Je später der Abend, desto ...?

Nach den Oscars ist vor der Party: Wenn die offizielle Verleihung endet, werden die Kleider gewagter und die Stars, ähm, zahlreicher. Ein Blick hinter die Kulissen.

Kim Kardashian, Timothée Chalamet und Heidi Klum

Fotos: Getty Images

»Je später der Abend, desto schöner die Gäste«, lautet ein alter Spruch, der in den meisten Fällen schon nicht stimmt, aber im Falle der Oscar-Verleihung erst recht abgewandelt werden müsste. Zutreffender wäre hier: »Je später der Abend, desto abgefahrener die Kleider.« Böse Zungen behaupten auch: »…desto abgewrackter die Gäste.« Die bekannteste Afterhour ist nämlich die Vanity Fair-Oscar-Party und deren früherer Mitarbeiter Dana Brown schrieb für Airmail (den Newsletter des ehemaligen Chefredakteurs Graydon Carter) gerade über seine persönlichen Erfahrungen während dieses Events (schon auch interessant) und die Einlade-Praxis (sehr interessant).

Zum »Dinner« um 17.30 Uhr sind demnach ungefähr 150 Prominente anwesend, die natürlich nicht zu den dicksten Fischen in der Branche gehören, weil die ja zur selben Zeit im Dolby Theatre sitzen oder wegen Nicht-Nominierung und Gesichtswahrung gar nirgendwo aufkreuzen. Es sei mehr ein Mix aus Lokalgrößen, Produzenten, Studio- und Agentur-Chefs, Starlets, die gesellschaftlich noch in Ordnung gehen sowie alten Hollywood-Stars, die man für eine Nacht aus dem Altersheim hole, schreibt Brown. Sobald die Verleihung vorbei sei, rollten dann weitere Stars an, in festgelegten »Wellen«: Wer 21 Uhr auf seiner Einladung stehen hat, sei ein »echter« Film- oder Fernsehstar. Je später der Slot, desto geringer der aktuelle Hollywood-Status. (Man würde jetzt zu gern wissen, welche Uhrzeit Heidi Klum, Jeff Goldblum oder Katie Holmes auf ihren Kärtchen stehen hatten.) Kurz vor Mitternacht geht die Kurve dann noch mal steil rauf, mit der Ankunft der Oscar-Gewinner, die sich ja noch mal schnell umziehen mussten.

Womit wir beim eigentlichen Thema wären: den »After-Outfits«. Während die Verleihung bei vielen Stylisten die Pflicht ist, gehört alles danach zur Kür. Es wird lässiger, weniger formell, vor allem gewagter. Praktischer Nebeneffekt für Stars und Designermarken: Man kann im besten Fall gleich zwei tolle Kleider vorführen. (Bestimmt haben manche auch noch ein drittes »Oscar Kit« für die After-After-Partys in der Tasche, aber da sind dann leider keine Kameras vor Ort.)

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Zendaya

Timothée Chalamet

Fotos: AFP / Getty Images

Timothée Chalamet, der ohne Hemd unterm kurzen Glitzerjackett auf Instagram heute Nacht wahrscheinlich die höchste je abgegebene Menge an Flammen-Emojis abgeräumt hat, konnte sich eigentlich kaum mehr steigern. Aber versuchen kann man es ja trotzdem: Zur VF-Party kam er im durchgeknöpften Leder-Denim-Ensemble, nicht schlecht, aber nicht ansatzweise so gut wie der futuristische »Destill«-Anzug aus dem Film Dune. Billie Eilish schlüpfte von langem Schwarz in kurzes Schwarz, Zendaya erschien im coolen Anzug mit Krawatte von Sportmax, Kristen Stewart tauschte die kurzen Shorts gegen ein halb durchsichtiges Spitzenkleid von Chanel mit tiefem V-Ausschnitt. Irgendein Kontrast zu vorher muss halt sein, sonst kriegen den Garderobenwechsel womöglich nicht alle mit.

Foto: AP/Evan Agostini

Wirklich interessant wird es traditionell bei den Gästen, die vorher nicht bei der Verleihung waren, also nur einen »Shot« haben, um bleibenden Eindruck auf den ewigen Best-Dressed-Listen zu hinterlassen. Diesmal ziemlich weit vorne: Kim Kardashian (definitiv 21-Uhr-Berühmtheit), die erwartungsgemäß in einem Balenciaga-Schlauch kam, allerdings nicht in irgendeinem, sondern in genau jenem eisblauen Entwurf, der den krönenden Abschluss der kürzlich in Paris gezeigten und schon jetzt legendären Kollektion bildete. Die Frau hat ohne Zweifel ein Händchen für die ganz große Welle. Eigentlich nur noch eine Frage der Zeit, bis sie als Gastgeberin zur Oscar-Verleihung eingeladen wird. Das würde dann sicher auch die Quote heben. Und am besten laden sie dann gleich noch Kanye West und Pete Davidson für ein Will Smith-/Chris Rock-Remake ein.

Kim Kardashian

Hunter Schafer und Dominic Fike

Fotos: Getty Images / AP/Evan Agostini

Weitere denkwürdige Momente: Hunter Schafer im langen, Batik-Mermaid-Denimdress zusammen mit ihrem Euphoria-Co-Star und neuem Partner Dominic Fike, der passend zu ihrem blauen Lidschatten blaugefärbte Haare trug. Emily Ratajkowski mit spektakulärer, vorn nur halb geschlossener Korsage, deren Konstruktion und Zusammenhalt einen wirklich interessieren würde, weil die meisten von uns das Phänomen ja nur aus unglücklichen Momenten bei der Schneiderin kennen (Reißverschluss oder Häkchen gehen nicht mehr zu, weil der Körperumfang irgendwie gewachsen ist). Heidi Klum in limonengrünem Hängerkleid mit Spritztüten-Dekolleté.

Emily Ratajkowski

Heidi Klum

Fotos: dpa / Getty Images

Will Smith erschien mit Jada Pinkett Smith und Kindern übrigens ebenfalls auf der VF-After-Party. Seine Frau tauschte ihre grüne Gaultier-Robe gegen ein nudefarbenes Kleid mit durchsichtigem Umhang. Der Oscar-Gewinner dagegen hatte offensichtlich keine Zeit gehabt, sich umzuziehen. Gab wahrscheinlich einfach zu viel zu besprechen.

Typischer Instagram-Kommentar: »In Berlin sehen die auf den After-Partys irgendwie anders aus«
Das sagt die Stylistin: »Heute nur Champagner, der macht keine Flecken.«
Passender Songtitel: »That don’t impress me much« (Shania Twain)