienbeinprotektoren von Dainese mit Hartplastikschale und Schaumstoffpuffer.
    Gran Canion 2 GTX Atmungsaktiver Mountainbikeschuh von Northwave, der sich in Fußpedale einklinken lässt.

    Mehr Meer geht nicht: Uwe Behrens, Sylter Ursurfer, über ein Leben am Strand.
    SZ-Magazin: Herr Behrens, Sie haben das erste Surfbrett aus Frankreich mit nach Deutschland gebracht, 1962, und als einer von einer Handvoll Surfpionieren das Wellenreiten auf Sylt etabliert. Fast fünfzig Jahre im Meer – wie verändert das den Körper?
    Uwe Behrens:
    Ich wurde neulich am Rücken operiert. Die Ärztin meinte, meine Haut sei dick wie Elefantenhaut, sie komme kaum durch.

    Ihr Sohn surft, Ihre Tochter, die Enkelin. Gibt es in Ihrer Familie auch Stubenhocker?
    Nö. Wir entstammen einer alten Seefahrerfamilie. Ich bin jeden Tag draußen: Fischen, Wellenreiten, im Winter zumindest ein paar Stunden am Strand.

    Was ist Ihnen draußen am wichtigsten: das Meer, die Luft, der Sand?
    Die Stimmung. Am schönsten ist sie von Mitte Mai bis kurz nach Mittsommer. Ich surfe lieber morgens, da fällt das Licht schön aufs Meer. Man sieht gelegentlich Seehunde – ich hatte sogar einmal einen Tümmler mit in der Welle.

    Zieht es Sie auch mal weg aus Sylt?
    Ich fahre zum Surfen weg, nach Australien oder Südamerika. Da gibt es Strände, da dachte ich, ich bin auf Sylt. Aber die Wellen sind dort wesentlich höher.

    Sind Sie auch mal drinnen, genießen einen Abend am Kamin?

    Im Winter vielleicht, ja, aber im Sommer bin ich nie drinnen. Nie.


    Hut ab, Hut auf, Hut ab. Wider des Wanderers Grußwahn.

    »Grüß dich«, »Hallo«, »Guten Tag«, »Berg Heil«, »Servus« ­ das nervt.
    Nirgendwo wird so konsequent alles weggegrüßt, was entgegenkommt, wie auf dem Berg. Dabei hat kein Mensch Lust, auch dem hundertsten Wanderer fröhlich zu winken. Schluss damit. Hier eine Empfehlung des Alpenvereins: Bis 1300 Meter Höhe muss nicht mal reagiert werden, bis 1800 Meter reicht dann ein Nicken. Grüßen sollte jedoch, wer höher steigt. Denn dort sind wenige, und so dient der Wandergruß wieder seinem ursprünglichen Zweck: Es soll sich niemand einsam fühlen auf dem Berg.

    Mit einfachsten Mitteln: Sven Regener, Autor (Herr Lehmann) und Sänger (Element Of Crime), über einen besonderen Outdoor Sport.
    SZ-Magazin: Im September erscheint das neue Album Ihrer Band. Es beginnt mit dem Song Kopf aus dem Fenster. Worum geht es da?
    Sven Regener:
    Sich ans Fenster zu setzen, die Arme auf die Fensterbank zu legen und rauszugucken; das ist einfach großartig.

    Im Text heißt es: »Kopf aus dem Fenster / Und Arme aufs Brett / Und dann scheiß auf den Kaktus / Der ist böse und heiß.«

    Da verbinden sich der Yogi und der deutsche Hausmeister. Die Leute machen Himalaja-Trekking und buddhistische Sandmalereien, aber alle Erkenntnisse, die sie dabei suchen, finden sie auch beim Fenstergucken.

    Muss man dazu etwas Besonderes lernen?
    Es geht im Grunde darum, stundenlang regungslos am Fenster zu sitzen und nur ab und zu den Kopf nach links und rechts zu drehen. Sich an der Bewegung der anderen zu erfreuen, ohne sich selbst zu bewegen. Man ist halb drinnen und halb draußen, allein und doch unter Menschen. Das hat eine große philosophische Tiefe. Auch weil es natürlich wirklich egal ist, ob draußen etwas passiert oder nicht.

    Man sieht heute allerdings weniger Fenstergucker als früher.
    Es ist eine aussterbende Kunst. Die Rentnergeneration, die jetzt heranwächst, ist dafür zu aktiv. Ich baue da auf meine Altergenossen: Wenn wir mit 75 oder 80 endlich in Rente gehen können, sind wir wahrscheinlich erschöpft genug, um diese schöne Tradition wiederzubeleben.

    Falls sie nicht schon vorher von der Freizeitindustrie zum neuen Trend ausgerufen wird.
    Dann würden die Menschen beim Fenstergucken knallbunte Klamotten tragen wie die Nordic Walker, die Arme gestützt auf pinkfarbene Spezial-
    kissen. Dadurch würde die Tätigkeit vom Yogisch-Philosophischen ins Aggressive umgemünzt. Tja, zu einigen Westberliner Rentnern würde das passen.


    Trendsportleichen: Bei vielen Sportarten fragt man sich, warum sie sich nicht durchsetzen. Bei
    diesen hier eher nicht.


    Frisbeegolf Zielwerfen auf Metallnetze. Wie »Hols Stöckchen« ohne Hund.
    Bikepolo Wäre lustig, ließe man das Fahrrad weg. Hieße dann aber eben:
    Hockey. ­
    Headies Kopfballtischtennis. Sieht aus wie ein Unfall beim Rundlauf. ­ Speedminton Für Menschen, denen Badminton zu langsam ist. Gibt es
    die? ­
    Powerisen Känguruschuhe, wie High Heels mit Sprungfedern. Wer stehen
    bleibt, kippt um. ­
    Snakeboard Skateboard-Raubkopie. Doofer Name, blöde Lenkung, 40 Jahre zu spät. ­
    Streetsurfing Snakeboard-Raubkopie. Doofer Name, blöde Lenkung, noch später. ­
    Ray-Boarding Wasserski und Tauchen in einem. Der Trend 2009. Ganz bestimmt.