Das ist also das schmiedeeiserne Tor, durch das meine Kinder jetzt gehen werden. Es lässt sich schwer öffnen. Im Treppenhaus riecht es fremd. Altbau, erster Stock, ich klingele. Es ist Annas Wohnung, vor der ich stehe. Ich soll restliches Feriengepäck abholen und Anna, Jans neue Freundin, bei der Gelegenheit kennenlernen.
Ich bewege mich langsam. Gerne hätte ich dieses Treffen um eine Woche verschoben. Vielleicht auch zwei. Aber nun ist es vereinbart und ich denke, es ist wie mit Pflastern: Die muss man schnell abreißen, sonst ziepen sie.
Vier Tage vorher hat Jan die Kinder zu mir gebracht. Braune Mädchen mit einem zerzausten Vater, sie sind aus den Ferien zurückgekehrt. Ich bin jetzt zu sechst, hat er noch unten in meinem Hausflur gesagt, und dass er erwartet werde. Dann ist er gegangen. Zu sechst? Ja, erklären die Mädchen aufgeregt, denn Papas neue Freundin Anna hat auch zwei Kinder, sechs und zwölf Jahre alt, und eine große Wohnung, und da werden sie einziehen, bald, also nächste Woche, und dann werden sie zu sechst leben, zusammen mit den neuen Patchwork-geschwistern. So haben sie sich das überlegt auf dem Campingplatz, auf dem sich Anna und Jan geküsst haben, das haben alle gesehen.
Meine Töchter trippeln vor mir auf und ab, so leicht fühlen sie sich, weil ihr Vater nicht mehr traurig ist. Er öffnet nun die Tür von Annas Wohnung, die auch seine sein wird. Ich trete ein, laufe durch hohe Räume und lächele. Mir gefällt, was ich sehe. Ich möchte liberal und aufgeschlossen sein, neugierig und warmherzig. Ich möchte es besser machen als meine Eltern, die es selten länger als eine Übergabe lang auf Türschwellen miteinander aushielten. Jan und Anna sitzen am Küchentisch vor dem offenen Holzofen und rauchen. Ich sitze gegenüber und schaue ihnen dabei zu, wie sie sich eine Zigarette teilen. Das ist also das neue Cast. Die Frau, die meine Kinder mit prägen wird. Sie werden zusammen lachen und mit ihr essen, was sie zubereitet. Vorlieben teilen oder sie ablehnen. Auf die Welt schauen.
Anna ist mir sympathisch. Aber ich denke in diesem Moment, dass unsere Liebe willkürlich ist, und das, was gut oder zeitgemäß sein soll am Patchworkleben, Schönrederei. Vater, Mutter, Kinder – sind nur mehr eine Frage der Perspektive und des Engagements. Verhandelbares Glück. Für einen Moment bin ich mutlos. Bei allem, was jetzt kommt, ahne ich, müssen wir uns besondere Mühe geben.
Illustration: Grace Helmer