Baaba Maal, seit Ihrem letzten Album sind acht Jahre vergangen. Was haben Sie in der Zwischenzeit gemacht?
Viele Dinge, zum Beispiel im Senegal ein großes Festival namens »The Blues Of The River« organisiert; dafür musste ich lange mit der Regierung verhandeln. Und ich habe mir auch Zeit genommen, um die Songs auf dem neuen Album zu schreiben. Ich wollte mich nicht hetzen lassen.
Sie waren bei politischen Pop-Events wie »Live Earth«" und dem Großkonzert in Edinburgh anlässlich des G8-Gipfels dabei. Was kann man mit solchen Veranstaltungen erreichen?
Die Musik kann die Leute an all die wichtigen Dinge erinnern, die auf der Welt getan werden müssen. Besonders in Afrika, wo wir dringend die Armut bekämpfen müssen! Solche Konzerte können den politischen Führern das Gefühl vermitteln, dass die Welt auf ihre Entscheidungen wartet.
Der »Song For Women« auf ihrem Album enthält die Botschaft, dass die Welt besser wäre, wenn Frauen mehr zu sagen hätten.
Davon bin ich überzeugt. Afrika ist dafür ein gutes Beispiel. Seit ungefähr zehn Jahren engagieren sich mehr und mehr afrikanische Frauen in Politik, Wirtschaft und Kultur. Anders als viele Männer haben sie die Fähigkeit, gemeinschaftlich zusammenzuarbeiten und mit Entschlossenheit und Beharrlichkeit die Lösung eines Problems zu verfolgen. Ich bin ein Mann, aber ich muss akzeptieren, dass die Frauen vieles besser machen als wir.
»Internet, Handys, Fernsehen – diese Kommunikationstechniken werden das Leben in Afrika verbessern.«
Sind Frauen weniger anfällig für Gier und Korruption?
Ich glaube, Frauen sind aufrichtiger miteinander. Wenn sie ein Projekt durchführen, respektieren sie einander, anstatt einander zu bekämpfen. In Afrika, wo ich mich am besten auskenne, sehe ich das überall: bei meinen Schwestern, ihren Freundinnen, vielen anderen Frauen. Die afrikanischen Frauen sind oft sehr, sehr arm, aber sie haben den Willen, die Lebenssituation ihrer Familien zu verbessern.
Die afrikanische Politik wurde stets von den »big men« dominiert, den allmächtigen Patriarchen.
Ja, aber wenn Sie sich das politische Leben in Afrika angucken – Wahlen, Demonstrationen, Kundgebungen –, sehen Sie heute viel mehr Frauen als früher.
Kürzlich ist Omar Bongo gestorben, der Präsident von Gabun, einer der letzten Diktatoren alter Schule. Geht da gerade eine Ära zuende?
Es ist nicht nur Omar Bongo. Seit dem Jahr 2000 sind überall auf der Welt und besonders in Afrika diese autokratischen Regime verschwunden. Die jungen Leute in Afrika sind mit dem Rest der Welt verbunden, sie wissen über diese Entwicklungen genau Bescheid. Alles wird sich verändern. Wir müssen einige Dinge aus unserer Tradition bewahren, aber uns auch ans moderne Leben anpassen: Internet, Handys, Fernsehen – diese Kommunikationstechniken werden das Leben in Afrika verbessern. Das ist ein Grund dafür, dass ich mein neues Album Television genannt habe.
In Europa glauben viele Leute immer noch, dass man in Afrika eher mit der Buschtrommel als mit dem Handy kommuniziert.
Totaler Quatsch. Afrika ist sehr modern! Die Menschen dort passen sich schnell an Veränderungen an. Besuchen Sie irgendeine Familie im Senegal – die Chancen sind groß, dass nachmittags der Fernseher läuft. Man sieht Sport, Ringer, das senegalesische Theater, alte Videoclips – die Leute lieben es! Jeder schaut heute Fernsehen, deshalb sage ich in meinem Song, dass Fernsehen auch gefährlich sein kann und dass wir das Medium benutzen sollen, um die UN-Milleniumsziele zu verbreiten. Das Fernsehen fasziniert alle Afrikaner und wir können das nutzen, um die Menschen zu informieren, sogar in den abgelegensten Dörfern.
