Seit jeden Tag irgendwo ein langer Stoffballen ausgerollt wird und Stylisten die früher so amüsanten »Carpet Crimes« verhindern, ist das Rote-Teppich-Geschäft – um im Bild zu bleiben – leider etwas abgelatscht.
Dann und wann allerdings gibt es doch noch sehenswerte Ausreißer und sogar Trends zu beobachten. Nicht Abendrobentrends versteht sich, Sachen fürs halbnormale Leben, um mal all jenen Leuten zu widersprechen, die sich immer darüber beschweren, diese aufgetakelten Prominenten hätten nichts mit ihnen zu tun, weil sie ja nur alle vier Jahre zu einer Hochzeit gehen und dann das schulterfreie schwarze Kleid aus dem Schrank ziehen, das ja noch wie neu ist.
Bei der Verleihung der Emmys war beispielsweise gerade unschwer die Farbe dieses Herbstes abzulesen. Emma Roberts, Carice van Houten, Maisie Williams – gefühlt jede dritte Frau trug: zartrosa. Also genau die Farbe, die auch Miuccia Prada und Dolce & Gabbana für diese Saison promoten und die sonst eher bei der Queen verortet wird, die zugegebenermaßen wirklich nicht viel mit dem normalen Leben zu tun hat, weil sie bei Abendveranstaltungen im Palace auch gern mal Eric Clapton fragt, was er beruflich eigentlich so mache.
Zartrosa also. Auch genannt: pale pink. Schwierige Nuance. Fleckanfällig (deshalb so aristokratisch), besser mit heller Haut zu tragen (dito), dann wiederum gefährlich, dass alles irgendwie verschwindet.
Nicht exakt die Argumente, mit denen Stylisten ihre Klientinnen überreden, so ein Kleid zu tragen. Wahrscheinlich haben sie eher so etwas wie »Statement-Dress« gepredigt, mal etwas tragen, das Eindruck hinterlässt, weil man eben nicht das Naheliegende, das ewige Schwarz oder Rot, sondern das vermeintlich Abwegige wählt und selbstbewusst sagt: »Ich kann das tragen!«
Man denke nur an Gwyneth Paltrow im rosafarbenen Ralph-Lauren-Kleid bei ihrem Oscargewinn 1999! Ein Auftritt, den wirklich niemand je vergessen wird, was auch mit ihrem legendären Heulanfall zu tun haben könnte, aber das nur nebenbei. Sicher fiel auch das Totschlagargument, dass Zartrosa gerade der Riesen-Trend ist, weshalb man es damit schnurstracks auf die »Best dressed«-Liste der Vogue schafft. Blöd nur, wenn alle Stylisten das Gleiche erzählen.
Immerhin kann man diesen Frauen nicht vorwerfen, sie würden sich als Sexobjekte stilisieren lassen. Kein Mann hat je den Satz gesagt: »Komm Schatz, zieh doch noch mal das hübsche rosa Kleid an!«, jedenfalls nicht, wenn die betreffende Person das Grundschulalter überschritten hat.
Rosa ist eine Frauenschwäche, die von Zeit zu Zeit durchbricht. Die einen wollen sich, Jane-Austen-mäßig, mal ganz rein und sinnlich geben. Die anderen signalisieren, postfeministisch, genau das Gegenteil: Dass sie heutzutage verdammt noch mal alles tragen können, was sie schön finden – Herzchenketten, 1000-Euro-Sneaker mit Blumen drauf, rosa Mäntel – ohne deshalb gleich auf das Intelligenzniveau einer Mortadella zu sinken.
Das alles erklärt auch die kürzliche Aufregung bei den neuen iPhones 6. Natürlich hat Apple nicht einfach gesagt, wir haben hier ein neues iPhone mit rosa Gehäuse extra für Frauen entworfen. Sie haben ja schließlich für viel Geld wichtige Modeleute eingekauft, etwa Angela Ahrendts von Burberry, den ehemaligen CEO von Saint Laurent, und fangen jetzt an, ihre Produkte wie Luxusartikel zu verkaufen.
Also sagen sie jetzt »rose gold edition«, was nach teurem Schmuck klingt, im Netz aber längst »the pink phone« genannt wird. Schade, dass vom trendigen Roségold kaum noch etwas übrig bleibt, wenn man eine der stoßsicheren Hüllen drüberzieht, die man im halbnormalen Leben ja doch irgendwann braucht. Womöglich ist das neue iPhone auch nur etwas für die Aristokraten unter uns.
Wer es trägt: Prada-Frauen, »Game of Thrones«-Darstellerinnen, Miss Piggy
Schluchzende Schwester im Geiste: Gwyneth Paltrow bei den Oscar's 1999
Typischer Instagram-Kommentar: Wo hört das Kleid auf, wo fängt die Frau an?
Headline in Modemagazinen: »Rosé ist das neue Schwarz«
Das sagt der Freund: Heute gibt's keine Spaghetti-Bolo. Oder?
Foto: Gettyimages / John Shearer, Jon Kopaloff, Jeffrey Mayer