SZ-Magazin: Wenn Sie mit der Spider Murphy Gang auf der Bühne stehen, scherzen Sie manchmal über Ihre Körpergröße. Lassen Sie uns über kleine Männer sprechen.
Barny Murphy: Über unsere Körpergröße? Günther Sigl: 1,62 Meter mit Absatz.
Murphy: Das ist doch nicht wichtig.
Sigl: Würde ich auch sagen, wenn ich, so wie du, zehn Zentimeter mehr hätte. Für mich ist das schon ein Problem. Manchmal komme ich im Hotelzimmer nicht an den Spiegel ran. Oder muss auf dem Klo versuchen, das Gleichgewicht zu halten, weil meine Füße den Boden nicht erreichen. Ich habe damals bei der Bundeswehr den Führerschein gemacht, auf einem Fünftonner. Da musste ich immer eine Decke mitbringen, sonst hätte ich die Straße nicht gesehen. So konnte ich zwar oben herausschauen, kam aber unten nur noch schwer an die Pedale. Das war der Horror.
Hatten Sie auch gravierendere Probleme durch Ihre Größe?
Sigl: In der Jugend war meine Größe schon ein Nachteil bei den Frauen. Als kleinerer Mann fällst du durch das Raster, wirst einfach übersehen. Die meisten Frauen haben ein ganz bestimmtes Männerbild: 1,80 Meter groß, schwarzhaarig, Flamencotänzer, braune Glutaugen. Oder auch blond und blauäugig. Aber am liebsten 1,80 Meter groß. Also braucht man etwas, womit man diesen Makel kompensiert. Ich hab dann Musik gemacht. Und kaum stand ich auf der Bühne, waren die Hasn hinter mir her: große, kleine, dicke und dünne.
Murphy: Was hat die Körpergröße denn mit Musik zu tun? Viele Rockstars sind eher von kleiner Statur. Prince, Freddie Mercury…
Sigl: Auf der Bühne und im Fernsehen ist die Größe kein Problem. Aber wenn die Leute mich dann live sehen, sind sie schockiert: »Im Fernsehen sahen Sie viel größer aus.«
Wären Sie denn gern größer?
Sigl: Klar. Es heißt zwar immer, Frauen lieben zuerst mal Männer mit Humor, aber das ist Unsinn. Wenn du klein bist, wollen sie dich nicht, da kannst du noch so lustig sein. Du bist eben nur ein Kleiner. Ist ja auch blöd. Wenn ich eine 1,80 Meter große Frau wäre, würde ich auch nicht mit einem 20 Zentimeter kleineren Mann herumlaufen wollen.
Und was ist mit kleineren Frauen?
Sigl: Das ist das nächste Problem. Die großen Männer nehmen immer die kleinen Frauen. Ich sehe häufig einen 1,90 Meter großen Typen mit einer 1,60 Meter kleinen Frau. Das stinkt mir wirklich! Da denke ich immer: Herrschaftszeiten, das wäre doch eine für mich. Stellt euch mal vor, ich hätte eine dreißig Zentimeter kleinere Frau – die wäre dann 1,30 Meter groß. Wenn sie dazu noch jünger wäre, würde man mich glatt verhaften.
Haben Sie Schwierigkeiten im Alltag?
Sigl: Es ist frustrierend, wenn ich einkaufen gehe. Wegen der Konfektionsgrößen. Wenn ich zum Beispiel mal ein Jackett sehe, das mir gefällt, kann ich es meist nicht kaufen. Passt nicht. Und wenn ich mal etwas in meiner Größe finde, sieht es total konservativ aus. Oben auf der Bühne ist das alles kein Problem. Aber müsste ich mich jetzt irgendwo bewerben, hätte ich wesentlich schlechtere Karten als die Großen. Ich habe ja früher mal als Bankkaufmann gearbeitet. Hinter dem Schalter hat man mich beinahe nicht gesehen. Und in einer Hotelbar ist die Theke oft zu hoch. Da knall ich mit dem Kopf dran.
Sie machen Witze.
Sigl: Natürlich macht man seine Scherze darüber, aber oft ist das gar nicht so lustig.
Murphy: Jetzt mal ehrlich: Ich bin seit mehr als 35 Jahren mit Günther auf der Bühne und mich hat die Körpergröße noch nie gestört. Mich stört nur, wenn er mal falsch spielt. Darüber sollten wir reden, über die Spider Murphy Gang.
In Ordnung. Macht es Ihnen wirklich immer noch Spaß, Skandal im Sperrbezirk zu spielen?
