Ich stehe in der Küche und schneide eine Zwiebel, als Louise vom einem Treffen mit Freunden zurückkehrt. Donnerstagabend, sie stellt ihre Tasche ab und schaut mir zu. »Was gibt's?«, fragt sie, »Gemüse«, antworte ich. Sie schaut stumm, und mich weht es melancholisch an, etwas ist passiert, spüre ich und weiß, dass ich jetzt nicht fragen sollte, was. Sie schweigt sich aus unserer gemeinsamen Welt heraus in eine eigene. Sie schützt das eben Geschehene vor mir, bis sie es einordnen kann, denke ich. Das einzige was jetzt verbindet und tröstet, ist der Duft einer angebratenen Zwiebel.
Seit einigen Monaten teile ich meine Töchter nicht nur mit ihrem Vater und dem zweiten Zuhause. Sie verschwinden an einen dritten Ort, zu dem weder Jan noch ich Zugang haben. Er ist privat. Wieder ein Abschied, aber diesmal fällt er mir nicht schwer, er ist natürlich. Er ergibt sich, wie ich mich ergebe in die Momente neuer Zurückweisung: »Mama, bitte gehe raus, ich telefoniere / ich ziehe mich um / ich putze Zähne / ich dusche.« Bisher bin ich mit der einfachen Frage: »Und dann?« immer weitergekommen. Sie stand am Anfang meist ausführlicher Erzählungen. Jetzt fragen Martha und Louise zurück: »Wie, und dann?«
Ich wehre mich gegen ihre neuen Geheimnisse und bohre in Details. Ich ignoriere mögliche Peinlichkeiten, und das, gebe ich zu, macht auch Spaß. Meine Fragen sind nicht ernst gemeint, umso ernster aber ist die Scham, die sie auslösen. Einmal springt Louise auf den Balkon, so heiß ist ihr und mir tut mein Bohren sofort leid. Ich erinnere mich an mein kindliches Rotwerden, hinter dem die Erwachsenen die Wahrheit vermuteten.
Ich habe verstanden, dass mein Fragerecht modifiziert wurde. Ich kommentiere nicht mehr die Verrenkungen, in denen meine Töchter Nachrichten tippen, die ich nicht lesen soll. Nicht die Telefonkonferenzen mit Freunden, bei denen sie klingen, als wäre Kreide im Spiel. Ich nehme es hin, dass Umarmungen in der Öffentlichkeit abgeschüttelt werden. Manchmal spreche ich mit Jan darüber. Wir erzählen uns, was wir wissen über diesen dritten Ort. Wir tragen das Leben unserer Töchter zusammen wie die Handlung einer noch unveröffentlichten neuen Serienfolge: Wie, sie hat einen Freund? Wissen wir, was das heißt?
Patchwork ist eine pubertätsfreundliche Lebensform. Im Wechsel zwischen zwei Haushalten versendet sich eine Menge brisanter Neuigkeiten, und Freunde werden dorthin eingeladen, wo gerade keiner zuhause ist. Ich bin stolz auf diesen dritten Ort, an dem so viel passiert. Irgendwann werde ich wieder mehr über ihn erfahren, hoffe ich, während ich den Tisch decke. An diesem Abend habe ich noch einmal Glück. Louise erzählt mir, was passiert ist beim Freundestreff. Es bleibt, das habe ich ihr versprochen, privat.