Darf ich mal kurz Werbung machen? Ich liebe Kinderschokolade. Auch in der Variante »Kinder Riegel«. Gibt’s am Kiosk, kostet nur ein paar Cent, herrlich. Jahrelang war meine Freude ungetrübt. Bis vor ein paar Wochen. Seitdem zeigt das Fernsehen Werbespots, in denen die Entertainerin Barbara Schöneberger an einer Bushaltestelle – ach, lassen wir das die Marketingabteilung von Ferrero am besten selbst erklären, die freuen sich dort so über ihre Idee: »Eine Bushaltestelle irgendwo in einer deutschen Stadt. Einige Leute sitzen nebeneinander auf der Bank und warten mehr oder minder gelangweilt auf den Bus – bis Barbara Schöneberger ins Spiel kommt. Die genießt erst mal einen Kinder Riegel. Dann kommt ihr die Idee. Kurzerhand spielt sie mit den anderen Wartenden ›Stille Post‹.«
Seitdem mag ich keine Kinder Riegel mehr. Ich möchte nicht jedes Mal, wenn ich in ein Stück Schokolade beiße, das Gefühl haben, Frau Schöneberger würde mich von der Seite anflüstern. Im Fernsehen, im Radio, in Zeitschriften – seit Menschen Dinge verkaufen, gibt es auch Menschen, die Rang und Ruf einsetzen, um den Verkauf zu fördern. Die »Testimonials« (Werbersprache) sollen einen »Image-Transfer« (Werbersprache) bewirken: Die Qualitäten, die der potenzielle Käufer dem Prominenten zuschreibt, Ausstrahlung, Vertrauenswürdigkeit, Verlässlichkeit, sollen sich auf das Produkt übertragen. Die Werbetreibenden hoffen: Wenn der Kunde das Produkt sieht, muss er immer an den Star denken. Negativer Nebeneffekt: Wenn er das Produkt sieht, muss er immer an den Star denken.
Was tun, wenn ich gern alles Mögliche kaufe, aber auf den Promi-Unsinn gut verzichten könnte? Nichts zu machen. Ein Gang durchs Einkaufszentrum – praktisch alles ist behaftet mit Prominentenverweisen, wie befallen von einer Art Testimonial-Feinstaub, der sich in alle Ritzen drängt und den Blick aufs Produkt vernebelt. Das ist Promi-Kontamination: Einen günstigen Wochenendflug bei Air Berlin erwischt? Prompt hat man das Gefühl, Johannes B. Kerner sitze auf 7F und stelle einem sülzige Fragen. Gerade ein neues Samsung-Handy besorgt? Schon hat man Michael Ballack vor Augen, wie er mit dem Handy in einer albernen Foto-Lovestory rumknipst. Eine Packung Müsli im Reformhaus holen? Da grinst eine riesige Christine Neubauer aus Pappe über das Regal und nimmt einem die Lust aufs Frühstück. Endlich für eine Haftpflichtversicherung bei DAS entschieden? Schon hat man den Eindruck, Boris Becker tätschelt einem väterlich den Rücken.
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Cheeseburger und Heidi Klum, EnBW-Strom und Franz Beckenbauer – es ist nicht leicht, überhaupt noch etwas zu finden, bei dessen Kauf man nicht automatisch einen Anteil Promi miterwirbt. Die Werbeträger drängen sich auf, wie ungebetene Gäste, die man nicht auf der Party haben wollte, die aber trotzdem allen anderen blöde Gesellschaftsspiele aufzwingen. Stille Post. Aber in sehr laut.Eine Studie, die von McKinsey-Mitarbeitern 2006 durchgeführt wurde, zeigt, dass der Anteil der Testimonials innerhalb der Werbung seit Jahren steigt, von einst drei Prozent (1993) auf 14 Prozent (2005) und immer weiter. In den Medien und an den Universitäten ist das Phänomen schon lange Thema, es gibt Dissertationen und Fachbücher (gerade erschienen: Celebritywerbung – Grundlagen und Wirkung). Unternehmensberatungen arbeiten an immer neuen Verzahnungen von Stars, Produkten und Absatzmärkten.
Einen Höhepunkt erreichte das Prinzip letztes Jahr mit dem Universalwerbeträger Franz Beckenbauer während der WM, bis heute ist die Erinnerung diffus: Kaiser Handy Weißbier Post Luftblasen gelbe Bälle Tor ja-gut-äh. Und immer noch hat man bei vielem, was er damals bewarb, das Gefühl, egal wo und zu welchem Preis man es kauft, man bekommt sowieso immer: Beckenbauer.
Möglicherweise war das aber auch so was wie die Wendemarke. Der Beckenbauer-Overkill, der die Leute in den Marketingab-teilungen stutzig machte. Die Werbung mit dem Kaiser wurde nach der WM drastisch runtergefahren. Fachzeitschriften und Wirtschaftsressorts begannen, kritisch über Testimonials nachzudenken. Vor ein paar Monaten befasste sich das Handelsblatt mit dem Werbewert von Prominenten und befand, das Prinzip sei nicht immer zum Vorteil der Marke. Das Marktforschungsinstitut Imas hat eine Studie durchgeführt, die zum Beispiel den Werbeeffekt von Günther Jauch prüfen sollte, Ergebnis: Nur 38 Prozent der Befragten konnten sich daran erinnern, für welche Marken genau er eigentlich wirbt. Und jetzt wurde das Ende einer der bekanntesten Promi-Werbungen überhaupt verkündet: Noch bis vor Kurzem setzte O2 auf Beckenbauer, Veronica Ferres und andere Berühmtheiten, im Juli gab die Firma bekannt, dass die Verträge aufgelöst seien. Zu teuer, zu wenig ergiebig. Jetzt lieber reine Produktwerbung.
Wenn alles gut geht, erledigt sich das Phänomen Promi-Werbung ja vielleicht ganz von selbst. Nur einer bleibt von all dem völlig unberührt: Thomas Gottschalk. Seit 1991 wirbt er für Haribo, das hat ihn letztes Jahr sogar ins Guinness-Buch der Rekorde gebracht, für den Rekord »Längste Beziehung zu einem werbetreibenden Unternehmen«. Irgendwie hat man sich dran gewöhnt, dass man einen Moderator in albernen Klamotten vor sich sieht, wenn man Gummibärchen nascht.
Andererseits… Gerade sind neue Haribo-Spots angelaufen. Ich habe es seit zwei Wochen unbeschadet an jedem Werbeblock vorbeigeschafft, aber in Bild stand, der »TV-Gigant« spiele da eine Supermarkt-Kassiererin, »die Fingernägel lang und schreiend pink, die Lippen in wildem Rosa, das ondulierte Haar in sehr rotem Rot«. Ich kann’s mir nur zu gut vorstellen. Leider.
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