Dafür müssten die Sendungen neben Unterhaltung auch Bildung enthalten.
Beides liegt in Afrika eng beieinander. Nehmen Sie die Musik: Viele Lieder sind aus dem Leben gegriffen, die Menschen erwarten, aus Liedern etwas zu lernen. Sie tanzen, schauen fern, hören sich Musik an – und lernen dabei etwas.
Im vergangenen Jahr fanden erstmals die »MTV African Awards» statt. Kann das Fernsehen dabei helfen, eine afrikanische Identität zu etablieren?
Ja, wenn es richtig benutzt wird. Vor zwei Jahren war ich in Südafrika und habe dort eine sehr beliebte Sendung besucht, das Big-Brother-House. Die haben eine Woche den Milleniumszielen gewidmet. Junge Menschen aus fünf verschiedenen Ländern waren in dem Haus. Ich habe mit ihnen über Dinge wie Armutsbekämpfung geredet und ihnen dabei eingeschärft, dass sie diese Botschaft weitergeben sollen, wenn sie nach Ende der Sendung zurück in ihre Länder gehen und dort Interviews geben, Schulen besuchen oder einfach nur Leute treffen, weil sie jetzt berühmt sind. Andere Gäste im Big-Brother-Haus haben über Umweltpolitik geredet, wieder andere über Malaria, HIV/Aids. Das war super. Jeder sagte: Wow, wir können das Fernsehen benutzen, um die Menschen in Afrika weiterzubilden. Die Sendung ist albern, aber man kann damit trotzdem etwas bewirken.
Ihr Album klingt sehr modern. Wie finden Sie die richtige Balance zwischen Synthesizern und traditionellen afrikanischen Instrumenten?
Einige der Klänge, die ich in meinem Kopf höre, kann ich nicht mit afrikanischen Instrumenten machen – der Klang des Windes, des Wassers, des fallenden Regens. Für solche Klänge brauche ich Keyboards. Aber die Talking Drum ist weiterhin da. Afrikanische Trommeln, meine Art zu singen, die Melodien – bei aller Modernität ist all das zutiefst afrikanisch.
Ihr Album klingt auch deshalb so gut, weil einer der besten Toningenieure der Welt daran mitgearbeitet hat: Jerry Boys.
Ich wollte ihn unbedingt haben! Ich liebe seinen Touch. Er hat ja auch das Album Buena Vista Social Club aufgenommen – das hat mich sehr bewegt, nicht nur die Musik, auch der Sound. Mir ist sehr wichtig, dass jemand zuhören kann, wenn du erklärst, was du dir vorstellst. Jerry Boys ist da sehr sorgfältig.
Der blinde Gitarrist Mansour Seck ist auch auf dem Album dabei. Sie beide sind schon seit Jahrzehnten musikalische Partner – können Sie trotzdem kurz zusammenfassen, was er für Sie bedeutet?
Ich bin manchmal ein bisschen anstrengend, weil ich zu neugierig bin. Mansour wird immer derjenige sein, der mich am Rock zieht und sagt, komm zurück auf die Straße, die wir beschreiten, seitdem wir gemeinsam Musik zu machen. Er ist ein Referenzpunkt für mich.
Als Sie jung waren, sind Sie zusammen mit Mansour Seck als wandernder Musiker durch Westafrika gezogen. Steckt immer noch etwas von diesem Wandersmann in Ihnen?
Oh ja, ich bin ein Nomade. Ich liebe es zu reisen. Ich liebe es, neue Orte kennenzulernen, mit den Leuten zu sprechen.
Damals haben Sie auf dem Dorfplatz unterm Sternenhimmel gespielt, heute vor einem Millliardenpublikum im Fernsehen.
Ob ich vor zwei Leuten oder vor einer Milliarde Leuten auftrete, ist für mich dasselbe. Und wir machen es immer noch so wie ganz am Anfang: Im August bin ich wieder im Senegal und werde einige Konzerte in kleinen Dörfern spielen. Wir essen mit den Leuten dort und wenn es Zeit ist, gehen wir auf die Bühne und spielen – manchmal die ganze Nacht lang.