Folge 50: Familie in doppelter Besetzung

Um ein Kind großzuziehen, braucht man ein ganzes Dorf. Sagt ein afrikanisches Sprichwort. Unsere Teilzeit-Mutter hat dagegen gelernt: Erziehung geht auch als One-Man-Job.

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Kein Mensch ist alleine ein Mensch, schreibt der norwegische Schriftsteller Karl-Ove Knausgård. Keine Mutter ist alleine eine Mutter, denke ich und erinnere mich, wie Jan und ich einander bedingt und ergänzt haben. Was dem einen fehlte, glich der andere aus, ohne es zu merken. Wir glätteten uns. Waren nicht weiter definiert als so ein Vater. So eine Mutter. Familie waren wir, das reichte uns.

Bis wir auseinandergingen. Natürlich, das haben wir uns versichert, werden wir ein Elternpaar bleiben, und doch sind wir jede zweite Woche vereinzelt. Praktisch erziehen wir ohne den anderen, wir sind jetzt Solisten. Anfangs wusste ich meinen Text nicht recht. Was spricht eine Mutter, wie verhält sie sich ohne den Anspielpartner, der sie dazu gemacht hat? Unvorbereitet stand ich meinen Mädchen gegenüber, so bin ich und wie seid ihr?

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Wir haben es herausgefunden. Haben uns daran gewöhnt, eine Familie in so etwas wie einer doppelten Besetzung zu sein. Jan und Anna und ich treten unabhängig voneinander auf und bleiben doch aufeinander bezogen. In der Fachsprache heißt das teilerziehen, wir sind grundsätzlich nicht alleine. Jan vergleicht unser Gefüge mit dem alter Großfamilien, und zitiert das afrikanische Sprichwort: Um ein Kind großzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf. Eine schöne Idee, unmöglich zu leben.

Sie verführt mich, Verantwortung abgeben zu wollen wie damals, als wir nur rufen mussten: Bin eben weg, komme in zwei Stunden wieder. Es ist Sonntagnachmittag, Kinderwoche, und ich werde eingeladen in ein türkisches Bad. Dort war ich noch nie, dort möchte ich hin, und Jan sagt am Telefon, geh’ ruhig, Martha und Louise können zu mir kommen und mit mir Holunderblüten pflücken. Aber das wollen sie nicht. Ungerechte Welt, denke ich, beruhige mich und erkenne, die Kinder fordern mich stumm ein. Zuhause bleibend ziehe ich die Grenze nach, die unsere Besetzungen trennt.

Sie zu schützen ist meine Aufgabe, begreife ich. Stelle ich sie einer Laune folgend in Frage, werden Martha und Louise unruhig. Geh’ nur, sagen sie, ein mattes Angebot, ich lehne es ab und löse ein altes Versprechen ein: Ich beobachte ihre Bedürfnisse, kümmere mich um sie. Mag ich auch teilerziehend sein, es fühlt sich nicht so an. Als Solistin teile ich meine Verantwortung mit Jan nur mehr in Gesprächen, in gemeinsamer Sorge. Zu anderen Zeiten stehe ich ungewaschen und ungeglättet vor meinen Töchtern und entscheide mich immer wieder neu, eine bestimmte, nämlich ihre Mutter zu sein.