Vielleicht werden auch diese beiden an einem ihrer Hochzeitstage in Erinnerungen schwelgen, und dann säuselt sie so etwas ins Kerzenlicht wie: »Weißt du noch, Schatz, wie du mir damals unterm bengalischen Feigenbaum den Antrag gemacht hast?« Ihr Angetrauter müsste dann ehrlicherweise antworten: »Was redest du da für einen Blödsinn, Babe, natürlich weiß ich das noch, ist ja perfekt ausgeleuchtet und mit verschiedenen Einstellungen gefilmt auf Instagram und Youtube abrufbar. Deshalb kann sich leider auch jeder an das peinliche glänzende Sträflingsleibchen erinnern, das ich mir dafür angezogen hatte.«
Wer die vergangene Woche mit wachen Augen auf Social Media unterwegs war, weiß natürlich längst, um welche Frischverlobten es hier geht: Der Sänger Machine Gun Kelly (MGK), mit bürgerlichem Namen Colson Baker, hat seiner Freundin, der Schauspielerin Megan Fox, einen Antrag gemacht. In Puerto Rico, wo sie sich 2020 bei Dreharbeiten kennengelernt hatten, mit Kniefall, im Abendlicht. Die Braut kämpfte mit den Tränen, sagte aber natürlich »Ja!«, und – Glück muss man haben – das alles haben zwei Kameras mitgeschnitten, damit die freudige Nachricht in voller Länge auf Instagram verkündet werden konnte. Was nicht geteilt wurde, ist heutzutage ja nicht wirklich passiert.
Aber, Hand aufs gerührte Herz, waren Heiratsanträge nicht mal etwas sehr Intimes? Vielleicht sogar eine Überraschung, mit der die Auserwählte in diesem Moment nicht gerechnet hatte? Frank Sinatra überreichte seiner Barbara Blakeley den Klunker der Legende nach in einem Glas Champagner versenkt. Selbst bei der guten alten »Traumhochzeit« mit Linda de Mol war der Antrag vor versteckter Kamera immerhin für einen von beiden eine Überraschung. Wenn allerdings erst mal die Handystative aufgebaut werden oder die persönlichen Assistenten zum Filmen abgestellt werden, und MGK seiner Megan sagt, »Stell dich mal da unter den großen Ast, ich hab dir was zu sagen«, ist das ja ein ziemlich durchsichtiges Vorspiel.
Trotzdem hat der öffentliche Antrag bereits eine gewisse Tradition. Fast jede Fernsehsendung wurde dafür schon mal benutzt. Bei The Voice of Germany bat vor ein paar Jahren einer der Kandidaten nach erfolglosem Vorsingen seine Freundin auf die Bühne, was Jury-Mitglied Sido allerdings nicht in Kreischseufz-Stimmung, sondern in gesteigertes Genervtsein versetzte. Haben die denn alle kein Zuhause? Muss das sein? War »sein Glück teilen« wirklich so wörtlich gemeint, dass man gleich ein paar Millionen damit behelligen muss?
Vordergründig will der oder die (immer etwas unzurechnungsfähige) Liebende öffentlichen Druck aufbauen, damit es wirklich kein Zurück mehr gibt. Klassische Rollercoaster-Situation, erst mal reinsetzen in das Fahrgeschäft und nicht weiter nachdenken, bis die Sicherheitsstange einrastet und das Ding schon Fahrt aufnimmt. Insgeheim geht es beim ganz großen Aufriss jedoch weniger um die Liebeserklärung an das Gegenüber, sondern vielmehr um das Geltungsbewusstsein des Fragenden: Schaut mal alle her, wie mutig ich bin! Wie toll ich das hingekriegt habe! Wie sehr mich diese Frau, dieser Mann tatsächlich anhimmelt!
Was soll man auch sagen nach so viel aufgebauter Drohkulisse. Nein zu sagen vor laufender Kamera, mit dem Verlobungsring bereits am Finger, ist ungefähr so, wie dem Erpresser unter vorgehaltener Knarre zu antworten: »Nö, ich schließ den Tresor nicht auf.« J.Lo willigte bei A-Rods mitgefilmtem Antrag am Strand bekanntlich auch erst mal ein. Geheiratet wurde allerdings nie, weil sie jetzt wieder Ex-Flamme Ben Affleck liebt, der für alles Mögliche bekannt ist, aber glücklicherweise keinen offiziellen Instagram-Account pflegt. Öffentlicher Antrag: eher unwahrscheinlich.
Bei Machine Gun Kelly und Megan Fox darf davon ausgegangen werden, dass das junge Versprechen nicht nur eingelöst, sondern auch umfassend dokumentiert werden wird. Von expliziten Zungenküssen bis hin zu Halsketten mit dem Blut des anderen, von Namenskettchen bis hin zu durch Ketten verbundenen Fingernägeln wurden bislang alle möglichen Treueschwüre maximal aufsehenerregend inszeniert. Der erste große Auftritt nach ihrer Verlobung machte da keine Ausnahme: Der Sänger, der mehr und mehr an Edward mit den Scherenhänden in blond erinnert, war Stargast und Model bei der Männermodenschau von Dolce & Gabbana in Mailand, Fox saß im Publikum. Wie der alte Herzblatt-Profi Rudi Carrell gesagt hätte: »Gerade noch unterm Feigenbaum, jetzt schon auf unserer Showbühne!« Anschließend trug die zukünftige Braut eine Reihe von transparenten Spitzenentwürfen der Marke, etwa ein Oberteil mit Schmucksteinen und der Aufschrift »SEX«. Kann die beiden bitte schnell jemand in die Flitterwochen schicken?
Typischer Instagram-Kommentar: »Machine Gone Foxy«
Verlobten sich ebenfalls öffentlichkeitswirksam: Fedez (an Chiara Ferragni), Alex Rodriguez (an J.Lo), Max Kruse (an seine Dilara)
Passender Song: »Sag einfach Ja« (Tim Bendzko)