Lady Gaga, lassen Sie uns über einige Ihrer Kostüme reden. In Glastonbury und vorher in Toronto haben Sie einen BH mit Flammenwerfer getragen. Sah ziemlich unbequem aus.
Nein, der war sehr sicher. Es waren auch keine Flammen, sondern Funken. Haus of Gaga, mein Design-Team, hat ihn entworfen.
Sind Ihre Brüste Ihre Waffen?
Nein, die Inspiration für dieses Kleidungsstück kam von einem meiner Spitznamen: Meine Freunde nennen mich »Heiße Titte«.
Dennoch haben solche Kostüme eine symbolische Bedeutung: Der weibliche Körper erscheint als gefährliches Objekt, an dem sich die Männer die Finger verbrennen können.
Das Teil wurde für »Pokerface« entworfen, einen Song über das Spiel der Liebe, über Betrug. Die Interpretation liegt im Auge des Betrachters, aber natürlich machen wir uns Gedanken über die Bedeutung der Kostüme. Ich denke ständig an die Botschaft meiner Arbeit.
Auf dem Cover des Rolling Stone waren Sie in einem Kleid aus Seifenblasen zu sehen. Für mich ein Kommentar zur Vergänglichkeit des Starruhms – schließlich heißt Ihr Erfolgsalbum The Fame.
Ein Kleid, dass Hussein Chalayan vor einigen Jahren entworfen hat, hat mich dazu inspiriert. Wir wollten für die Fotosession eigentlich dieses Original-Seifenblasenkleid, aber es befindet sich in einem Museum in London und wir hätten es nicht rechtzeitig bekommen können. Also haben wir es mit Plastikkugeln nachempfunden. Ich liebe Seifenblasen, weil sie flüchtig und traumartig sind. Die Seifenblasen sind für mich weniger eine Prophezeiung über den Ruhm, als vielmehr eine Prophezeiung über Liebe, Kunst und Launen des Augenblicks. Ich glaube an die Kraft des Träumens.
»Ich versuche, Pop und Kunst eins werden zu lassen«
In Malta trugen Sie neulich eine Art Gesichtsmaske.
Das ist ein zeitgenössisches Kunstwerk von einem neuen Künstler, der ein Freund von uns ist. Ich liebe dieses Werk so sehr, dass ich beschloss, es anzuziehen. Alle drei Kleidungsstücke, die Sie erwähnt haben, trage ich wegen ihrer Schönheit. Und weil sie Kunst sind.
Die Maske sah sehr verstörend aus. Als seien Sie gefesselt und geknebelt.
Ich bin besessen von SM-Mode, sexuellen Masken. Außerdem fasziniert mich der Gedanke, dass das Visuelle die Musik in den Schatten stellen kann.
Im Rolling Stone haben Sie gesagt: »I think I’m changing what people think is sexy«. Wie haben Sie das gemeint?
Zu Beginn meiner Karriere hat niemand das, was ich anzog, sexy gefunden, sondern eher seltsam. Man hielt mich nicht für sexy, sondern für androgyn. Jetzt, fast zwei Jahre später, wird über mich als sexuelle Person berichtet. Ich ziehe mich sexy an, ich rede über Sex, ich bin provokant – und ich werde angemacht. Was ich sagen will: Wo ich herkomme und wo ich jetzt bin sind zwei verschiedene Orte, und deshalb denke ich, dass ich die Leute dazu gebracht habe, anders darüber zu denken, was an mir sexy ist.
Es geht es aber doch nicht nur um Sie persönlich, sondern um das Image eines weiblichen Popstars im Jahr 2009.
Das ist richtig. Ich versuche, Pop und Kunst eins werden zu lassen, hohe Kunst und Mode mit kommerzieller Mainstream-Musik zu kombinieren. Darum geht’s bei Lady Gaga.
Bei Ihrem Konzert in München haben Sie auf der Bühne gesagt, Sie hätten Penis-Neid. Ein Witz, oder?
Nein, das war ernst gemeint. Ich habe Penis-Neid.
Aber diese Idee von Sigmund Freud wird von Feministinnen seit langem belächelt.
Ich bin keine Feministin. Ich glaube an die sexuelle Freiheit und Macht der Frauen, aber ich feiere auch die Männer und ihre Sexualität. Und ich liebe die schwule Kultur.
Wie fanden Sie die Fernsehshow zum Abschied von Michael Jackson?
Ich habe nicht genug davon gesehen, um eine Beobachtung zu machen.
Ist die Popkultur mit Michael Jackson gestorben?
Ohne Michael Jackson weiß ich nicht mehr, in welcher Welt ich Musik mache; aber ich bin jemand, der an die Macht des Showgeschäfts glaubt. Ich bin im Showgeschäft, ich kenne das Showgeschäft. Und Michael Jackson war der König des Showgeschäfts.
Ich finde, dass Sie die Popkultur wiederbelebt haben – durch Mund-zu-Mund-Beatmung.
Vielen Dank. Popkulturelle Wiederbelebung und Liebe bedeuten mir viel. Ich rede immer davon, dass es niemals falsch ist, Popkultur und Kunst zu lieben. Im Grunde genommen arbeite ich vor allem daran, Pop am Leben zu erhalten und größer werden zu lassen.
Wird die Popkultur jemals sterben?
Ich hoffe nicht.