Kann bitte endlich mal jemand Wettbüros für künftige Modetrends einrichten? Wir hätten an dieser Stelle damit schon eine Menge Geld machen können, und auf dieses Ding hätten wir erst Recht sofort gesetzt: die Augenklappe als modisches Accessoire.
Der Trend war nämlich gewissermaßen absehbar. Zuletzt wurden so ziemlich alle Stellen oberhalb der Schlüsselbeine abgegrast – Turban, Ohrringe, Choker, Schleier; Gucci zeigte für nächsten Herbst goldene Ear-Pieces zum quasi-komplett Verkleiden der Ohrmuschel – weil die nun mal plakativ im Selfie-Bildausschnitt liegen. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis auch noch der letzte, nun ja, blinde Fleck in diesem Bereich besetzt werden würde: die Augenpartie, die man ja nicht nur mit einer Brille versehen, sondern eben auch einseitig mit einer Augenklappe verdecken kann.
Madonna trägt jetzt also im ersten Video »Medellín« zu ihrem neuen Album »Madame X« gleich mal ein halbes Dutzend verschiedene Augenklappen auf der linken Seite, von knallrot bis zum Modell »Punk« mit einer Ladung Sicherheitsnadeln darauf. Die Sechzigjährige hat ja schon konische BHs, Henna-Tattoos und auberginengroße Bizepse populär gemacht, aktuell trägt sie eine Mischung aus üblicher Fetisch- und Latinotänzer-Montur. Das neueste Accessoire allerdings sorgte bei einigen Fans erst einmal für Verwirrung.
Hat »Madge« womöglich doch etwas am Auge, fragten sich einige besorgte Fans auf Twitter? Eher unwahrscheinlich. Auf den Instagram-Ostergrüßen von Madonna im Kreise ihrer Kinder tragen alle kollektiv und fröhlich Augenklappe. Außerdem gibt es einige Bilder, auf denen die Sängerin auch mal ohne zu sehen ist. Der Grund dürfte also weniger medizinischer als ästhetischer Natur sein und mit ihrem neuen Alter Ego »Madame X« zu tun haben.
X ist nämlich Geheimagentin und als solche offensichtlich ein echter weiblicher Haudegen samt Gerte im Anschlag. Und was tragen richtige, vom Leben gezeichnete Schurken/Helden/Geheimnisträger meistens, siehe Tom Cruise in Stauffenberg, Emilio Largo bei James Bond, Chris Hemsworth als Thor? Eben. Auch Frauen bekamen im Film schon häufiger eine Klappe verpasst, wenn man zeigen wollte, dass mit diesen Ladies nicht gut Kirschen essen ist. Daryl Hannah in Kill Bill, Angelina Jolie in Sky Captain and the World of Tomorrow, zuletzt Rachel Weisz in The Favourite, die allerdings nach einem Reit-Malheur statt einer Klappe eher eine Spitzenborte über der einen Gesichtshälfte trug.
Eine Frau, der gerade wegen einer Augen-Operation eine Seite verbunden wurde, bedankte sich prompt via Twitter bei Madonna für das super Timing, eine andere schrieb, sie wolle auch sofort damit anfangen – dann müsse sie schließlich nur noch ein Auge aufwendig schminken. Womöglich wird jetzt sogar das ein oder andere Grundschulkind weniger für sein Augenpflaster gehänselt, weil die Klassenkameraden auf Youtube über diese Pop-Veteranin gestolpert sind, die man von den alten CD-Hüllen der Eltern kennt.
Mal sehen, ob da, wo bei Madonna bisweilen ein dickes X prangt, bald schon Logos zu finden sind, also ob die ersten Designermarken bald eigene Augenklappen auf den Markt bringen. Die Ohrstöpsel von Louis Vuitton sind schließlich bereits ständig ausverkauft, weil man damit für schlappe 1000 Euro endlich auch über dem Gehörgang ein Logo unterbringen kann. Und auf so einem Flicken ist ja ungleich mehr Platz!
Gesundheitsschäden sind angeblich nicht zu erwarten, solange man die Augenklappe mal rechts und mal links trägt. Piraten sollen sie übrigens nicht deshalb getragen, weil ihnen ein anderer Seeräuber eine mit dem Haken verpasst hatte, sondern um immer eine Seite für die Dunkelheit unter Deck zu trainieren.
Aber findet jemand, der tatsächlich ein Auge verloren hat, es wohl cool, wenn jemand mit gesundem Augenlicht einen Trend daraus macht? Die berühmte Kriegsreporterin Marie Colvin etwa hatte bei einer Granatenexplosion in Sri Lanka ein Auge verloren, sie trug, was ihr Markenzeichen wurde, aus Notwendigkeit, nicht aus Eitelkeit.
Wird auch getragen von: Kindern mit Sehschwäche, schlauen Piraten
Typischer Instagram-Kommentar: »Mit dem Zweiten sieht man besser«
Das sagt die besorgte Mutter: »Bisschen einseitig der Trend, oder?«