Sigl: Der Song ist toll, weil er so eine Energie hat. Die Leute singen mit, als hätten wir einen aktuellen Hit.
Murphy: Wir wollen die Leute unterhalten. Und wenn der Song immer noch ankommt, warum sollten wir ihn nicht spielen? Wir haben ihn zwar schon ein paar tausend Mal gespielt, aber jetzt wissen wir immerhin, wie das geht.
Sigl: Jimi Hendrix hat doch auch immer wieder Hey Joe gespielt.
Murphy: Den habe ich übrigens mal live gesehen.
Bestimmt ein prägendes Erlebnis!
Murphy: Der Auftritt hat mir gefallen. Gestunken hat mir, dass er seine Gitarre verbrannt hat. Er hatte eine Fender Stratocaster! Und er hat sie angezündet. Ich hatte damals eine gebrauchte Framus-Gitarre, eine Kopie der Stratocaster. Ich hätte so gern eine echte gehabt. Und dann verbrennt er seine vor meinen Augen! Das Ding hat geheult und gejammert, und er hat immer wieder Benzin darauf gespritzt. Das war Wahnsinn. Aber während er Gitarre gespielt hat, stand ich mit großen Augen da und dachte: Aha, so geht das also.
Sigl: Das war eine Superzeit, Ende der Sechziger, Anfang der Siebziger. Da war hier Aufbruchstimmung. Nächtelang sind wir durch Schwabing gezogen, haben im Englischen Garten gelagert, Zwei-Liter-Bomber Lambrusco geleert und im Sommer an der Isar geschlafen.
Die Spider Murphy Gang gibt es seit dreißig Jahren. Haben Sie mal daran gedacht aufzuhören?
Murphy: Nein.
Sigl: Ja.
Was denn nun?
Sigl: Es gibt immer Zeiten, da haut man sich die Köpfe ein und denkt: »Ach, leckt mich doch!«, aber letzten Endes…
Murphy: Ich wüsste auch gar nicht, was ich sonst machen sollte.
Ihre Fans sind ebenfalls älter geworden. Kommen auch Jüngere dazu?
Murphy: Wir sind ja keine aktuelle Band. Aber die älteren Fans bringen manchmal ihre Kinder auf unsere Konzerte mit.
Sigl: Die zwingen ihre Kinder mitzukommen.
Sie haben in einer wilden Zeit Rock’ n’ Roll gespielt. Hatten Sie auch Groupies?
Murphy: Es hat nie Groupies gegeben. Nur Freundinnen.
Sigl: So ein Schmarrn. Ihm ist das bloß unangenehm. Natürlich gab es Groupies.
Murphy: Für mich waren das Freundinnen.
Sigl: Bei mir war das so eine Sache. Manchmal kamen Fans nach den Konzerten auch ins Hotelzimmer, und wenn ich dann reinkam, riefen sie: »Was? Du bist ja klein!«
Mögen Sie eigentlich größere Frauen?
Sigl: Eine große Frau – das wäre schon mal toll. Sie könnte mich auf den Arm nehmen. Von anderen Sachen ganz zu schweigen. Nein, ganz im Ernst: Da ist schon eine Schwelle. Auf beiden Seiten. Trotz Interesses. Aber als Lebensgefährtin hab ich eine kleinere Frau. Sie ist 1,56 Meter groß. Das ist leichter zu handhaben. Meine Freundin hatte früher schon mal größere Männer. Aber die konnte sie so schlecht küssen, hat sie erzählt.
Ist es Ihnen eigentlich unangenehm, über die Größe zu sprechen?
Murphy: Das ist eigentlich eher unangenehm für die Menschen, die ein Problem damit haben.
Sigl: Es ist ja oft so, dass die Nichtbehinderten mit Behinderten mehr Probleme haben als andersherum. Die wissen nicht, wie man etwa mit einem Kleineren umgehen soll. Ich stehe mit großen Leuten zum Beispiel nicht gern nah beisammen. Da stelle ich mich dann einfach ein bisschen weiter weg. Ist eine Treppe da, steige ich auch ein, zwei Stufen hinauf. Trotzdem bin ich häufig immer noch kleiner. Auf der anderen Seite: Ich bin ja auch nicht 1,35 Meter.
Murphy: Ich weiß gar nicht, was das soll. Die Körpergröße ist doch eigentlich belanglos.
Sigl: Was heißt hier belanglos?
Murphy: Ich finde es belanglos.
