Wir sitzen auf einer großen Decke, zwei Mütter am Muttertag im Englischen Garten, kurz nach elf, die Augen zusammengekniffen, es ist so hell. Die Kinder sind am Fluss, da erzählt Anna eine Geschichte der letzten Woche, dass es nämlich spät wurde und sie kein Brot mehr hatten, an der Tankstelle gehalten haben und Martha mit drei Packungen Toast zum Auto zurückgekehrt sei. »Wieso drei?« fragte Anna, und Martha habe geantwortet: »Zwei auf Vorrat.« Daraufhin, sagt Anna, habe sie Martha erklärt, dass die Tankstelle kein Laden für Vorratskäufe sei und Martha habe zwei zurückgegeben.
Wir lachen. Ich sehe meine Tochter mit Annas Schein in der Hand in den Shop stürmen und mit schön viel Brot im Arm herausrennen, ein Marthamoment, weiß Anna, weiß ich. Ich fühle mich plötzlich, als hätte ich eine Party verpasst, wichtige Sache, diese Tankstellenlektion, ob ich auch so klug reagiert hätte? Hätte ich nicht vielmehr geschimpft und geflucht, dieses Kind, so ein Blödsinn? Aber dann erinnere ich mich daran, dass Mütter anderer Kinder einen Bonus haben ähnlich der einer Tante. Sie können Fehler weglachen und werden dafür bewundert, mit ihnen fühlt sich das Großwerden an wie ein Spiel.
Ich habe die Mütter anderer angehimmelt, in manche war ich verliebt. Ich wollte ihnen gefallen und so werden wie sie - elegant, lustig. Lulus Mutter hat mir beigebracht, wie man Mango isst: »Probiere doch mal«, der Satz der Familie, den ich nun als Erwachsene wiederhole. Ich bewunderte die alten Möbel ihres Hauses, die Marmorkommode im Bad, den Schmuck, der darauf lag, und war mir sicher, dass nichts so gut roch wie die Nivea-Creme, die sie und ihre Töchter benutzten. Meine Nachbarsmutter Sophie, eine Französin, hat für uns gekocht, selbst wenn sie wieder mal fastete, und mir gezeigt, wie man es schafft zu wirken, als würde einen nichts auf dieser Welt anstrengen.
Ich habe mir vorgestellt, wie das wäre, Kind dieser anderen Mütter zu sein, mit ihnen das lustige Leben zu teilen, das sie offenbar führten. Und ertappe mich dabei, wie ich es selber inszeniere, wenn Louise ihre Freundin zu Besuch hat, die ich mag. Ich spüre, wie sie mich beobachtet und höre plötzlich Radiosender, die ich sonst wegen Kopfschmerzgefahr abdrehe. Ich mache grenzwertige Witze, trage beim Kochen goldene Glitzerpumps und kaufe Schokopudding mit Sprühsahne. Die Freude meiner Töchter spiele ich herunter, als gäbe es den jeden Tag. Sie nehmen es einfach hin, ob Pudding oder Anerkennung - am Ende gewinnen wir alle.