Ob Metallica-Frontmann James Hetfield sich kurzfristig noch als amerikanischer Präsidentschaftskandidat aufstellen lässt? Wenn Donald Trump das geschafft hat und Kanye West für 2020 bereits in den Startlöchern steht, eigentlich auch kein großer Schock mehr. Dafür spricht: Hetfield und seine Band-Kollegen tragen neuerdings das staatsmännischte aller Bekleidungsstücke, einen Brioni-Anzug. Dieser machte bereits Typen wie George W. Bush, Gerhard Schröder oder Tony Blair zu Weltpolitikern - so jedenfalls die Theorie des ehemaligen Unternehmenschefs Umberto Angeloni.
Nachdem sich die italienische Luxusschneiderei lange Jahre mit ihrem Kundenkreis aus Staatsmännern, Oscarpreisträgern und James Bond rühmte, traf sie bei der Wahl ihrer neuen Werbegesichter eine etwas derbere und zunächst überraschende Wahl: die Altrocker von Metallica. Verantwortlich für diese Besetzung ist Brionis neuer Kreativdirektor Justin O’Shea, im Amt seit April diesen Jahres.
Wer ihn sieht, der ahnt, dass Rock’n’Roll-Attitüde und italienischer Luxuszwirn in O‘Sheas Welt kein Paradoxon sind. Der ehemalige Chefeinkäufer für den Designermode-Onlineshop Mytheresa hat sich dank Modelfreundin und seinem auffälligen Erscheinungsbild aus muskelbepacktem, volltätowierten Oberkörper, Dreiteiler und Rauschebart in den letzten Jahren zu einem der meistfotografierten Männer der internationalen Fashion Weeks katapultiert. Der Australier wurde offenkundig nicht wegen seiner (nicht existenten) Designausbildung angeheuert, sondern wegen seiner Kenntnis um die eine perfekte Inszenierung – derzeit kein ungewöhnlicher Zug in der Streetstyle-dominierten Modewelt.
Als erste Entstaubungsmaßnahme hat er dem italienischen Traditionshaus also gitarrenspielende Testimonials verpasst und dabei gleich auch noch das zuvor rote Brioni-Logo durch ein neues ersetzt, angeblich angelehnt an das erste Unternehmenslogo aus den Fünfzigern - erinnern tut der gothisch anmutende Schriftzug allerdings eher an Kanye Wests aktuelle Merchandise-Kollektion. Kein schlechtes Vorbild, damit setzte der US-Rapper laut einem seiner üblicherweise eher wirren Tweets im März binnen zwei Tagen eine Million US-Dollar um.
Für Metallica könnte der Brioni-Job nicht passender kommen. Ihr zehntes Studioalbum, das erste auf ihrem eigenen Label, ist nach acht Jahren endlich fertig und soll Gerüchten zufolge noch diesen Sommer oder Herbst erscheinen – da kann ein bisschen Extra-Publicity nicht schaden. Gleichzeitig lösen die Metaller damit ein branchenweites Bekleidungsproblem: Seit zerrissene Jeans(westen) und schwarze Biker-Lederjacken die Alltagsmode penetrieren und längst Weichspüler-Popstars in einschlägigen Band-Shirts gesichtet wurden (Miley Cyrus in Iron Maiden, Justin Bieber in Metallica oder Kendall Jenner in Slayer), sind die echten Rocker eben gezwungen, sich zur modischen Abgrenzung eine neue Kluft zuzulegen. Black Tie statt Black Sabbath.
Brioni gelingt mit der Verpflichtung ein weiser Schachzug in punkto Neukundenakquise. Bei der Polit-Elite ist eben einfach nichts mehr zu holen. Schon Ex-Kanzler Schröder musste sich Kritik an der Zurschaustellung seines luxuriösen Lebensstils anhören, als er sich Cohiba-rauchend im Brioni-Anzug ablichten ließ (so ein maßgeschneidertes Stück kann bis zu 40.000 Euro kosten); die 12.500 Dollar-Armani-Jacke Hillary Clintons versetzte kürzlich das halbe Internet in Rage. In Rocker-Kreisen sieht das anders aus, hier kann man noch klotzen statt kleckern – das zeigte erst letztens der Verkehrsmittel-Größenvergleich, der sich am Züricher Flughafen bot: Neben dem Jumbo-Jet der Heavy-Metal-Band Iron Maiden wirkten die Flugzeuge von Angela Merkel und Francois Hollande wie niedliche Spielzeugflieger.
Am Montag zeigt Brioni in Paris seine erste Modenschau unter neuer Kreativleitung. Wird Brioni seine Models demnächst mit Harleys und wehendem Haar über den Catwalk schicken? Wir sind gespannt. Auch auf die Bühnenoutfits der nächsten Metallica-Tour.
Wird auch getragen von: John Wayne, Gerhard Schröder, Donald Trump, James Bond
Wird getragen mit: Fliege, Zigarre, Champagnerglas
Typischer Instagram-Kommentar: #nothingselsematters
Das sagt der Metal-Fan: Gibt's den Smoking auch mit Schulterkette und Kniepolstern?
Foto: Instagram