Jan steht vor der Tür, zusammen werden wir mit Annas Auto einen gebrauchten Sessel abholen. Für Louise. So ein Sessel, findet sie, sei ein gemütliches Ding und lasse ihr Kinderzimmer erwachsener wirken. Bunte Kissen im Rücken, Katze Karoline auf dem Schoß, Bücherstapel unter einer Stehlampe mit warmem Licht, so stellt sie sich das vor. Unbedingt, erklärt Louise, brauche sie ein solches Möbelstück.
Ist nicht weit, sage ich, gleich ums Eck. Jan fährt. Er wirkt, als wäre er in Eile. Ist er aber nicht, er muss es nicht sein. Es ist Samstagmittag und der Aufwand absehbar, wir sind schon da. Fünfter Stock, Sessel gegen Geldschein, dann hilft uns der Verkäufer, Vater von drei Jungs, das Möbelstück nach unten zu tragen. Jan sagt kaum etwas. Früher haben wir in solchen Momenten ganze Biografien ausgetauscht. Pingpong, so ein Paar sind wir und welches seid ihr? Aber jetzt ist Jan damit beschäftigt, 98 Treppen lang etwas zu tragen, das nicht in seiner Wohnung stehen wird. Auf ihm lastet das Gewicht aller Möbel, die wir gemeinsam gekauft haben, während ich Smalltalk versuche.
Seine Schwere macht mich bange, sie hat mich fast die Zuneigung meiner Kinder gekostet in den Monaten nach unserer Trennung. Jan war ein rasender Vater, ich eine stumme Mutter. Martha und Louise hielten sie sich an den, der traurig war und wie sie wollte, dass alles so bleibt wie es war. Sie litten mit, wichen mir aus. Und auch wenn Jan nie schlecht über mich sprach, so sahen sie doch in seinem dunklen Gesicht, dass ihre Mutter nicht mehr die Heldin sein konnte, die sie bisher gewesen war. Es tut mir leid, sagte Jan später, dass ich eure Beziehung belastet habe. Sie brauchen dich.
Den anderen wertzuschätzen trotz des eigenen Kummers - vielleicht eine der größten Herausforderungen ehelicher Nachkriegszeiten. Heute kann ich meinen Töchtern die verehrte Mutter sein, Jan ihnen ein guter Vater, weil wir es uns gegenseitig erlauben und auch so empfinden. Wir sind ihre ersten großen Lieben. Es wäre bitter, wenn Wut uns zwingen würde, sie zu schmälern. Unsere Wertschätzung füreinander stabilisiert Martha und Louise. Ihr seid richtig auf dieser Welt, erzählt sie. Mache ich spitze Kommentare, seufzen die Kinder sie weg, ach Mama. Die Häme fällt auf mich zurück.
Was ist? Frage ich Jan im Auto. Nichts, sagt er, müde. Dann fragt er, wie viel der Sessel neu gekostet hätte, weil er weiß, dass ich das nicht recherchiert habe. So wie damals, als ich das Sofa... Blödmann, antworte ich. Wir lachen, sind leicht für einen Moment. Uns zu verzeihen, uns wachsen zu lassen, diese Aufgaben werden uns als Eltern lebenslang begleiten, denke ich, und dass wir eben erst begonnen haben.
Illustration: Grace Helmer