Sigl: Natürlich kann man sagen, Größe spielt keine Rolle. Aber das stimmt nicht. In der Schule habe ich mich zum Beispiel immer mehr behaupten müssen als andere. Als Kleiner kriegst du schon mal eher eine Watschn. Auf die Idee kommt man bei einem Großen nicht so leicht. Nach dem Umzug von Karlsruhe nach Landsberg musste ich mich gleich am ersten Schultag raufen. Ich war schnell und wendig, hatte ganz gut Kraft. Irgendwie habe ich mich immer durchgesetzt.
Wie ist es denn bei Ihnen gewesen, Barny Murphy?
Sigl: Barny ist mit 1,72 Meter – darf ich das kurz einwerfen – auch einer von den Kleinen. Damit liegst du heutzutage schon hinten in der Riege. Guck dir zum Beispiel Mehmet Scholl an, eher klein gewachsen. Man wundert sich, wie der ein Kopfballduell gewinnen kann.
Murphy: Weil er höher springt. Man setzt sich einfach durch. So wie Günther das gesagt hat. Das war bei mir genauso. Ich habe damals Handball gespielt. Ich war klein, schnell und bullig. Als Kleiner kannst du zwischen den Großen durch den Kreis schlüpfen. Mein Handballtrainer sagte: Du darfst bloß nicht größer werden, nur breiter.
Sigl: In meiner Kindheit hat mal ein Mädchen zu mir gesagt: »Du Dreikäsehoch!«
Murphy: Und was hast du gemacht?
Sigl: Ich habe ihr eine geschmiert.
Murphy: Jawohl!
Sigl: Ich war echt sauer. Danach hat aber nie wieder jemand Dreikäsehoch zu mir gesagt.
Murphy: Ich bin ja im Westend aufgewachsen. Landsberger Straße, im Glasscherbenviertel. Da musste man sich automatisch durchsetzen. Und ich war gefürchtet.
Sigl: Aber wenn dich so ein Großer erwischt, so ein Monster…
Murphy: Du darfst ihn nur nicht nah genug herankommen lassen. Als kleiner Mensch brauchst du gar nicht anzufangen, mit einem Großen zu ringen. Du musst ihn vorher flachlegen. Als Kleiner ist man einfach aggressiver, geht schnurgerade auf ihn zu – und Ruhe.
Sigl: Ja, kleine Männer sind giftig. Oft nicht zum Aushalten.
Murphy: Aber die Raufereien auf dem Schulhof waren damals noch anders. Lag einer am Boden, war Ende; nicht wie heute, wo dann erst recht noch mal draufgetreten wird. Das war eher ein Kräftemessen. Ist auch schon lange her.
Wie war das denn bei Ihnen mit den Frauen? Waren Sie da auch draufgängerisch?
Murphy: Nein, da war ich schüchtern.
Sigl: Schüchtern waren wir alle mal.
Murphy: Aber ich konnte die Schüchternheit durch das Gitarrespielen kompensieren. Ich war der Einzige, der am Lagerfeuer auf der Gitarre ein paar Songs spielen konnte.
Sigl: Ja, Gitarrespielen ist schön. Ein probates Mittel.
Murphy: Sehr probat. Du kannst den Mädels die Knie weich singen. Du brichst sie sozusagen auf 1,60 Meter herunter.
Es heißt, kleine Männer seien die besseren Liebhaber?
Sigl: Sowieso. Das Thema wollte ich immer schon mal auf die Bühne bringen. Das ist schon lustig, man ist gefordert, muss sich was überlegen. Aber als Wassermann bin ich ohnehin kreativ und fantasievoll.
Kann es sein, dass Sie kokettieren?
Murphy: Ich glaube, das mögen die Mädels ganz gern, wenn einer ein wenig mit seiner Größe kokettiert. Und im Endeffekt doch keine Angst hat.
Sigl: Man muss sich was einfallen lassen.
Murphy: Wie in der Bibel: David gegen Goliath. Und am Ende gewinnt David.
Günther Sigl, 60, ist Sänger und Bassist, Barny Murphy, 53, Gitarrist der Spider Murphy Gang. Seit 30 Jahren spielt die Band Rock’n’Roll, bevorzugt mit bairischen Texten. Ihre Hits wie »Skandal im Sperrbezirk« oder »Schickeria« werden sogar von Orchestern interpretiert – zum Beispiel auf dem Oktoberfest. Am liebsten und besten spielt die Spider Murphy Gang allerdings immer noch selbst. Konzerte unter: www.spider-murphy.de.