Dass sie zusammen kommen, erfahre ich von Louise. Sie wollen bei Oma übernachten, meiner Mutter. Jan und Anna, Annas Schwester, Annas Kinder, Louise und Martha und ein Klassenkamerad. Acht Menschen und ein Hund, die mit Kanus reisen und bei meiner Mutter einkehren. Ich komme nach, verspreche ich. Mein Vater wird ein Fest geben, er wohnt in der Nähe meiner Mutter, da bietet es sich an, vorbeizuschauen und die Zusammenkunft zu bewundern. Ich bin stolz auf die Gastfreundschaft meiner Mutter, für die Patchwork lange etwas war, das sie auf Türschwellen verhandelte. Sogar meine Großmutter macht mit und bereitet Nudelauflauf zu.
Gegen Mitternacht erreiche ich mein Elternhaus, es ist dunkel. Sie schlafen im Wohnzimmer, flüstert meine Mutter, und zeigt auf die verschlossene Tür. Sie erklärt: Sie ist zu, der Hund soll nicht die Katzen jagen. Das verstehe ich, nur hätte ich gerne meine Kinder geküsst, eine Woche habe ich sie nicht gesehen. Sie liegen aber hinter dieser Tür als Teil einer anderen Besetzung, die gerade privat ist. Meine Mutter hat mir das Bett in meinem ehemaligen Kinderzimmer bezogen.
Am nächsten Morgen fotografiere ich wie ein Tourist. Ein vertrauter Ort, nun neu besetzt. Ich beobachte, wie gut es sich in großer Runde isst, erzählt, erinnert. Bald kenne ich die Geschichten auswendig, als wäre ich dabei gewesen. Ich lache mit, höre zu. Mir fällt auf, dass es sehr viele Menschen sind und ich nur ein einzelner, dass ich verlieren werde, sollte ich mich ihnen in den Weg stellen. Autos fahren vor, Jans Bruder taucht auf, um die Boote zu verladen, es soll weitergehen, nur Martha und Louise bleiben.
Um zwölf ist es abrupt still. Wir hängen auf Stühlen, unfähig, uns zu bewegen. Louise beginnt eine Geburtstagskarte: Lieber Opa, alles Gute zu deinem 60. Geburtstag. Weiter kommt sie nicht, sie wird die Karte vergessen. Wir erreichen das Gartenfest meines Vaters knapp. Waren die Kinder eben noch Teil einer Großfamilie, so stellen wir uns hier als Trio vor. Die Besetzung für eine Nacht, bevor meine Ex-Schwiegermutter Martha und Louise am nächsten Morgen abholt, um sie dem Patchwork hinterherzufahren.
Als sie weg sind, setze ich mich in den Garten und rauche. Meine Mutter steht hinter mir und legt ihre Hände auf meine Schultern. Seit 36 Jahren versuchen wir, Familie zu sein. In unterschiedlichen Formen, an unterschiedlichen Orten. Eine Aufgabe, die wir nicht abgeben können, die uns an unsere Grenze führt, an der wir schweigend festsitzen. Ich denke Fußballsätze: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Wir waren gut aufgestellt und haben alles gegeben. Wir werden noch Einzelgespräche führen, damit sich keiner verletzt. Leer und verschwitzt steige ich in den Zug nach München.
Illustration: Grace Helmer