Wenn die amerikanische Zeitschrift Vanity Fair den Facebook-Gründer aufs Cover nimmt, erwartet man einiges. Sie haben Whoopy Goldberg in Milch baden lassen, die frisch umoperierte Caitlyn Jenner in eine Push-up Corsage gesteckt und Arnold Schwarzenegger im Retro-Skilook vor Bergpanorama abgelichtet. Drunter machen sie es nicht. Und dann erscheint das Oktober-Heft und es ist: das langweiligste Titelbild aller Zeiten. Mark Zuckerberg sitzt da und trägt das, was er immer trägt, ein graues T-Shirt.
Der Mann wurde die letzten Jahre nie in etwas anderem gesichtet und wann immer das zur Sprache kommt, macht er den gleichen Witz: Dass es nicht nur eine, sondern tatsächlich mehrere Versionen des T-Shirts gibt – zur Freude seiner Mitarbeiter. Wenn es bei Facebook immer so lustig zugeht, müssen die jungen Leute dort wirklich einen Riesenspaß haben.
Natürlich gibt es auch noch eine ernsthafte Erklärung für seinen Einheitslook. Er ist nämlich sehr beschäftigt damit, das größte soziale Netzwerk der Welt zu pflegen, deshalb habe er schlicht keine Zeit, sich morgens mit so törichten Entscheidungen zu beschäftigen, wie: Was frühstücken, was anziehen? »Ich verwende meine Energie lieber darauf, tolle Produkte zu entwickeln.«
Aha, Komplexitätsreduktion also. Hat er sich wahrscheinlich bei Steve Jobs abgeguckt, der bekanntlich fast ausschließlich schwarze Rollkragenpullover trug. Viele Menschen legen sich der Einfachheit halber eine Uniform zu, die dann auch als Markenzeichen funktioniert. Die meisten Kulturschaffenden tragen schlicht Schwarz. Die meisten hanseatischen Anwältinnen immer weiße Bluse. Jean Paul Gaultier zieht nur Matrosenshirts an. Der Unterschied: Keiner der Genannten würde diesen Aufzug als Dienst am Gemeinwohl darstellen. Und sie kämen auch nie auf die Idee, allen, die sich morgens durchaus Fragen wie »blau oder rot?«, »7/8 oder ¾-Länge?« stellen, zu sagen, welche Zeitverschwendung das eigentlich ist.
Was Zuckerberg nicht weiß, weil er ja zu sehr damit beschäftigt ist, sein Netzwerk zu pflegen: Die neue Gucci-Linie wäre geradezu perfekt für ihn. Statt weit aufgeknöpftem Hemd, wofür Gucci einst berühmt war, wird dort jetzt der »Nerd-Look« oder »Geek-Chic« gefeiert. Zuckerberg mit halbtransparenter Schluppenbluse und Horst-Tappert-Brille – das wäre ein hübsches Vanity-Fair-Cover geworden! Aber der Mann hat eben seine Prinzipien.
Im Übrigen würde Zuckerberg sicher darauf bestehen, dass Geeks und Nerds bei ihm nicht einfach in einen Topf geworfen, sondern die Begriffe fein säuberlich getrennt werden. Dem Nerd geht es bekanntlich vor allem um intelligente Informationen, ein Geek ist jemand, der keineswegs nur wertvolles Wissen, sondern insgesamt viel Zeug ansammelt. Gucci ist – sieht man sich die Kollektion genauer an, eher geeky und nicht nerdy, falls jemand bereits darüber nachdachte, sich diesem Trend des IQ-Anstrichs wegen anzuschließen.
Bleibt noch zu klären: warum grau? Und nicht weiß? Oder schwarz? Warum nicht Facebook-Blau? Grau ist nach der allgemeinen Farbenlehre schön neutral, sachlich. Leider aber auch ein bisschen mittelmäßig. Weiß dagegen wäre zu puristisch, Schwarz funktioniert mit Zuckerbergs rötlichen Teint nicht gut, ist vielleicht auch zu sehr Steve Jobs ohne Kragen. Außerdem passt Grau perfekt zu Computergehäusen aller Art. Nicht zu vergessen: die-graue-Zellen-Assoziation.
Würden wir morgens nicht so viel Gehirnmasse vorm Spiegel verplempern, wir wären bestimmt gleich drauf kommen.
Wird getragen von: Facebook-Gründern, Informatik-Studenten, Calvin Harris.
Wird getragen mit: ganz egal.
Typischer Instagram-Kommentar: Hey Mr. Fifty Shades of Grey!
Das sagt die Stylistin: Heute mal verrückt sein und das Grau-Gestreifte probieren?
Foto: Bloomberg / Gettyimages Pietro D'Aprano