Im Mai geht es traditionell um die wirklich wichtigen Kollektionspräsentationen, um Entwürfe, die bald Hunderttausende da draußen ordern werden. Der gut informierte Vogue-Leser denkt jetzt sofort: Natürlich sind die gerade laufenden Cruise-Shows gemeint. Dior in Marrakesch, Prada in New York, Gucci bald in Rom – eine bombastischer als die andere. Klar, auch richtig, aber knapp daneben, in Wahrheit geht es um Schauplätze wie Mönchengladbach, Manchester, München. Um nicht nur ziemlich wahrscheinliche, sondern garantierte Must-haves der Saison: die neuen Fußball-Trikots.
Eigentlich stellen die Vereine ihre Trikots meist am letzten Spieltag vor, quasi als optischen Cliffhanger und Konsumhäppchen für die Sommerpause. Aber ein paar Designs wurden schon vergangene Woche enthüllt beziehungsweise vermeintliche vorzeitig geleakt. Ein bisschen Ablenkung im ungewöhnlich spannenden Bundesligafinale, wäre ja sonst kaum zu ertragen, also diskutierten die Fans auf Twitter dankbar jedes Detail.
All jenen, die zwar das »Theme« jeder einzelnen John-Galliano-für-Dior-Kollektion aus den Nullerjahren runterbeten können, für die aber ein Trikot des FC Bayern immer nur rot und jedes von Dortmund einfach schwarz-gelb aussieht, denen sei noch einmal der bekannte Werbesatz mit auf den Weg gegeben: »Für die einen ist es Duplo, für die anderen die längste Praline der Welt.« Trikotdesign ist eine Sportart für sich, in der es um Millimeterabweichungen bei Längs- und Querstreifenbreite geht. Wo Unbeteiligte nur irgendeinen V-Ausschnitt sehen, wissen Fans sofort aus welchem Jahr ein Entwurf stammt. Es gibt mittlerweile ganze Portale, die sich vor allem auf die Veröffentlichung neuer Vereinskleidung konzentrieren.
Die ersten Skandale der Saison 2019/20: Juventus läuft ohne seine »Bianconeri«, also seine berühmten schwarz-weißen-Längsstreifen, auf, sondern mit nur zwei Blockstreifen, unterteilt von einer pink-roten Mittellinie.
Dortmund riskiert ebenfalls was, zumindest auswärts. Während das bereits offiziell vorgestellte Heimtrikot von Puma vor allem gelb ist und lediglich an den Schultern mit schwarzem Muster daherkommt, wurde das angebliche dunkle Auswärtstrikot im Netz schon als das hässlichste aller Zeiten abgewatscht.
Irgendwas zwischen Moonwashed-Jeans, Satelliten-Wetterbild und Blauschimmelkäse. Übertreffen könnte das nur noch Borussia Mönchengladbach, deren Trikot an Saum und Ärmeln offensichtlich grün-schwarze Rauchschwaden aufgedruckt hat, die nach Bengalo-Qualm in der Fankurve aussehen. Vorgestellt wird es erst diesen Samstag, auf Twitter gab es vorab ein gepixeltes Teaser-Video der Galdbacher mit Jonas Hofmann als Hauptdarsteller, der gefragt wird: »Hey Jonas, was hast du denn da Cooles an..?« Kein Wunder, dass Fußballspieler bei Frisuren und Tattoos freidrehen, wenn sie ständig solchem Zeug ausgesetzt sind.
Aber irgendetwas müssen die Clubs schließlich am Trikot verändern, sonst kaufen die Fans das bis zu 140 Euro teure Ding ja nicht, und dann werden nicht wieder zig Millionen in die Kassen gespült, die man dann bei den Transfers ausgeben kann, um neue Namen auf die neuen Trikots flocken zu können. Man braucht keinen Rechenschieber, um zu kapieren, warum es plötzlich neben dem Auswärtstrikot auch noch Championsleague-, Aufwärm- und sogar von Videospielen inspirierte Trikots für den Fan gibt.
Die Tabelle der ambitioniertesten Designs führen bislang Chelsea an, mit einem Muster, das von der Stamford Bridge inspiriert ist, ähnlich wie der FC Bayern, dessen heute vorgestelltes Heimtrikot die Wabenstruktur der leuchtenden Allianz Arena aufgreift. Der alte Heritage-Trick aus der Mode: bekannte Insignien der Marke im Design verbraten. Außerdem beachtenswert: der FC Barcelona, der nach 120 Jahren offensichtlich sämtliche Quer- und Längsstreifen-Kombinationen durch hat und nun auf Schachbrettmuster setzt, also das typische Design der kroatischen Nationalmannschaft übernimmt. Wie ein resignierter Fan auf Twitter schrieb: »Wenn schon auf dem Rasen keine Revolution, dann immerhin auf der Brust.«
Und natürlich Real Madrid, das ab August zu Hause mit weiß-goldenen Designs auflaufen soll, was ein interessantes Timing wäre: Da holt man dreimal hintereinander die Champions League, aber genau nach der Saison, in der man im Achtelfinale rausfliegt und haushoch die Meisterschaft verliert, streift man sich – war was? - Gold über. Vielleicht aber auch nur eine versteckte Spitze der Adidas-Trikotdesigner auf die Millionen, die dieser Verein diesen Sommer auf dem Transfermarkt ausgeben dürfte: für neue, zugkräftige Goldesel.
Wird bald getragen auf: Nord-, Süd- und Eckcoach-Kurven
Wird sofort gewünscht von: allen fußballverrückten Jungs
Typischer Instagram-Kommentar: »Und alle Eltern so: yeah!«